Lerntheorie II: Clicker- & Targettraining, Shaping & Chaining, Capturing & Co als angewandte Wissenschaft

Trainingsmethoden verstehen, richtig anwenden und erkennen, worauf es bei der Hundeerziehung ankommt

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Zuletzt aktualisiert am: 5.10.2023

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Nachdem wir in Lerntheorie Teil 1 ein tiefes Verständnis für die Grundbegriffe und Zusammenhänge der Verhaltensforschung entwickelt haben, entwickeln wir in diesem Teil durch die Anwendung dieser Erkenntnisse auf unsere Hunde jetzt ein tiefes Verständnis dafür, wie sie uns und die Welt wahrnehmen und aus der Wahrnehmung Verhalten ableiten.

Dieses Wissen benötigen wir, um zu erkennen, wie wir aus der Trainingssituation in den Alltag kommen können, wann wir unbewusst Strafen anwenden, wie und warum Strafen in Frage kommen und um zu entscheiden, welche Trainingsmethode zu welchem Zweck geeignet ist und worauf wir bei der jeweiligen Anwendung achten sollten um nicht immer belohnen zu müssen und trotztdem ein auch unter Ablenkung abrufbares Verhalten zu erzeugen.

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Der Hund weiß doch, was er tun soll, er macht es nur nicht – Akquisition & Performance

Diese häufige Aussage von Hundehaltern stimmt, wird aber häufig persönlich genommen und ist daher emotional zu aufgeladen, um eine weiterhin entspannte Trainingsatmosphäre und damit einen Beitrag zur Lösung zu ermöglichen. Dabei liegt im Unterschied zwischen Akquisition und Performance eine rationale Erklärung, mit der wir umgehen können.

Was bedeuten die Begriffe Akquisition und Performance für Hundehalter?

Die in der Überschrift bezeichnete Aussage, dass der betreffende Hund durchaus weiß, was er tun soll, es aber einfach nicht machen will, hört man häufig. Meist geht die Aussage mit unguten Gefühlen des Hundehalters einher, die von Genervtheit bis Scham reichen können und sich nicht wirklich gut auf das Verhältnis zwischen Herrchen oder Frauchen und Hund auswirken. Der Grund für diese Gefühle liegt in einem Missverständnis: Wir neigen dazu, Hunden hier einen „bösen Willen“ zu unterstellen und nehmen dies persönlich. Diese unterstellte Absicht, Fehlverhalten an den Tag zu legen, löst unseren unbegründeten Ärger aus.

Der erste Teil dieser Serie lehrt uns hingegen, dass in der Geschichte der Verhaltensforschung zunächst die Akquisition neuer Verhaltensweisen in bestimmten Situationen im Fokus stand. Akquisition kann umgangssprachlich auch als Lernen bezeichnet werden. Thorndike nahm an, dass erst gelernt würde, wenn in einer solchen Situation ein Problem zu lösen sei. Skinner ging dann davon aus, dass aus den in seinem Kontingenzschema festgehaltenen angenehmen und unangenehmen Konsequenzen von Verhalten gelernt würde: Verhalten, dem eine angenehme Konsequenz folgt, wird „gelernt“. Ist die Konsequenz unangenehm, wird es nicht gelernt. Tolman stellte später in seinem Labyrinth für Tauben fest, dass Verstärker nicht für das Lernen, also die Akquisition eines Verhaltens nötig sind, sondern lediglich für das Ausführen und damit für die Performen eines schon erlernten Verhaltens.  Mit anderen Worten heißt das, dass der Verstärker die Motivation steigert, ein bestimmtes Verhalten zu zeigen und so die Performance steigert.

Und tatsächlich können wir das auf unsere Hunde anwenden. Schließlich wird niemand bestreiten, dass Hunde sich grundsätzlich hinsetzen, legen oder laufen können. Diese Verhaltensweisen müssen wir ihnen nicht beibringen.

Nun mag man einwenden, dass Verhalten wie ein Apport oder der Sprung durch einen Reifen sehr wohl akquiriert werden muss. Dem kann aber entgegengehalten werden, dass es sich beim Apport um eine Abfolge von Verhaltensweisen handelt, die ein Hund alle schon akquiriert hat oder eben darum, diese Verhaltensweisen an bestimmte Bedingungen zu koppeln, während es bei dem Sprung durch den Reifen darum geht, den Anblick des Reifens mit einem Sprung durch denselben zu verbinden – Springen muss man dem Hund nicht beibringen, das kann er.

Was wir tatsächlich trainieren, sind zwei Dinge. Erstens soll das Tier erkennen und lernen, dass es lohnend ist, bestimmte Verhaltensweisen, auszuführen und so die Performance steigern. Dazu nutzen wir Belohnungen, die wissenschaftlich als „Verhaltensverstärker“ bezeichnet werden und zu denen sich immer die Frage stellt, was denn unter welchen Voraussetzungen eine verhaltenswirksame Belohnung darstellt.

