Beschwichtigungssignale – Unser Hund will uns beruhigen
Was will unser Hund uns mit Beschwichtigungssignalen sagen?
Von:
Ralf Lügger
Zuletzt aktualisiert am: 24.3.2023
Beschwichtigungssignale sind wichtige Kommunikationselemente, die der Hund gezielt beim Interagieren mit Hunden, Menschen und anderen Tieren einsetzt, um ihnen damit eine bestimmte Botschaft zu übermitteln.
Die Beschwichtigungssignale gehören demnach zum Ausdrucksverhalten und sind folglich Gegenstand des Sozialverhaltens.
In den nachfolgenden Ausführungen wird nun unser kooperierender Hundetrainer, Ralf Lügger, auf die Funktion der Beschwichtigungssignale beim Kommunizieren des Hundes mit uns Menschen, eingehen. Viel Freude beim Weiterlesen.
Beschwichtungssignale - was der Hund damit "sagen" will
Mit dem Einsatz von Beschwichtigungssignalen teilt der Hund seinem Menschen eine bestimmte Botschaft mit.
Der Sinn und Zweck von Beschwichtigungssignalen
„Ich versteh meinen Hund nicht“, höre ich des Öfteren auf den Spaziergängen mit meinen Hunden. Sofern ich dann nachfrage, was denn der Hundebesitzer damit meinen könnte, der gerade kopfschüttelnd am Rand der Wiese steht und zum 100 ten. Mal seinen Hund ruft, der ihn aber geflissentlich ignoriert, erhalte ich ziemlich regelmäßig die Antwort: „Irgendwie reden mein Hund und ich aneinander vorbei!“
Das der Hundebesitzer und sein Hund meterweit voneinander entfernt stehen und der Hund auf das, was auch wahlweise aus der Pfeife des Zweibeiners ertönt, im wahrsten Sinne des Wortes „pfeift“, hat andere Gründe. Der Mensch muss wichtige Signale, andere Verständigungsarten, die aber ebenso zu Missverständnissen zwischen Halter und Hund führen können, die sogenannten Beschwichtigungssignale oder auch „Calming Signals“ genannt, erlernen, um mit seinem Hund auf hündische Art kommunizieren zu können.
Schon der Wolf teilt über Signale seinen Rudelmitgliedern mit, wie er sich fühlt. Das hat unser domestizierter Hund als Ahne des Wolfes natürlich beibehalten und diese Signale wurden, wie so viele andere Dinge, an ihn vererbt.
Schon seit längerer Zeit ist bekannt, dass Wölfe Beschwichtigungssignale benutzen, durch die sie Aggression, Angst, Stress oder ähnliches unterbrechen und mildern können. Diese Signale werden also dazu verwendet, um Konflikten vorzubeugen oder diese zu lösen.
Viele Verhaltensforscher haben festgestellt, dass diese Signale nicht nur bei den Wölfen benutzt werden, sondern auch bei unseren Hunden.
Mit Hilfe ihres Körpers, des Gesichts, der Rute, der Ohren sowie über Gesten und Töne teilen sich unsere Hausgenossen mit. Hunde zeigen uns durch diese Signale, was in bestimmten Situationen mit ihnen los ist und dies, bevor etwas passiert. Wenn wir Menschen nun lernen, diese Signale zu verstehen, dann können wir Gefahren vermeiden, den Hund beruhigen und Kinder sofort wegnehmen, wenn dieser es möchte. Leider haben viele Hundebesitzer überhaupt keine Ahnung, was Ihnen ihr Hund da gerade mitteilen möchte und hört das Wort „Beschwichtigungssignal“ bei dieser Lektüre zum ersten Mal.
Durch mangelnde Sozialkontakte und falsche Bestrafung kann ein Hund diese Beschwichtigungsgesten verlernen. Dies sollte auf jeden Fall vermieden werden, denn diese Signale sind überlebenswichtig. Es gibt über 30 solcher Signale, die wichtigsten möchte ich Ihnen nun vorstellen.
Beschwichtigungssignal "Wegschauen / Kopf wegdrehen"
Das Wegschauen und Kopf wegdrehen sind vielfach eingesetzte Beschwichtigungssignale des Hundes.
Was will der Hund mit dem Wegschauen / Kopf wegdrehen sagen?
