Was ist eine Erbkrankheit?
Wie sich die Begrifflichkeit "Erbkrankheit" unter tiermedizinischem Gesichtspunkt beschreiben lässt.
Von:
Vanessa Lässig
Zuletzt aktualisiert am: 1.11.2024
In der nachfolgenden Beschreibung erfahrt ihr mehr, was eine Erbkrankheit generell aus tiermedizinischer Sicht ist.
Diese Informationen dienen als wertvolle Verständnisergänzung zu unseren Rassebeschreibungen, in denen wir eingehend die rassespezifischen Erbkrankheiten und genetischen Prädispositionen beleuchten, um ein gutes Gesamtbild über die jeweilige Hunderasse und ihre rassebedingten Anlagen zu erhalten.
Und hier gibt es von Hunderasse zu Hunderasse und Zuchtlinie zu Zuchtlinie sehr deutliche Unterschiede.
Stellvertretend für alle möglichen erblich veranlagten Hundekrankheiten wollen wir an dieser Stelle die Hüftgelenksdysplasie (HD) und die Ellbogendysplasie (ED) nennen, für die viele Hunderassen eine Disposition mitbringen.
Dies gibt euch somit im Vorfeld des Hundekaufs einen Anhaltspunkt, worauf ihr u.a. im Hinblick auf die Gesundheit ein Augenmerk werfen solltet, um potentielle Gefahrenquellen selektiv bei der Vorauswahl abklopfen zu können.
Solltet ihr tiefer in die Fragen rund um den Welpenkauf eintauchen wollen, raten wir euch zur Lektüre unseres Leitartikels "Was muss ich rund um den Welpenkauf alles beachten?".
Erbkrankheit
Definition und Wissenwertes
Allgemeine Beschreibung
Unter einer Erbkrankheit oder genetisch bedingter Krankheit versteht man eine Erkrankung, die im Erbgut verankert, somit familiär gehäuft zu finden ist oder spontan in einer vorher „gesunden“ Familie auftritt.
Mutationen
Ursache sind Veränderungen einzelner oder mehrerer Gene („Mutationen“), welche für die Ausbildung von Eigenschaften, z.B. Augenfarbe oder auch Stoffwechselfunktionen, verantwortlich sind. Diese veränderten Gene werden von Generation zu Generation weiter gegeben, müssen allerdings nicht zwingend eine Krankheit hervorrufen. Das hängt davon ab, ob das Gen ausgeprägt wird (dominant) oder nicht (rezessiv).
Genetische Information
Die genetischen Informationen von Tieren (inkl. Mensch), Pflanzen und Pilzen liegt in den Zellen in Form sogenannter Chromosomen zu über 99,9% im Zellkern und weniger als 0,1‰ in den Mitochondrien vor. Die Chromosomen treten paarweise auf und enthalten Gene in doppelter Ausführung, je eines vererbt von der Mutter und eines vererbt vom Vater des jeweiligen Individuums. Eines dieser Paare sind die sogenannten Geschlechtschromosomen, bekannt als X- und Y-Chromosom. Auch diese enthalten jeweils Erbinformationen von Vatertier und Muttertier.
Vererbung
Je nach Dominanz der mütterlichen bzw. väterlichen Gene unterscheidet man vier mögliche Wege der Übertragung:
Bei autosomal-rezessivem Erbgang ist das betroffene Gen nicht dominant (= „rezessiv“). D.h. es kommt nur zur Ausprägung des Krankheitsbildes, wenn beide Genvarianten (mütterlich und väterlich), den veränderten Abschnitt tragen.
Ist das betroffene Gen dominant, so wird das Krankheitsbild in jedem Fall vererbt, egal ob nur eine Variante (mütterlich oder väterlich) die Veränderung trägt oder beide.
Betrifft die genetische Veränderung die Geschlechtschromosomen so gilt selbige Dominanzregel wie bei den zuerst genannten Übertragungswegen. Jedoch kommt es hierbei noch zu unterschiedlichen Häufigkeiten der Krankheitsausbildung bei weiblichen und männlichen Individuen.
Weibliche Tiere besitzen jeweils zwei X-Chromosome (je ein mütterliches und ein väterliches), während männliche Tiere ein X-Chromosom (von der Mutter) und ein Y-Chromosom (vom Vater) besitzen. Da das Y-Chromosom weniger genetische Information als das X-Chromosom besitzt, treten Erbkrankheiten v.a. in Form von Veränderungen des X-Chromosoms auf. Ist das veränderte Gen rezessiv, können weibliche Tiere den Defekt durch ihr zweites vorhandenes X-Chromosom ausgleichen, insofern es gesund ist. Männliche Tiere sind bei solchen Erbgängen also häufiger betroffen. Ist das Gen hingegen dominant, sind weibliche Tiere im Nachteil, da die Wahrscheinlichkeit ein verändertes X-Chromosom zu erben höher ist.
Betrifft die Genveränderung eines der Chromosomen die in den Mitochondrien vorhanden sind, so findet sich die Erkrankung nur in der mütterlichen Erblinie. Grund dafür ist, dass Spermien die Mitochondrien fast ausschließlich im Geißelansatz enthalten und dieser bei der Befruchtung der Eizelle vor dem Eindringen abgeworfen wird. Außerdem werden durch spezifische Mechanismen in der Eizelle die väterlichen Mitochondrien abgebaut.
Genetik und Umwelt
Unabhängig von der Art der Vererbung, muss es aber nicht unbedingt zur Ausprägung des Krankheitsbildes kommen. Nicht alle Gene werden „abgelesen“, sprich sind aktiv. Tritt also eine Veränderung an einem inaktiven Gen auf und wird dieses im Lauf des Lebens nicht aktiviert, so kommt es auch nicht zum Krankheitsausbruch. Ebenso gibt es auch viele Krankheiten, die nur zum Tragen kommen, wenn mehrere Faktoren gegeben sind (Genetik, Umwelteinflüsse, Ernährung etc.). D.h. die Genetik erhöht nur die Wahrscheinlichkeit, dass ein Individuum erkrankt, löst aber nicht zwingend die Krankheit aus. Auch können Tiere von einer Krankheit betroffen sein, die bei bestimmten Rassen nachweisbar erblich bedingt ist, ohne dass sie das veränderte Gen besitzen.
Zusammenfassend gilt also:
Genträger müssen nicht zwingend erkranken und erkrankte Tiere müssen nicht zwingend Genträger sein.
Nichtdestotrotz sollten betroffene Tiere aus der Zucht ausgeschlossen werden, um eine weitere Verbreitung zu verhindern. Gesunde Träger einer krankheitsauslösenden, rezessiven Mutation sollten nur mit getesteten Nichtträgern der Mutation verpaart werden. Das verhindert einerseits das Ausbrechen der Erkrankung einerseits, erhält andererseits die genetische Variabilität in der (Zucht-) Population.
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