Zweitens möchten wir die Verknüpfung eines bestimmten Hinweisreizes mit dem entsprechenden Verhalten etablieren: Wir wollen erreichen, dass der Hund versteht, dass er sich setzen soll, wenn wir das Kommando „Sitz“ geben. Diese Verknüpfung aus dem Hinweisreiz „Sitz“ und dem entsprechenden Verhalten bauen wir nach dem Kontingenzschema Skinners auf: Macht der Hund sitz, wenn wir es sagen, verstärken wir das Verhalten, indem wir den Hund belohnen. Im Ergebnis kann er erkennen und „lernen“, dass es sich für ihn lohnt, Sitz zu machen, wenn er Sitz hört. Wir verstärken ihn also, um ihn zu motivieren, das Verhalten dann tatsächlich zu zeigen und steigern dadurch seine Performance.

An diese Überlegungen schließen sich sofort zwei weitere Themen an: Wir sollten uns überlegen, ob die auf das Verhalten unseres Hundes einwirkenden Hinweisreize vielleicht nicht nur aus unseren Kommandos und Signalen bestehen und was alles als wirkungsvoll belohnende Verhaltensverstärker in Frage kommt.

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Der Hund hört nicht auf mich – von unbewussten Hinweisreizen & Ablenkungen

Oberflächlich betrachtet könnten wir zu dem Schluss gelangen, dass es sich bei Hinweisreizen ausschließlich um unsere Kommandos handelt. Das ist aber aus Sicht unserer Hunde keinesfalls so. Was alles Hinweisreize sein können, die wir dann in der Alltagssprache als „Ablenkungen“ bezeichnen, sollten wir wissen und verinnerlichen.

Was außer unseren Kommandos stellt Hinweisreize oder Ablenkungen dar?

Im Labor, besonders in der Skinner-Box, wird die Umwelt sehr vereinfacht dargestellt, damit weniger Einflussfaktoren vorliegen und Zusammenhänge klarer werden. Das half Skinner, das Grundkonzept der diskriminativen Reize zu analysieren und im Ergebnis festzuhalten, dass die Versuchstiere eine Kopplung aus einem Hinweisreiz mit einem Verhalten und einer Konsequenz aufbauten. Beispielsweise sollten Tauben auf einen Schalter picken. Taten sie dies, wenn eine Lampe eingeschaltet war, löste das einen Mechanismus aus, der ihnen Futter gab. War das Licht aus, gab es kein Futter. Nach einer Zeit pickten sie nur noch auf den Schalter, wenn das Licht brannte. Sie hatten also eine Reiz-Verhalten-Reiz-Kopplung erstellt und gleichsam gelernt, dass das Licht ein Hinweisreiz oder Kommando zum Picken auf den Schalter ist und anzeigt, dass das Verhalten dann auch belohnt wird. Die Welt außerhalb des Labors besteht aber aus einer unendlichen Menge an Reizen, von denen alle zwar wahrgenommen, aber nur wenige im Gehirn verarbeitet werden. Nur diese im Gehirn verarbeiteten Reize können ein Verhalten auslösen.

Nehmen wir nun tatsächlich an, dass nur unsere Kommandos die einzigen Hinweisreize für unsere Tiere darstellen, die ein Verhalten auslösen, dem eine belohnenden Verstärkung folgt? Dann würden wir allerdings komplett ignorieren, dass die Vorfahren unserer Hunde noch Wölfe waren und von der Jagd lebten. Um von der Jagd zu leben, wird der Geruch eines vor kurzem belaufenen Wildwechsels ein Hinweisreiz gewesen sein, diesem zu folgen. Erst der Anblick des Beutetieres wird ein Hinweisreiz für eine Hatz gewesen sein etc. Die Wahrnehmung und Verarbeitung dieser „natürlichen“ Hinweisreize diente dem reinen Überleben und wirkt heute noch auf unsere Hunde.

Andererseits ist es durchaus nicht so, dass Hunde ihre Abstammung von Rudeltieren verleugnen können oder wollen: Wölfe sind soziale Tiere, die sich gegenseitig beobachten. Diese Beobachtungen machen ebenfalls einen Teil der Hinweisreize aus. Unsere Hunde beobachten heute uns, was uns in die Position bringt, ebenfalls Hinweisreize auszusenden. Uns muss allerdings klar sein, dass wir das für den Hund nicht nur dann tun, wenn wir ihm ein Kommando geben. Vielmehr kann ein Hinweisreiz auch darin bestehen, dass wir auf einem Spaziergang nicht auf ihn konzentriert sind und er das als einen Hinweisreiz wertet, jetzt ausbüxen zu können, vor allem dann, wenn ein weiterer Hinweisreiz, wie eine frische Wildfährte, dazukommt.

Gerade dieses Beispiel zeigt, dass selten nur ein einziger Hinweisreiz im echten Leben Verhalten auslöst, sondern eine Kombination von Reizen, die in Summe eine Situation ausmachen. Zu den Reizen, die eine solche Situation bilden, gehören neben Gerüchen und Anblicken anderer Lebewesen auch Orte und Zeiten. Ein Beispiel: Belohnst Du Deinen Hund immer nur während des Trainings auf dem Gelände der Hundeschule oder des Hundesportvereins, wird das Trainingsgelände zum Hinweisreiz für Deinen Hund, dass sich die Ausführung der Kommandos für ihn nur dort lohnt. Und schon kannst Du mit allem Recht sagen: Mein Hund weiß genau, was er machen soll, er tut es nur oft nicht.

Somit können wir bezogen auf die Hinweisreize ein paar Punkte festhalten, die wir näher beleuchten sollten, um zu ergründen, welchen Auswirkungen sie auf Training und Alltag haben:

  1. Hinweisreize zeigen einem Lebewesen an, dass ein bestimmtes Verhalten nun eine bestimmte Konsequenz haben wird, die entweder angenehm oder unangenehm sein.
  2. Im Falle der positiven Konditionierung, mit der wir im Training arbeiten, wäre das Kommando „Sitz“ ein Hinweisreiz darauf, dass das Verhalten „Sitz“ eine verhaltensverstärkende Belohnung nach sich zieht.
  3. Unsere bewussten Kommandos sind nur ein kleiner Teil der auf die Hunde wirkenden Hinweisreize.
  4. Die von uns bewusst als Kommandos ausgehenden Hinweisreize stehen daher in Konkurrenz zu vielen anderen, teilweise für die Hunde „wichtigeren“ Reizen – den Ablenkungen (Spielende Hunde in der Ferne können als Hinweisreiz dienen, dass das Verhalten „unkontrolliert Weglaufen“ durch die Belohnung „Spaß im Spiel mit anderen Hunden“ verstärkt wird.)
  5. Die von uns unbewusst ausgehenden Hinweisreize sind, vor allem außerhalb von Trainingseinheiten, ebenfalls verhaltensbestimmend und können unseren bewussten Kommandos und Signalen widersprechen.

Betrachtet man die letzten beiden der fünf Punkte, wird klar, dass wir ein neues Trainingsziel haben: Nämlich unsere bewussten Signale für den Hund mit einer Wertigkeit aufzufüllen, die über alle anderen in der Umwelt vorhandenen Hinweisreize erhaben ist. Außerdem wird klar, dass wir einen Hundetrainer weniger für den Hund, als für uns selbst brauchen: Unter anderem soll er uns auf unsere unbewusst ausgesandten Hinweisreize aufmerksam machen.

Damit der Hund immer hört: mit Diskrimination im Training über Generalisierung in den Alltag

Unter Diskrimination versteht die Wissenschaft die Unterscheidung eines Reizes von anderen, teilweise ähnlichen Reizen, während Generalisierung das Gegenteil meint. In der Forschung wurden dazu Versuche gemacht, bei denen Töne unterschiedlicher Höhen zu selbem (Generalisierung) oder unterschiedlichem (Diskrimination) geführt haben. Vergleichbare Reize wären beispielsweise „hier“ und „hierher“ für den Rückruf. Soll der Hund nur auf eines davon reagieren, wäre das Diskrimination, soll er auf beides gleich reagieren, Generalisierung. An dieser Stelle sei gesagt, dass wir hier diszipliniert sein sollten und nur einen der beiden Begriffe verwenden sollten. Warum das so ist, wird im Weiteren klar.

Wenn wir unseren Hund nun trainieren möchten, immer und unter allen Umständen auf unser Zeichen oder Kommando hin ein entsprechendes Verhalten zu zeigen, müssen wir erstmal die Reiz-Reaktions-Kopplung herstellen. Dazu sollten wir laborähnliche Bedingungen herstellen, um die Anzahl weiterer sich ändernder Reize, die eine Situation ausmachen, zu minimieren: Führen wir ein neues Kommando immer in derselben reizarmen Umgebung ein, in der sich nichts ändert, außer dem Kommando und der mit diesem zu verknüpfenden Reaktion, wird der Zusammenhang zwischen unserem Kommando aus dem Wort „Sitz“ mit entsprechenden körpersprachlichen Zeichen und dem entsprechenden Verhalten im Vergleich zu anderen Kommandos-Verhalten-Kopplungen unserem Hund schnell klar, weil nur das Kommando diskriminativ und damit unterscheidbar auf die Situation einwirkt. Natürlich muss jeweils entsprechend dem dreier-Kontingenzschema verstärkt und belohnt werden, aber dazu kommen wir im dritten und damit nächsten Block, der sich mit Verhaltensverstärkern beschäftigt.