Dieses Signal zeigt der Hund, wenn ihm ein anderer Hund gegenübersteht, eine Person ihm zu nahe kommt oder wenn wir ihn anstarren. Der Hund dreht seinen Kopf weg und schaut scheinbar verlegen zur Seite. Dies ist oft ein Zeichen dafür, dass er sich nicht wohl fühlt. Entschärft wird die Situation, indem wir neben den Hund gehen und unsererseits Beschwichtigungssignale aussenden, bis er selbst wieder auf uns zukommt. Dann streicheln wir ihm die Flanken oder beschäftigen uns mit etwas anderem.
Beschwichtigungssignal "Spielposition / -verbeugung, -aufforderung"
Wenn der Hund eine Spielaufforderungsgeste zeigt.
Die Vorderkörpertiefstellung als Beschwichtigungssignal
Mit den Vorderbeinen nach unten gehen.
Oft wird es beim Spielen benutzt, aber auch bei anderen großen Tieren (Pferde, Kühe), da sie diese oft nicht einschätzen können.
Nase lecken - auch ein Calm Signal
Wenn der Hund zur Beschwichtigung seine Schnauze bzw. Nase leckt.
Beschwichtigungssignale "Nase und Schnauze lecken"
Sich über die Nase/Schnauze lecken wird vom Hund oft in Situationen angewandt, in denen er angespannt ist, etwa, wenn man sich über ihn beugt, mit verärgerter Stimme mit ihm redet oder gerade auf ihn zugeht. Wieder möchte er die Situation beschwichtigen und uns gutmütig stimmen. Daher sollte es vermieden werden, sich von vorne her über ihn zu beugen (beim Anleinen, Kämmen).
Hinsetzen / Hinlegen als Beschwichtigungssignal
Was der Hund mit dem Hinsetzen und Hinlegen seinem Gegenüber mitteilen will.
Was sagt das Hinsetzen / Hinlegen aus?
Legt sich ein Hund auf den Rücken, bedeutet dies manchmal Unterwerfung. Wenn er sich bei Begegnungen mit fremden Hunden auf den Bauch legt, dann will er damit durchaus die Situation entschärfen, genauso gut kann es heißen, „Du kannst mir gar nichts“.
Ein Welpe wirft sich manchmal auf den Rücken, wenn ihm das Spiel zu rau wird. Schalten wir also einen Schritt zurück, wenn sich der Hund so zeigt. Wenn der Hund langsamer wird, sich hinsetzt, hinlegt, gähnt oder sonstige Signale zeigt, sollten wir zurückschalten, denn in dieser Situation ist das Lernen blockiert.
Schlangenlinien gehen
Wenn der Hund bewusst das Schlangenlinienlaufen als Beschwichtungssignal einsetzt.
Die Botschaft hinter dem Schlangenlinienlaufen des Hundes
Wenn Hunde aufeinander zu rennen, dann nie schnurgerade. Sie gehen einen Bogen. Deshalb sollten Sie auch nie kerzengerade auf ihren Hund zugehen.
Dies könnte, gerade bei fremden Hunden, als Bedrohung durch den Ihnen fremden Hund, aufgefasst werden.
Beschwichtigungssignal "Langsam gehen"
Wenn der Hund das Tempo beim Laufen reduziert.
Was sagt das Verlangsamen des Tempos beim Gehen aus?
Dieses Beruhigungssignal wird von uns Menschen oft missverstanden und löst bei diesem oft eine konträre Reaktion aus, der Hund wird also ermahnt, schneller zu gehen. Je mehr wir den Hund auffordern, schneller zu gehen, umso langsamer wird er, da Mensch und Hund aneinander „vorbeireden“.
Gähnen - Wenn der Hund das Gähnen als Calm Signal nutzt
Was bedeutet das Gähnen als Kommunikationssignal beim Hund?
Gähnen als Mittel der Beschwichtigung
Das Gähnen ist eines der meist benutzten Signale überhaupt. Es kommt sehr oft vor, dass Hunde in bestimmten Situationen gähnen. Ein Hund gähnt, wenn es zum Tierarzt muß, wenn ihm ein Kind zu nahe kommt, wenn es Streit in der Familie gibt, wenn er sich in engen Räumen aufhalten muss. Er gähnt, um Stress aus seinem Körper abzubauen. Dieses Signal ist schon eine eindringliche Bitte, zurückzutreten. Gähnen wir also ruhig einmal, wenn es laut gewittert, wenn der Eimer umfällt, wenn ein fremder Hund auf uns zukommt. Unsere Hunde werden sich beruhigen, wenn sie sehen, dass wir Calming Signals aussenden.
Beschwichtigungssignal "Schnüffeln"
Wenn der Hund zur Beschwichtigung am Boden schnüffelt.
