- Fluchtreaktion
Fluchtverhalten ist neben dem Aggressionsverhalten ein Vermeidungsverhalten. Sein Entstehen wird in der operanten Konditionierung durch negative Verstärkung erklärt, denn sowohl Fluchtverhalten als auch Aggressionsverhalten bieten Möglichkeiten, einen unangenehmen Reiz zu beenden. Wird dasselbe Verhalten gezeigt, bevor oder ein (weiterer) unangenehmer Reiz einsetzt, handelt es sich um Vermeidungsverhalten.
Experimentell erforscht wurde die negative Verstärkung in der operanten Konditionierung indem Versuchstiere in einer Skinner-Box einem unangenehmen Reiz in Form eines stromführenden Bodens ausgesetzt wurden. Die einzige Möglichkeit, den Reiz zu beenden, bestand für die Tiere darin, sich in einen anderen, nicht unter Strom stehenden Teil der Box zu bewegen und so vor dem aversiven Reiz zu flüchten. Wurde der Strom in zeitlich regelmäßigen Abständen eingeschaltet, war es einigen Versuchstieren möglich, schon vor Beginn des aversiven Reizes das Fluchtverhalten zu zeigen und so den Reiz zu vermeiden. In dem Fall kann von Vermeidungsverhalten gesprochen werden. Grundlage für die Reaktion dürfte Angst sein. Den genauen Ablauf samt Versuchsergebnissen haben wir in dem Abschnitt über aversive Verhaltenskontrolle, also Strafen und negative Verstärkung, des ersten Teils unserer dreiteiligen Artikelserie zur Lerntheorie detailliert dargestellt.
Außerhalb eines solchen Versuchs kann verallgemeinernd von Fluchtverhalten immer dann gesprochen werden, wenn ein Verhalten nicht aggressiv aber dennoch geeignet ist, einen unangenehmen Reiz zu beenden. Dazu kann auch das Geben eines Pfötchens (Fluchtreaktion) gezählt werden, wenn dort ein Dorn eingelaufen (aversiver Schmerzreiz) wurde und dieser vom Hundemensch dann entfernt wird (negative Verstärkung der Fluchtreaktion: Schmerz endet). Allerdings besteht eines der mit Strafen verbundenen und im oben angeführten Artikelabschnitt benannten Risiken ebenfalls in der Auslösung von Fluchtverhalten.
Einem Hund steht zur Beendigung eines unangenehmen Reizes außerhalb der oben dargestellten Laborbedingungen neben dem Flucht- häufig auch Aggressionsverhalten zur Verfügung. Besteht der unangenehme Reiz beispielsweise in einem ihn bestrafenden Menschen oder einem anderen, um seine Ressourcen konkurrierenden Hund, kann der Hund auch drohen oder angreifen und somit Aggressionsverhalten statt Fluchtverhalten zeigen.
Die im zweiten Teil unserer Artikelserie dargestellten Trainingsmethoden verzichten nicht nur aus diesem Grund auf die Verabreichung unangenehmer Reize und damit auf positive Strafe und negative Verstärkung zur bewussten und planmäßigen Verhaltensformung.
- Hundetraining: Das erlernte Entspannen des Hundes mit Entspannungssignalen
- Wilderei durch den Hund – kein Kavaliersdelikt
- Lerntheorie I: Die wissenschaftlichen Grundlagen modernen Hundetrainings – Pawlow, Skinner & Co
- Das Beutefangverhalten von Hunden
- Lerntheorie II: Clicker- & Targettraining, Shaping & Chaining, Capturing & Co als angewandte Wissenschaft
- Lerntheorie III: Der Kurzüberblick über die Trainingsmethoden der modernen Hundeerziehung
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