Wenn wir so vorgehen und der Hund immer auf das Signal richtig reagiert, haben wir eine neue Hinweisreiz-Reaktion-(Verstärker)Reiz-Assoziation geschaffen. Allerdings muss uns klar sein, dass für den Hund unter „Hinweisreiz“ nun die Gesamtsituation aus „reizarmer Raum“ + „Kommando X“ verstanden wird. Was wir aber wollen ist „in sämtlichen Gesamtsituationen“ + „Kommando X“ = Verhalten X. Dazu müssen wir das Kommando in anderen, hinsichtlich der Anzahl anderer Hinweisreize bzw. Ablenkungen schrittweise und behutsam komplexer werdenden Situationen einführen und trainieren. Dadurch wird, wissenschaftlich gesprochen, der Hinweisreiz diskriminiert und gewissermaßen aus allen Reizen der verschiedenen Situationen herausfilterbar gemacht, als DER Hinweisreiz auf ein spezielles, sich immer lohnendes Verhalten. Auf diese Weise wird das Verhalten generalisiert. Denkbar ist folgender Weg von der Einführung des Zeichens für ein Verhalten in reizarmer Umgebung, hin zu einem immer abrufbaren Verhalten:

  1. Einführung der Signal-Verhaltens-Kopplung in immer demselben, für den Hund schon gewohnten Zimmer, bis der Hund auf das Zeichen hin immer das gewünschte Verhalten ausführt, dann
  2. weiteres Training im Garten, wo der Hund auch andere Reize wahrnimmt bis er immer richtig reagiert, dann
  3. Übungen auf einem ruhigen Spazierweg, ohne Wildwechsel und ohne andere Hunde bis er immer richtig reagiert, dann
  4. auf einem Spazierweg mit ein paar mehr Reizen üben, wo Wild und andere Hunde vorkommen, aber zur Zeit der Übung nicht zu sehen sind, bis er immer richtig reagiert, dann
  5. das Verhalten mit entferntem Anblick von Hunden oder Wild üben, bis er immer richtig reagiert, dann
    1. langsam die Entfernung zu der entsprechenden Ablenkung senken
  6. das Verhalten auf einem Spazierweg üben, auf dem auch
    1. Fahrradfahrer
    2. Nordicwalker
    3. etc. vorkommen
  7. dann auch in ruhigen Wohngebieten mit
    1. wenig Autoverkehr
    2. spielenden Kindern
    3. Katzen üben
  8. in weniger ruhigen Wohn- und Stadtgebieten üben.

Da alleine das schon sehr viel Aufwand darstellt, ist es nicht sinnvoll, den Hund zusätzlich mit unterschiedlichen Signalen für ein und dasselbe Verhalten zu verwirren.

Wie das für die einzelnen Übungen aus dem Grundgehorsam funktioniert, könnt Ihr in der Hundeschule lernen.

Auf diese Weise nähert Ihr Euch von der laborähnlichen Übungssituation allen Alltagssituationen und somit dem Alltag selbst an.

Nun stehen wir und die von uns bewusst als Signale und Kommandos ausgehenden Hinweisreize nicht nur in Konkurrenz zu allen möglichen anderen Reizen, die für unsere Hunde teilweise instinktiv wichtiger sind. Vielmehr müssen wir uns auch die von uns unbewusst ausgehenden Hinweisreize bewusst machen:

  • Sind wir gerade nicht auf unseren Hund konzentriert, weil wir
    • telefonieren?
    • mit anderen Passanten oder unserer Begleitung sprechen?
    • mit unserem Nachwuchs beschäftigt sind?
  • Gehen wir auf eine Situation (Begegnungen auf der Hunderunde, Tierarztbesuche, etc.) zu und sind dabei
    • nervös oder entspannt?
    • ängstlich oder selbstbewusst?
    • gut oder schlecht gelaunt?

Bedenkt dabei, dass unsere Hunde 24 Stunden Zeit pro Tag haben, uns zu beobachten, zu analysieren und dann ein Verhalten zu zeigen, dass für sie lohnenswert ist, weil es verstärkt wird und diese Verstärkung oder Belohnung nicht von Dir als Hundehalter oder Hundeführer kommen muss.

Solltest Du und Dein Hund Probleme im Alltag haben, und Du nicht wissen, woran es liegt, können Deine unbewussten Hinweisreize eine Erklärung dafür sein. Allerdings wirst Du selbst kaum feststellen können, welche Signale Du sendest, da Du sie unbewusst sendest. Eine Lösung kann hier nur in einem guten Trainer liegen, der die Kommunikation zwischen Dir und Deinem Hund von außen wertfrei betrachten. Dabei muss ein von Dir unbewusst ausgehender Hinweisreiz nicht immer eine positiv verstärkte Verhaltensweise auslösen. Hinweisreize mit unangenehmer Konnotation, wie Nervosität, Angst und schlechte Laune können bei dem Hund auch strafend wirken und Vermeidungsverhalten auslösen, wie in diesem Abschnitt dieses Artikels dargelegt.

Da der Aufbau eines gewünschten Verhaltens aber immer mit der richtigen Verhaltensverstärkung und Belohnung einhergeht, wenden wir uns nun der Frage zu, was einen Verstärker oder eine Belohnung ausmacht.

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Wie & womit kann ich meinen Hund belohnen? Die verschiedenen Verhaltensverstärker

Gerade zum Thema Belohnung und Verstärkung existieren viele Ansichten. Einige Hundehalter sind der Meinung, ein Hund müsse aus reiner, vielleicht gottgegebener Loyalität alles für sie machen. Andere glauben, wenn sie ihr Tier verwöhnen und mästen, führe das zum Erfolg.