Schnüffeln zur Beruhigung des Gegenübers
Wenn ihr Hund schnüffelt, während er auf einen Artgenossen zugeht, lassen sie ihn doch. Sollten sie es unterbinden, stören sie die Kommunikation zwischen den Hunden. Allerdings müssen Sie bei diesen Begegnungen immer auf die Signal achten, die sich ihr Hund und der fremde Hund senden. Glauben Sie nie an den Spruch „Das machen die schon unter sich aus“. Sie sind letzten Endes für die Sicherheit Ihres Hundes verantwortlich, Schnüffeln ist okay und dient der Kontaktaufnahme, aber es kann dann und wann auch eskalieren, und in diesen Fällen haben Sie nicht richtig beobachtet, was zwischen Ihrem und einem fremden Hund abgelaufen ist.
Rutenwedeln
Wenn der Hund als Beschwichtungssignal das Wedeln des Schwanzes einsetzt.
Was bedeutet das Wedeln mit der Rute zur Beschwichtigung?
Wenn das Wedeln mit der Rute zusammen mit einem Beruhigungssignal auftritt, ist beides als ein solches zu verstehen und bedeutet nicht unbedingt, dass der Hund gerade glücklich ist. Der Hund steckt oft in zwiespältigen Empfindungen und wedelt auch dann leicht mit der Rute. Kommt er in niedriger Stellung an, hat die Ohren tief gelegt, winselt er, legt sich auf den Rücken oder "pieselt" vielleicht sogar, dann ist das Wedeln mit der Rute eine "Weiße Fahne"; ein Signal, um uns zu beschwichtigen.
Beobachten können wir das, wenn wir energisch mit schlechter Laune die Tür mit einem lauten Knall ins Schloss werfen, mit den Füßen aufstampfen oder schreien.
Das Hissen der „weißen“ Fahne, diese Beschwichtigung kann auch beobachtet werden, wenn ein Fremder den Hund anspricht und sich über ihn beugt. Wie oft haben wir intensives Wedeln mit Drehen des Körpers als schlechtes Gewissen gedeutet? Nein, der Hund will uns beruhigen, er bittet um ein friedliches Miteinander.
Schlechtes Gewissen ist ein menschliches Verhalten und allzu oft „vermenschlichen“ wir den Hund. Machen Sie das bitte nicht, bei all der verständlichen Freude, einen treuen Freund an seiner Seite zu haben, ein Hund bleibt immer ein Hund und wird nie Kind oder Enkelersatz.
Calm Signal "Urinieren"
Das Urinieren ist ein Beschwichtigungssignal des Hundes mit starker Wirkung.
Urinieren als Beschwichtigungssignal
Das Urinieren ist ein sehr starkes Beruhigungssignal. Es tritt dann auf, wenn etwa ihr Hund einem anderen begegnet oder ihrer erschnüffelt, dass ein großer Hund vor kurzer Zeit an dieser Stelle vorbeigekommen ist. Die Schwierigkeit liegt aber darin, zu unterscheiden, ob jetzt markiert wird oder beruhigt.
Zusammenfassung
Aufmerksames Beobachten und Verstehen der Hundesprache ist enorm wichtig.
Mit Verständnis und Know-How zu einem harmonischen Miteinander
Problemverhalten, Fehlverhalten oder Verhaltensstörungen spiegeln häufig unser Fehlverhalten, unsere Unwissenheit oder Hilflosigkeit wieder. Sie stellen für uns Menschen aber eine große Herausforderung und Chance dar, unsere treuen Gefährten besser zu verstehen. Probleme wie zum Beispiel, dass Ihr Hund nicht alleine bleiben kann, dass er Angstreaktionen zeigt, Aggressionen gegenüber Menschen oder Artgenossen an den Tag legt, die Wohnung neu dekoriert oder Probleme mit der Hierarchie innerhalb Ihres Familienverbundes hat, basieren zumeist auf Verhalten unsererseits. Beobachten Sie Ihren Hund, holen Sie sich, wenn es nötig ist, professionelle Hilfe, nur arbeiten Sie an sich und natürlich auch zusammen mit Ihrem Hund.
Nur auf diese Art und Weise wird es Ihnen gelingen, gemeinsam mit Ihrem Hund ein harmonisches Leben zu führen und so werden Sie bei einer Begegnung mit einem anderen Hundebesitzer in Zukunft nicht mehr sagen müssen, dass Sie Ihren Hund nicht verstehen, denn Sie können es schaffen, frei nach dem Wahlspruch des ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama „Yes we can“.
Hat dir der Inhalt gefallen? Dann teile ihn doch auch mit anderen: