Tierschutz im Inland
Gedanken unseres Hundetrainers und Tierschützers zum Tierschutz
Von:
Ralf Lügger
Zuletzt aktualisiert am: 8.5.2023
Tierschutz geht uns alle an!
Was ist Tierschutz, wo beginnt er und was kann man aktiv für den Tierschutz tun, damit Hund, Katze, Maus, Pferd, Kuh, Huhn, Eisbär, Robbe, Gorilla & Co., art- und rassegerecht leben können und ihnen kein Leid widerfährt?
In dem nachfolgenden Artikel hat sich unser Hundetrainer Ralf Lügger, der sich selber aktiv seit Jahrzehnten im Tierschutz engangiert, Hunde und andere Tiere aus misslichen Haltungen gerettet und ein neues Zuhause geschenkt hat, seine Gedanken zum Thema Tierschutz zusammengefasst.
Das Tierschutzgesetz ist die rechtliche Grundlage und appeliert an unser aller Verantwortung:
Tierschutz umfasst alle Maßnahmen, die das Leben und Wohlbefinden der Tiere schützen und jedwede Schmerzen, Leiden und Schäden vermeiden!
Tierschutz - Was ist Tierschutz, warum Tierschutz und wie?
Ziel des Tierschutz ist und bleibt, dass das Wohlergehen aller Tiere und Tierarten geschützt wird, keinem Schmerzen, Leid oder Schäden zugeführt werden, sie respektiert und würdevoll mit ihnen umgegangen wird.
Tierschutz zu Hause bei uns in Deutschland
Wir fragen uns, warum Tierschutz auch im Inland nötig ist? Was macht den historischen Ursprung aus, wie hat sich der Tierschutz entwickelt? Was kann jeder von uns tun, um den Tierschutz im Inland zu unterstützen.
"Dass einmal das Wort "Tierschutz" geschaffen werden musste,
ist wohl eine der blamabelsten Angelegenheiten der menschlichen Entwicklung."
(ehemaliger Bundespräsident Deutschlands Prof. Theodor Heuß)
Warum ist es überhaupt notwendig, dass sich Menschen für den Tierschutz einsetzen, da wir doch in einer Gesellschaft leben, die Tierschutzgesetze hat und überwacht. Leider Gottes nehmen wir alle immer wieder wahr, dass es unserer Gesellschaft an der Überzeugung fehlt, dass Tierschutz unbedingt notwendig ist. Wir aktiven Tierschützer (zu diesen zähle ich mich seit vielen Jahrzehnten) sind sehr bestrebt und bemüht, dem Tierschutzgedanken weiterzuhelfen und hoffen, dass Publikationen wie diese oder im Internet auch ein Stück weit zu einer (tier-)gerechteren Gesellschaft beitragen.
Tierschutz hat in der Geschichte der Menschheit eine lange Tradition. Wo zuerst Tiere geschützt wurden, weil sie dem Menschen von Nutzen waren, begründete sich der Tierschutz in der Antike - zumindest bei den Philosophen - durch die selbstverständliche Gültigkeit ihres Gerechtigkeitsgedanken. Denker wie Pythagoras kamen zu der Einsicht, dass eine Gesellschaft nur gerecht sein kann, wenn sie die individuellen Rechte der Tiere akzeptiert und wahrt. Fragen Sie sich doch bitte heute einmal, ist das noch immer so oder war dies jemals so?
Aber zurück zur eingangs gestellten Frage "Warum Tierschutz?". Da sich soziales Handeln unumstritten als ein Pfeiler unserer Gesellschaft etabliert hat, ist der Umgang mit Tieren auch unter diesem Aspekt zu beleuchten.
Philosophen wie Schoppenhauer, Kant oder Fromm waren der Überzeugung, dass nur sozial sein kann, wer auch gerecht zu Tieren ist. Eine Gesellschaft, die ausreichendes Gespür für Tierschutz besitzt, beweist damit, dass sie auf Basis sozialen Handelns lebt und nicht nur propagiert. Sind wir somit soziale Wesen, die ja in einem Sozialstaat leben oder klammern wir hier unsere Tiere, gerade die Nutztiere, aus?