Worauf es beim verhaltenswirksamen Belohnen und Verstärken ankommt, wird hier aufgezeigt.

Ein kurzer Abriss der wissenschaftlichen Entwicklung des Begriffs „Verstärkung“

Während Thorndike davon ausging, dass ein Problem mit einer Handlung gelöst werden muss und die Lösung des Problems dann als Verstärkung diente, woraus er das Gesetz des Effektes ableitete, stellte Skinner darauf ab, dass zwar die Effekte einer Handlung wichtig sind, aber dafür kein „Problem“ vorliegen muss, sondern jeder angenehme Reiz, der in Folge eines zufälligen Verhaltens dargeboten wird (positive Verstärkung) ebenso verstärkend wirkt, wie der Wegfall eines negativen Reizes (negative Verstärkung), was an Thorndikes Idee von der Lösung eines vorliegenden Problems erinnert.

Häufig liest man, dass Hundehalter dem Hund Privilegien entziehen sollen, um ihn zu motivieren. Die Grundlage hierfür legten Hull und seine Vordenker, indem sie für die positive Verstärkung die Existenz von Bedürfnissen ins Spiel brachten. Dieser Ansatz erinnert ebenfalls wieder an Thorndikes „Probleme“ und ließ Hull postulieren, dass nicht die Darbietung eines „angenehmen Reizes“ als solches die Erleichterung und damit die Verstärkung bringt. Vielmehr dient dieser „angenehme Reiz“ gleichsam als Hinweisreiz für ein Verhalten, welches dann der Bedürfnisbefriedigung dient und somit das vorangehende Verhalten verstärkt: Nicht der Anblick des Leckerchens, sondern es zu fressen verringert den Appetit des Hundes.

Dadurch rückte Verhalten als Verstärker in den Fokus der Wissenschaft, sodass Premack sein Prinzip formulieren konnte, das davon ausgeht, dass von zwei Verhaltensweisen eines einen größeren Anteil am Gesamtverhalten hat und somit wahrscheinlicher auftritt, als ein anderes, weniger wahrscheinliches Verhalten. Nun könne man das wahrscheinlichere Verhalten zur Bedingung für das weniger wahrscheinliche machen: Erst, wenn das weniger beliebte Verhalten gezeigt wird, darf das beliebtere gezeigt werden. Dann würde das beliebte Verhalten das unbeliebte verstärken.

Darauf basierend stellten Timberlake und Allison fest, dass auch die beliebtere und wahrscheinlichere Verhaltensweise durch die unbeliebtere und unwahrscheinlichere Verhaltensweise verstärkt werden kann. Dazu muss allerdings die verstärkende Verhaltensweise über einen ausgeklügelten Verstärkerplan so eingeschränkt werden, dass sie auch dann noch nicht in der vom Hund gewünschten Menge möglich ist, wenn die beliebtere Verhaltensweise schon in genau dieser Menge gezeigt wird.

Über allem steht aber die Erkenntnis, dass ein Verstärker eindeutig als Folge eines bestimmten Verhaltens erkennbar sein muss und daher innerhalb maximal ein bis zwei Sekunden nach dem gewünschten Verhalten erfolgen muss.

Gerade in diesem Zusammenhang sollten wir uns erinnern, was ein sekundärer Verstärker ist. Hierbei handelt es sich um einen ursprünglich neutralen Reiz, der über klassische Konditionierung mit einem angenehmen Reiz verbunden ist.

Auf diesen Ansätzen basieren die modernen Ansätze für die Hundeerziehung, die wir uns nun anschauen, aber nicht, ohne zum Schluss das Thema aus Hundeaugen zu betrachten. Denn natürlich bieten nicht nur wir als Hundemenschen unseren Tieren belohnende Verhaltensverstärker an, sondern diese findet ein Hund auch in der Umwelt.

Der einfache Ansatz: Schaffe ein biologisches Bedürfnis

Was die Theorien Thorndikes und Hulls gemeinsam haben, ist das Vorliegen eines Problems oder Bedürfnisses. Skinners Theorie spekuliert zwar nicht über die Vorgänge im Inneren eines Tieres, Skinner sorgt aber vor jedem Experiment dafür, dass die Tiere auf Diät gesetzt werden, bis sie nur noch 80 % ihres Normalgewichts auf die Waage bringen. Im Grunde schafft also auch ein Bedürfnis nach Nahrung.

Wenn wir uns nun praktisch damit auseinandersetzen müssen, was für unseren Hund als Verstärker dienen kann, dann liegt die einfachste Antwort auf der Hand: Futter. Das setzt nicht voraus, dass man seinen Hund besonders gut kennt, das Wissen, dass jedes Lebewesen Nährstoffe benötigt, reicht hierfür. Daher ist dieser Angang vor allem zu Beginn der Hund-Mensch-Beziehung sehr geeignet: Woher sollst Du denn am Welpen-Abholtag wissen, was der Welpe gerne macht und was nicht?

Praktisch stellt sich nun aber die Frage, wie mit den biologischen Grundbedürfnissen verantwortungsvoll umgegangen werden kann, ohne dass der Hund allzu unangenehmen Hunger leidet und Du dadurch den Hund quälst.

Die Antwort ist recht einfach und liegt in der Festlegung einer Tagesration Futter. Diese Ration sollte alles enthalten: Das normale Futter aber auch alles andere von Leckerchen bis zu Kauartikeln zur Zahnpflege.

Von dieser Tagesration reichst Du Deinem Hund zu Beginn des Tages ¼ bis 1/3 als Frühstück, gerne auch aus der Hand zur Erhöhung der Bindung. Den überwiegenden Teil verfütterst Du ebenfalls aus der Hand, aber dann im Rahmen der Konditionierung über den Tag verteilt. Den kleinen Rest, der abends noch übrig ist, verfütterst Du abends aus der Hand.

Hierfür sind Leckerchen nur bedingt nötig. Ich selbst arbeite hier nur mit dem normalen Trockenfutter. Allerdings spielt die Attraktivität des Verstärkers, wie die Wissenschaft seit Hull weiß, ebenfalls eine Rolle: Je leckerer und seltener ein Leckerchen ist, desto verstärkender wirkt es sich aus.

Clicker Training zur zeitgenauen Belohnung - Verstärkung durch sekundäre Verstärker

Die Tatsache, dass die zeitliche Nähe von Verhalten und Verstärker überaus wichtig für die Lerngeschwindigkeit ist, da der Hund nur durch die zeitliche Nähe schnell erkennen kann, welches seiner vielen Verhalten nun das gelobte ist, macht den Einsatz von sekundären Verstärkern sinnvoll.

Möchtest Du mit Futter oder Leckerchen arbeiten, sind diese selten innerhalb einer Sekunde nach dem gewünschten Sitz aus der Tasche gekramt und vor der Nase Deines Hundes gehalten. Um die Zeit zu verkürzen, lohnt es sich, über eine akustische Verstärkung nachzudenken. Für ein solches Lob bietet sich ein Klicker oder ein Marker- oder Lobwort an.

Um ein solches einzuführen, führst Du eine klassische Konditionierung durch: Du klickst oder sagst Dein Lobwort, um Deinem Hund unmittelbar danach ein Stückchen Futter oder ein Leckerchen vor die Nase zu halten.

Wenn Du das über ein paar Tage machst, beispielsweise, indem Du das Frühstück und das Abendessen in der beschriebenen Art und Weise klickend aus der Hand verfütterst, sollte der Klicker oder das Markerwort ausreichend fest konditioniert sein, um als sekundärer Verstärker dienen zu können.

Wichtig ist ab dann, dass niemals das Wort oder der Klicker verwendet wird, ohne, dass ein primärer Verstärker, also Futter, folgt.

Wenn Du mit einem Lobwort arbeiten möchtest, sollte Dir auch bewusst sein, dass Dein Hund kein Deutsch spricht und das er dem Klang Deiner Stimme und Deiner Körpersprache eine höhere Aufmerksamkeit widmet, als dem Wort an sich. Daher solltest Du bei der Verwendung eines Lobwortes darauf achten, dass Du es immer in einer sehr freundlichen, vielleicht auch höheren Tonlage vorträgst. Dabei sollte es Dich auch nicht interessieren, was andere Leute über Deine Sprechweise denken.

Belohnen für Fortgeschrittene: Verstärkung durch Verhalten nach Premack

Natürlich stellt auch das Fressen des Futters ein Verhalten dar, aber die Verstärkung über Futter haben wir ja schon besprochen.

Dieser Ansatz geht von anderem Verhalten, beispielsweise einem von Deinem Hund geschätzten Spiel, aus und setzt schon einiges mehr an Wissen über die Vorlieben Deines Hundes und Routinen in der Hundeerziehung voraus.

So musst Du eine Ahnung von der Beliebtheits-Hierarchie der möglichen Aktivitäten haben, um jeweils das von ihm weniger geliebte Verhalten mit einem beliebteren Verhalten belohnen zu können. Um dieses Wissen herum ist dann ein Verstärkerplan zu entwickeln.

Eine weitere, kaum zu meisternde, Herausforderung ist das richtige Timing: Übst Du einen kleinen Teilschritt, beispielsweise bei der Einführung eines Kommandos, ist das Umschalten auf ein von Deinem Hund besonders geliebtes Spiel innerhalb der notwendigen 1-2 Sekunden kaum möglich. Davon abgesehen unterbricht das Spiel den Trainingsfluss.

Aus diesen Gründen ist der Ansatz nur sehr bedingt für die Verstärkung einzelner Trainingsschritte geeignet, die in einer Einheit mehrfach wiederholt werden sollen, um ein Verhalten zu festigen. Eher kann er verwendet werden, um die Trainingseinheit mit einem positiven Erlebnis für den Hund zu beenden, um diese als Ganzes zu verstärken.