Im scheinbaren Widerspruch dazu steht, dass sich die Mehrzahl der Bürger in Europa mit tierischen Produkten (Fleisch) ernähren, was zur Folge hat, dass Tiere mit dem einzigen Ziel gehalten werden, uns später als Nahrungsmittel zu dienen. Ich möchte hier nicht den Moralapostel spielen, allerdings sollte sich jeder hinterfragen, ob er/sie es selber verantworten kann, sofern Fleisch auf dem eigenen Speiseplan steht, ob man bei der Haltung von Rindern, Kühen, Schweinen etc. wegschauen und dann noch „genüsslich“ den Sonntagsbraten verzehren kann.
Um dem sozialen Anspruch gerecht zu werden, sollte es unsere Gesellschaft unbedingt schaffen, für alle Tiere dieser Erde, nicht nur Hunde und Katzen, eine Basis zu schaffen, damit sie unter würdigen Bedingungen leben können, selbst wenn sie letztendlich von uns getötet werden.
Wer in unserer Gesellschaft aufgrund wirtschaftlicher Interessen einem Menschen schadet, handelt aus niedrigen Beweggründen. Wer ein Tier ausbeutet, um Profit zu erwirtschaften, handelt ökonomisch. Diesen Widerspruch gilt es aufzulösen. Vielleicht sollte die Gesetzgebung damit anfangen, Tiere nicht als Sachen zu behandeln.
Was unsere Gesellschaft definitiv braucht ist nicht Mitleid, sondern Gerechtigkeit. Sie sollten daher aktiv und bewusst darauf achten, mit Ihrem Handeln (zum Beispiel dem Einkauf) den Gerechtigkeitsgedanken zu unterstützen. Nur wenn wir es nicht nötig haben, Tiere zu quälen (Transporte, Schlachtarten und viele Dinge mehr) oder aus niedrigen Beweggründen auszubeuten, können wir eine gerechte und soziale Gesellschaft sein. Das zu erreichen ist der Grund, warum wir Tierschutz brauchen.
Wenn Tierschutz intelligenter wird und sich nicht nur auf ein paar Kuscheltierchen beschränkt, sondern zu Liebe und Respekt wird für alles, was lebt, dann ist Tierschutz auch Menschenschutz. Und dann leben wir alle in einer besseren Welt.
Meine eigenen Erfahrungen als Tierschützer sind wahrscheinlich ähnlich wie derer vieler anderer engagierter Tierschützer in diesem Land. Jeden Tag erreichen mich 50 bis 100 Mails über den Tierschutzverteiler, jede Woche führe ich Gespräche zur Vermittlung und Abgabe von Tieren.
Wir haben Tierschutzgesetze, engagierte Tierschützer im Dauereinsatz. Warum werden dann die Einsätze gefühlt immer mehr und mehr? Warum sind auch die Tierheime in Deutschland zumeist rappelvoll? Ich persönlich habe die Befürchtung, dass sich nicht besonders viele Politiker diese Fragen stellen.
Nur uns engagierten Tierschützer und Tierärzte scheinen diese Fragen zu interessieren!
Es wird offensichtlich nur noch produziert, der Markt reguliert die Nachfrage, gerade in der Zeit von Corona war dies eindeutig zu sehen! Kurz auf einen Nenner gebracht zusammengefasst, je mehr Homeoffice, desto langweiliger war dem Menschen. Im eigenen Haus eingesperrt, also holte man sich, häufig unüberlegt, aber zur eigenen Belustigung, einen netten Vierbeiner ins Haus, der aber schon bald wieder lästig wurde. So landeten dann auch mal wieder viele Rassehunde in Tierheimen.
Tiere kann man nicht auf „Halde“ produzieren. Sie sind nur gefragt, wenn sie klein und niedlich sind und nicht groß und schwarz. Abstammung ist gefragt, oder eine interessante Mischung. Bei der Anschaffung wird nicht gefragt, ob das Tier in die Wohnung passt, ob die Pflege und Ernährung gesichert ist, der Auslauf gegeben werden kann, mindestens 15 Jahre Verantwortung getragen werden können. Es wird nicht einmal gefragt, ob der auserwählte Hund überhaupt zum Charakter des neuen Herrchens oder Frauchens passt!!!!
Unzählige Anzeigen in verschiedenen Medien wie dem Internet oder auch Zeitungen preisen immer noch mehr Tiere an. Jede Rasse und zu fast jedem Preis. Ich nenne sie immer „die sogenannten Züchter“, die als Vorwand der Zucht häufig zum Besten geben, „einmal muss sie doch werfen, sonst ist sie keine ganze Hündin!“ Ist damit auch jede Frau, die keine Mutter geworden ist, keine ganze Frau? Die Frage ist genauso überflüssig, wie das Denken dieser Menschen. Sind sogenannte Züchter nicht schon eher Vermehrer, die an ein Wohl denken, nämlich an ihr eigenes Wohl, daran, dass der Kontostand wächst.
Leider ist es dann oft so, dass Tiere, ob Hunde, Katzen oder andere überproduziert werden! Sie werden weitergereicht, in Tierheimen abgeschoben oder anderweitig „entsorgt“. So viele Gründe sind hierfür verantwortlich. Tiere werden uninteressant, sie werden alt. Menschen stellten sich deren Haltung anders vor. Tiere, die auf einmal angeblich gebissen haben! Tiere müssen weg, weil ein Baby kommt!
Der Mensch hat keine Geduld, keine Vorstellung davon, dass er/sie sich glücklich schätzen kann, ein fühlendes Lebewesen vielleicht 15 Jahre an seiner/ihrer Seite zu wissen. Doch häufig wird dieses zunächst lieb gewonnene Wesen einfach „entsorgt“. Der Mensch ist das Übel, deswegen hat der Mensch den Tierschutz installiert. Das ist doch sicherlich durchaus paradox oder?
Tierschutz: Religiöser Zusammenhang
In den frühen Kulturen der Menschheit (zum Beispiel im alten Ägypten) und bei Naturvölkern findet man bis heute eine mehr oder weniger ausgeprägte Tierverehrung. So waren die alten Ägypter sich über die gemeinsame Herkunft von Tier und Mensch in der Schöpfung bewusst. So hatten sie auch ein sehr partnerschaftliches Verhältnis zu den Tieren und vertraten die Auffassung, dass beide gleich viel wert seien. Dies drückte sich auch in ihrer Götterdarstellung aus: Die meisten ägyptischen Götter wurden sowohl mit Menschenkörpern und Tierköpfen dargestellt.
Auch in vielen asiatischen Religionen wie dem Hinduismus oder dem Buddhismus haben bestimmte Tiere, insbesondere bezüglich des Reinkarnationsgedankens, eine besondere Stellung. So gelten in diesem Zusammenhang im Hinduismus die Kühe als unantastbar. Da der Mensch unter Umständen als Tier wiedergeboren werden kann, spielt dort die Verkörperung der menschlichen Seele in einem Tier verständlicherweise eine sehr prägende Rolle.
Albert Schweitzer vertrat das Konzept der Ehrfurcht vor dem Leben. Als Kernsatz seiner Auffassung wurde die Aussage populär: „Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will.“ Daraus folgte für Schweitzer, dass die Grundsätze der Ethik nicht an der Artengrenze zwischen Mensch und Tieren enden, sondern der Mensch zu ethischem Verhalten gegenüber der gesamten Schöpfung verpflichtet ist.
Für ihn bedeutete das unter anderem auch, dass das Töten von Tieren für die Ernährung der Menschen nicht zulässig sei.
Auf einer breiteren Basis im christlichen Bewusstsein verankert, wurde der Tier- und Naturschutz im "Konziliaren Prozess zu Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung", eine Bewegung, die 1983 in Vancouver auf der Vollversammlung des Weltkirchenrates (Ökumenischer Rat der Kirchen) begann und 1990 in Seoul zum Schwerpunktthema wurde. Die dort eher allgemein formulierte Grundüberzeugung, "…dass Gott die Schöpfung liebt. Gott, der Schöpfer, ist der Ursprung und der Erhalter des ganzen Kosmos. Gott liebt die Schöpfung… Da die Schöpfung von Gott ist und seine Güte die ganze Schöpfung durchdringt, sollen wir alles Leben heilig halten" hat seitdem Eingang in Denken und Aktionen vieler Gemeinden an der kirchlichen Basis gehalten.
Der philosophische Ansatz der Tierschutzargumentation
In der Antike wird der Gedanke des Tierschutzes erstmals mit der Forderung nach einer vegetarischen Lebensweise verbunden, beispielsweise bei Pythagoras. Im Römischen Recht galten Tiere hingegen als Sachen, eine Auffassung, die leider bis in die Gegenwart hineinreicht.
Wie die Orphiker, eine religiöse Gemeinschaft, die im Griechenland des 6. Jahrhunderts vor Christus aufkam, die ihren Göttern keine Tiere opferten, so war auch Pythagoras (ca. 560-480 v. Chr.) streng auf Reinlichkeit bedacht; er lehnte Tieropfer ebenfalls ab und brachte den Göttern „unblutige Gaben“ dar. Pythagoras gilt auch heute noch als erster Vegetarier, und tatsächlich wurden Leute, die sich vegetarisch ernährten, noch bis ins 19. Jahrhundert „Phytagoräer“ genannt.
Der Naturalismus argumentiert, dass der Mensch als das überlegene Lebewesen das in der Natur herrschende Recht des Stärkeren hat, sich der Tiere zu seinen Zwecken zu bedienen. Rene Descartes sieht in Tieren mechanisch erklärbare Wesen, deren Behandlung ohne ethische Bedeutung ist. Das Schreien von Tieren setzt er mit dem Quietschen einer schlecht geölten Maschine gleich. Bei Immanuel Kant findet sich der Schutz der Tiere vor grausamer Behandlung in sein Pflichtenkonzept eingebettet, da Grausamkeit gegen Tiere das Mitleid des Menschen abstumpfe und dadurch eine seiner Moralität dienliche Anlage austilge. Die moderne Tierschutzdiskussion knüpft vielfach an naturalistische Positionen an, wobei dann umstritten ist, wo die Grenze zwischen zulässiger Tiernutzung und moralisch zu verwerfender Grausamkeit verläuft.
Sind Tiere als noch immer Sachen?
Die Geschichte des Tierschutzes
Mit der Industrialisierung und der damit verbundenen Technisierung der Viehzucht, der umfangreichen Verwendung von Tieren in der Landwirtschaft, im Handwerk und in der Industrie wie auch im Militär entstehen im 19. Jahrhundert die ersten Tierschutzbewegungen und Tierschutzorganisationen. Der neuzeitliche gesetzliche Tierschutz und der Aufbau des zugehörigen Tierschutzrechts begann bereits 1822 mit dem ersten erlassenen Tierschutzgesetz in England und schützte Pferde, Schafe und Großvieh vor Misshandlungen. Zustande gekommen war es auf Initiative des Parlamentariers Richard Martin, der daraufhin den Spitznamen Humanity Dick erhalten hatte. Zusammen mit anderen zählte er auch zu den Gründungsmitgliedern der weltweit ersten Tierschutzorganisation Society for the Prevention of Cruelty to Animals (SPCA), die zwei Jahre später aus der Taufe gehoben wurde. Nachdem die Gesellschaft 1840 den Segen der damaligen Königin Victoria erhalten hatte, durfte sie sich fortan Royal Society for the Prevention of Cruelty to Animals (RSPCA) nennen und erlangte einen bedeutenden Einfluss. Die RSPCA ist die älteste und größte Tierschutzorganisation der Welt und gehört zu den größten Spendenorganisationen in Großbritannien.
Tierschutz in Deutschland
Andere Länder waren uns mal wieder weit voraus, auch im Bereich des Tierschutzes. In Deutschland war der Tierschutz im Kaiserreich ein politisch wenig anerkanntes Anliegen, auch wenn sich etwa Richard Wagner 1879 in einem Offenen Brief sehr aktiv dafür eingesetzt hatte. Der Tierschutz war in Deutschland völkisch, antisemitisch und gegen die moderne Industriegesellschaft eingestellt, Schächtung und Vivisektion (Eingriff am lebenden Tier zu Forschungszwecken), wurde als Ausdruck und Grundlage einer 'Jüdischen Medizin' beschimpft. Diese Vorgeschichte macht Tierschutzanliegen im deutschen Judentum bis zum heutigen Tag problematisch. Umgekehrt trifft das spezielle, durchaus innige Verhältnis von Judentum und Natur bei den deutschen Tierschutzorganisationen auf Desinteresse und antijudaistische Vorbehalte.
Die Tierschutzbewegung im Kaiserreich war erfolglos bemüht, die damals sehr tierversuchsfreundliche Gesetzgebung zu verschärfen, ein Anliegen, welches vom NS-Regime aufgenommen und sofort nach 1933 mit großem propagandistischem Aplomb in die Tat umgesetzt wurde. Die Tierschutzgesetzgebung des Naziregimes wurde in beiden deutschen Staaten nach 1945 übernommen. Bei der Reform des Tierschutzgesetzes im Westen 1972 waren - so etwa in der Person von Dr. Albert Lortz, einem renommierten Kommentator - auch Juristen intensiv beteiligt, die bereits in den 30er Jahren am Reichstierschutzgesetz mitgewirkt hatten.
Der Tierschutz ist heutzutage dankenswerterweise als Staatsziel im Grundgesetz und im Jahre 2004 auch in den Entwurf der EU-Verfassung aufgenommen worden: „Bei der Festlegung und Durchführung der Politik der Union in den Bereichen Landwirtschaft, Fischerei, Verkehr, Binnenmarkt, Forschung, technologische Entwicklung und Raumfahrt tragen die Union und die Mitgliedstaaten den Erfordernissen des Wohlergehens der Tiere als fühlende Wesen in vollem Umfang Rechnung; sie berücksichtigen hierbei die Rechts- und Verwaltungsvorschriften und die Gepflogenheiten der Mitgliedstaaten insbesondere in Bezug auf religiöse Riten, kulturelle Traditionen und das regionale Erbe.“
In vielen Staaten, wie beispielsweise China (wo waren die Hunde Pekings während der olympischen Spiele, es waren keine zu sehen, fragen Sie sich bitte jetzt einmal warum?), existiert allerdings bis heute kein Tierschutzgesetz. In China spielen Tiere als Rohstofflieferant für die Traditionelle Chinesische Medizin eine Rolle, so werden zum Beispiel Bärenfarmen unterhalten, in denen in engen Käfigen Tausende von Tieren zur Gewinnung und Vermarktung von Gallensaftprodukten gehalten werden. Daneben wurde die Pelztierhaltung in China in den letzten Jahrzehnten umfangreich ausgeweitet.
Tierversuche
Tierversuche sind Experimente, in denen Tiere eingesetzt werden. Ziele von Tierversuchen sind der Erkenntnisgewinn in der Grundlagenforschung und die Entwicklung und Erprobung neuer Therapiemöglichkeiten in der Medizin. Es wird geschätzt, dass weltweit jedes Jahr mindestens 100 Millionen Wirbeltiere – vor allem Zuchtformen der Hausmäuse und der Wanderratten, aber auch Primaten – für Tierversuche verwendet werden. Viele davon sterben während der Experimente oder werden anschließend getötet. Die Forschung mit Tieren wird in Universitäten und Forschungseinrichtungen, Pharmaunternehmen und Dienstleistungsunternehmen durchgeführt. Die meisten Tiere werden eigens für Forschungszwecke gezüchtet, nur sehr wenige werden dafür aus der freien Wildbahn gefangen.
Hier nur ein kleiner Auszug dessen, was die Tierschutzorganisation PETA zum Thema Tierversuche schreibt:
Europaweit werden in Tierversuchen jedes Jahr mehrere Millionen Tiere gequält und getötet – unter anderem in der Grundlagenforschung, in der medizinischen Forschung und zur Testung von Inhaltsstoffen von Kosmetika sowie Haushalts- und Nahrungsmitteln. In legalen, teils gesetzlich vorgeschriebenen werden Tiere vergiftet oder Stress und schädlicher Strahlung ausgesetzt. Sie werden mit Krankheiten infiziert, ihre Organe werden geschädigt, sie werden verstümmelt und auf weitere unvorstellbar grausame Weise gequält.
All das wird Tieren angetan, weil sich die Wissenschaft von Tierversuchen einen vermeintlichen Nutzen für den Menschen erhofft. Die Tatsache, dass fühlende Lebewesen für wissenschaftlich kaum relevante Ergebnisse gequält werden, beruht auf einer speziesistischen Denkweise. Tiere unterscheiden sich nämlich zu sehr vom Menschen, als dass die Ergebnisse aus solchen Experimenten zuverlässig übertragbar wären. Eine moderne, humanrelevante Forschung ist daher nur mit tierfreien Methoden möglich. Tiere sind empfindungsfähige Lebewesen und nicht dazu da, dass wir an ihnen experimentieren. Der Missbrauch von Tieren in Experimenten ist, so finde ich, moralisch nicht vertretbar.
Alle 11 Sekunden stirbt ein Tier in einem deutschen Versuchslabor
Allein in Deutschland werden jedes Jahr 3 Millionen Tiere in Tierversuchen gequält. EU-weit wurden 2019 mehr als 10,5 Millionen Tiere Opfer von Tierversuchen – Millionen weitere wurden als sogenannter „Überschuss“ getötet. Bezogen auf die gesamte EU stirbt alle drei Sekunden ein Tier in einem Versuchslabor.
In sogenannten legalen Experimenten werden Tiere vergiftet oder Nahrungs-, Wasser- und Schlafentzug ausgesetzt. Auf ihre Haut werden reizende Substanzen gerieben, sie werden massivem psychischen Stress ausgesetzt und bewusst mit Krankheiten infiziert. Ihr Gehirn wird vorsätzlich geschädigt, sie werden gelähmt, verstümmelt, verstrahlt, vergast, zwangsernährt, mit Stromschlägen gequält und getötet. (Ende Auszug aus der PETA Seite)
Gibt es Alternativen zu Tierversuchen?
Die In-vitro- Forschung (in vitro steht für „im Reagenzglas“) hat sich in den letzten Jahren zu einem eigenen Wissenschaftszweig mit einer ungeahnten Vielfalt an Möglichkeiten, Erkenntnisse an schmerzfreier Materie zu gewinnen, entwickelt. Und das Potential ist dabei längst noch nicht ausgeschöpft. Ein großer Teil der Tierversuche kann schon heute durch solche modernen Systeme, wie zum Beispiel Zellkulturtechniken, ersetzt werden. Das zögerliche Anwachsen von alternativen Methoden liegt vor allem an mangelnden Fördermaßnahmen von Seiten der EU und der nationalen Politik. ECVAM (European Centre for the Validation of alternative Methods), jene Organisation die maßgeblich an der Entwicklung und Validierung von Alternativmethoden beteiligt ist, erhält leider denkbar wenig Unterstützung.
Tierschutz: Warum werden immer noch Tierversuche durchgeführt?
Tierversuche sind der sogenannte „gold standard“ der Wissenschaft, seit Jahrhunderten völlig unhinterfragt – das Maß aller Experimente. Obwohl längst intensiv an Alternativ-(in-vitro)Methoden geforscht wird, und viele bereits entwickelt und verfügbar wären, finden sie leider nicht bzw. nur sehr schwer den Einzug in die Wissenschaft. Der Grund ist, dass jede Ersatzmethode direkt mit dem Tierversuch verglichen werden muss. Dabei muss die tierversuchsfreie Methode nicht nur genauso gut sein, um „akzeptiert“ zu werden, sie muss besser sein.
Dies ist in sehr vielen Fällen durchaus der Fall, dennoch ist es nur sehr schwer nachweisbar. Der Tierversuch als experimentelle Methode ist ganz entgegen den Anforderungen der Naturwissenschaften nur sehr schlecht reproduzierbar, und damit nur schwer vergleichbar. Um die Inhomogenität des Tierversuchs nachzustellen (gemeint sind die irrsinnig vielen wechselnden Faktoren von Alter, Geschlecht, Lebensumstände, Ernährungszustand, psychische Verfassung, genetische Voraussetzungen…) bedürfte es einer sehr großen Anzahl von Testreihen, die einen enormen Kostenaufwand bedeuten würden.
Obwohl eine einmal validierte (wissenschaftlich anerkannte und daher gesetzlich vorgeschriebene) Alternativmethode nicht nur wesentlich schneller, sondern auch eindeutig kostengünstiger wäre, ist der erforderte Anfangsaufwand aus oben genannten Gründen so groß, dass dieser oft gar nicht erst riskiert wird, oder sich über Jahre hinzieht. Grund für das Misstrauen in eine tierversuchsfreie Forschung ist einzig allein die schon seit Ewigkeiten bestehende Tradition des Tierversuchs. Trotz der unzähligen falschen Ergebnisse, die der Tierversuch ergeben hat, wurde er sehr oft leider nie wirklich in Frage gestellt. Trotz der unzähligen Medikamente (zum Beispiel Aspirin), die gänzlich ohne Tierversuche entwickelt wurden, trotz der vielen Krankheiten, an denen seit Jahren ohne Ergebnis geforscht wird, wird unerbittlich an dieser grausamen Forschungsmethode festgehalten.
Werden Tierversuche auch für kosmetische Produkte durchgeführt?
Noch oft wurde der Einsatz von Tierversuchen für die Entwicklung von Kosmetika zu Recht kritisiert. Tatsächlich ist dies seit 1998 durch das deutsche Tierschutzgesetz verboten.
Seit 2013 dürfen laut EU-Richtlinien keine kosmetischen Rohstoffe und Produkte mehr im Tierversuch getestet und nicht in die EU eingeführt werden. Allerdings betrifft das nur die Stoffe, die ausschließlich für Kosmetik verwendet werden – und das sind nur ungefähr 10% der gesamten Inhaltsstoffe.
Tierschutz: Tierversuche in Deutschland
Tierversuche im Sinne des deutschen Tierschutzgesetzes sind Versuche an lebenden Tieren. Die Tötung eines Tieres, um zum Beispiel an seinen Organen oder Gewebe Versuche durchzuführen, ist also kein Tierversuch im gesetzlichen Sinne.
Laut § 7 des deutschen Tierschutzgesetzes sind Tierversuche „Eingriffe oder Behandlungen zu Versuchszwecken“, die „mit Schmerzen, Leiden oder Schäden für diese Tiere“ einhergehen können. Auch die Veränderung des Erbguts von Tieren fällt unter den Begriff Tierversuch, „wenn sie mit Schmerzen, Leiden oder Schäden für die erbgutveränderten Tiere oder deren Trägertiere verbunden sein können“.
Nachzulesen im Detail im Deutschen Tierschutzgesetz.
Entwicklungen im Bereich des Tierschutz
Mit dem Aufkommen der Tierrechtsbewegung in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts kam es zu einer bis heute andauernden Spaltung in eine (traditionelle) Tierschutzbewegung und eine (radikalere) Tierrechtsbewegung. Während Tierschützer, wie etwa der ehemalige Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, Wolfgang Apel (geboren am 10. Mai in Bremen, verstorben am 4. Februar in Bremen, von 1993 bis 2011 Präsident des Deutschen Tierschutzbundes) Tierrechtlern vorwarfen, durch überzogene Forderungen den Tieren de facto einen Bärendienst zu erweisen, kritisierten Tierrechtler an Tierschützern in der Vergangenheit, dass diese die Interessen der Tiere nur halbherzig und inkonsequent vertreten würden. Diese Diskussionen werden leider häufig auch heute noch geführt.
Helmut F. Kaplan, ein österreichischer Autor, der sich hauptsächlich mit Tierrechten und Ethik befasst, spricht in diesem Zusammenhang sogar von einer „Tierschutzlüge“ und meint damit die „Verniedlichung von Grundsatz-Problemen zu Mengenproblemen.“ Beispiele hierfür seien etwa die Forderung nach weniger Tierversuchen oder weniger Fleischkonsum: „Anstatt zu sagen, dass es falsch ist, Tiere zu foltern und umzubringen, wird gesagt, dass es falsch ist, zu viele Tiere zu foltern und umzubringen.“ Natürlich sei, so Kaplan, weniger Fleisch zu essen besser für die Tiere. „Aber besser eben nur in dem Sinne, wie auch weniger Vergewaltigungen, weniger Folterungen und weniger Hinrichtungen besser sind.“ Die Forderung nach Verringerung von Verbrechen müsse konsequenterweise mit der Forderung nach ihrer Abschaffung verbunden werden.
Was in der Tierschutz-Tierrechts-Kontroverse von beiden Seiten meist übersehen wird, ist, dass eine Auseinandersetzung, die an der Oberfläche bleibt, beziehungsweise nur konkrete Maßnahmen betrifft, häufig zum Scheitern verurteilt ist. Ohne Bewusstmachung und Berücksichtigung der – häufig doch sehr unterschiedlichen – philosophisch und weltanschaulichen Grundlagen beider Positionen, ist ein konstruktiver Dialog häufig nicht möglich.
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