Sinnvoll ist es auch, am Ende einer Verhaltenskette ein solches Lieblingsspiel zu veranstalten: Beispielsweise nach einem erfolgreichen Durchlauf Dummyarbeit könnte mit dem Dummy oder einem anderen Apportel ein wenig gespielt werden. Auch beim Mantrailing kann Wert daraufgelegt werden, dass die gefundene Zielperson mit dem Hund ein für ihn lustiges Spiel beginnt, um die Suche zu verstärken.

Um einen Hund, der trotz Ablenkung auf einen Rückruf reagiert, zu belohnen, kann ebenfalls ein spannendes Spiel veranstaltet werden oder er kann, falls es vertretbar ist, nach dem erfolgreichen Rückruf freigegeben werden, um dann das zu tun, was er vor dem Rückruf beabsichtigt hatte. Das wäre denkbar, wenn er wegwollte, um mit anderen Hunden zu spielen.

Bedenken solltest Du hierbei, dass das als Verstärker verwendete Verhalten irgendwann in einer der Base-Line entsprechenden Menge gezeigt wurde: Dann wird das Spiel langweilig und taugt nicht mehr als Verstärker.

Die Verlockung des Verbotenen Verhaltens - Verstärkung durch Verhaltensdeprivation

Sicherlich ist es möglich, dass Du die Stärken Deines Hundes fördern möchtest und tatsächlich den Aufwand betreibst, den eine bewusste Nutzung der Verstärkung über Verhaltensunterdrückung oder -deprivation erfordert. Dazu müsstest Du nämlich feststellen, welches Verhalten er in welcher Menge zeigen möchte, um dann einen Verstärkerplan zu entwickeln, der das Verhalten, das als Verstärker für ein zu förderndes Verhalten dienen soll, unter sein Wunschniveau zu verknappen. Auf diese Weise könntest Du dann Deinen Hund mit einem Verhalten, das er gar nicht so oft zeigen möchte, belohnen und motivieren, ein bei ihm viel beliebteres Verhalten noch öfter zu zeigen, beispielsweise, um seine Stärken weiter auszubauen.

Viel wahrscheinlicher ist, dass uns Hundehaltern dieses Phänomen in anderer Weise begegnet: Nämlich dann, wenn wir unserem Hund eine Verhaltensweise möglichst verbieten möchten. Durch das Verbot wird schließlich die entsprechende Verhaltensweise, z. B. das Stöbern nach Wild in Wald und Flur, verknappt. Dadurch kann dieses Verhalten zu einem unglaublich mächtigen Verstärker für andere ungewollte Verhaltensweisen, wie das unkontrollierte Weglaufen, werden.

Wie ein solcher Teufelskreis durchbrochen werden kann, solltest Du mit einem Trainer vor Ort besprechen, da hier die Komplexität der Beziehung zwischen Dir und Deinem Hund sowie Deinem Hund und den übrigen Verstärker und Reizen eine derart individuelle Situation herstellt, dass sie über keinen generellen Text ausreichend analysiert und gelöst werden kann.

Unkontrollierbare und unbewusste Belohnungen - Verstärker aus Hundeaugen betrachtet

Nun haben wir uns eingehend damit beschäftigt, was wir als Verstärker verwenden können, um das Verhalten unserer Vierbeiner konditionieren und beeinflussen zu können.

Aus den Augen unserer Hunde ist das aber nur ein kleiner Teil der Verstärker, die auf ihr Verhalten einwirken. Denn ähnlich wie die von uns ausgesendeten Kommandos und Hinweisreize, stehen auch die von uns gegeben Verstärker in der direkten Konkurrenz zu allen möglichen anderen Verstärkern in der Umwelt. Diese beeinflussen das teilweise unerwünschte Verhalten unserer Tiere erheblich. Gerne sprechen wir in dem Fall davon, dass ein Verhalten „selbstbelohnend“ ist.  Der Umgang mit diesen Verstärkern, die wir nicht direkt beeinflussen können, stellt uns vor Herausforderungen, wenn wir die entsprechenden unerwünschten Verhaltensweisen abstellen möchten.

Genau wie die unbewusst von uns ausgehenden Hinweisreize, sind auch die von uns unbewusst gewährten Verstärker problematisch: Teilweise verstärken wir unerwünschtes Verhalten unserer Tiere durch unbewusst von uns gewährte Verstärker. Diese zu entdecken und in Folge zu ändern, ist ohne Hilfe von einem problembewussten Dritten, also einem erfahrenen Hundetrainer, kaum möglich.

Sollte es aber gelingen die verstärkende Handlung zu identifizieren, ist es wichtig, sie konsequent und ein für alle Mal abzustellen. Warum das so ist, wird nächsten Block klar, in dem wir uns der Wirkung und Anwendung von Verstärkerplänen zuwenden.

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Hört der Hund nur dann, wenn ich Leckerchen habe? Verstärkerpläne im Training & Alltag

Inkonsequentes Verhalten und planvoller Geiz bei der Belohnung führen zum selben Ergebnis: Eine Verhaltensweise wird fest verankert. Allerdings führt Inkonsequenz zu unerwünschtem und ein bewusster Verstärkerplan zu einem erwünschten Verhalten.

Ein kurzer Abriss zur wissenschaftlichen Entwicklung der Verstärkerpläne

Um zu verstehen, warum und wie wir mit Verstärkerplänen alltagstauglich umgehen können, erinnern wir uns nochmal der wissenschaftlichen Grundlagen, um dann die Auswirkungen inkonsequenten Verhaltens zu beleuchten und uns im Anschluss zu überlegen, wie wir Verstärkerpläne richtig einsetzen können, um gewünschtes Verhalten nachhaltig und fest im Hund zu verankern um es auch abrufen zu können, wenn wir mal kein Futter oder Leckerchen dabei haben. Zuletzt schauen wir uns eine Trainingsmethode an, die das Thema Verstärkerpläne in klare Handlungsanweisungen im Training übersetzt und mit der Zeiten und Distanzen gesteigert werden können, über die hinweg ein Verhalten gezeigt werden soll.

Unter dem Begriff „Verstärkerplan“ wird eine Regel verstanden, die festlegt, wie oft und wann ein Verhalten belohnt und somit verstärkt wird. Die fünf einfachen von Skinner identifizierten Verstärkungspläne waren

  • Immerverstärkung oder kontinuierliche Verstärkung, bei der das gewünschte Verhalten jedes Mal verstärkt/belohnt wird
  • Fixer Quotenplan, bei dem eine Anzahl von Wiederholungen des gewünschten Verhaltens festgelegt wird. Beispielsweise wird jedes dritte „Sitz“ verstärkt.
  • Variabler Quotenplan, bei dem eine durchschnittliche Quote festgelegt wird. Beispielsweise soll im Schnitt jedes dritte „Sitz“ verstärkt werden, also 10 Verstärkungen auf 30 Sitz verteilt werden, sodass es möglich ist, die ersten 6 Wiederholungen nicht zu verstärken, wenn dafür die siebte, achte und neunte verstärkt werden (9 Wiederholungen / 3 Verstärker = 3 Wiederholungen für 1 Verstärker)
  • Zwei Arten von zeitabhängigen Intervallplänen, die in der wissenschaftlichen Form für uns nicht weiter interessant sind.

Die Wissenschaft hatte festgestellt, dass mit der kontinuierlichen Verstärkung ein neues Verhalten am schnellsten etabliert werden kann. Leider wird das Verhalten aber auch sehr schnell wieder gelöscht und somit nicht mehr gezeigt wird, wenn das Verhalten nicht mehr belohnt oder verstärkt wird.

Andererseits wurde festgestellt, dass Quotenpläne Verhaltensweisen erzeugen, die deutlich länger ohne Verstärkung gezeigt werden, dass es aber unverhältnismäßig lange dauert, hierüber Verhalten aufzubauen. Außerdem ist bekannt, dass im Vergleich von fixem und variablen Intervallplan der variable den Vorteil bietet, dass keine „Nachverstärkerpause“ auftritt. Bei dieser handelt es sich um eine Zeitspanne, in der das gewünschte Verhalten nicht gezeigt wird, weil klar ist, dass die nächsten Male keine Verstärkung erfolgen wird.

In einem Aufsatz über die Technologie des Unterrichtens stellte B. F. Skinner klar, dass eine Taube, die bis zu 10.000mal auf einen Schalter pickt, um dann endlich eine Futterbelohnung zu erhalten, keineswegs Charaktereigenschaften wie „Interesse am Picken auf Schalter“ oder „Fleiß“ aufweise. Vielmehr sei es unter Verwendung positiver Verstärkung im Rahmen verschiedener geschickt kombinierter Verstärkerpläne gelungen, sie so zu konditionieren, dass sie 10.000mal auf eine Schaltfläche pickte, um dann endlich ein wenig Futter als verstärkende Belohnung zu erhalten.

Diese Prinzipien können im Kleinen (Mikro) angewendet werden, um beispielsweise die Strecke, die ein Hund bei Fuß geht oder die Zeit, die er im Platz bleibt, zu steigern. Sie können aber auch im größeren Maßstab (Makro) dienen, um nicht jedes Mal, wenn er Fuß geht oder Platz macht, eine Belohnung geben zu müssen.

Das konkrete Vorgehen schauen wir uns nun an.

Das inkonsequente "Nein" – Der variable Quotenplan zur Festigung von Unarten

Variable Quotenpläne erzeugen extrem löschungsresistentes Verhalten. Schon Skinner führte als Beispiel hierfür das Verhalten glückspielsüchtiger Menschen an: Die meisten Einsätze gehen verloren, ganz unregelmäßig und sehr selten wird aber das Verhalten durch einen Gewinn verstärkt. Dieser Umstand führt bei einigen Menschen zur Spielsucht, also zu einem Verhalten, das die Betreffenden kaum ablegen können.

Ganz ähnliche Wirkung entfaltet es, wenn wir unseren Hunden gegenüber inkonsequent sind: Verbieten wir 49 Mal etwas, um es beim 50. Versuch zu erlauben, entspricht das einem Quotenplan mit der Quote 50. Zu einem variablen Quotenplan machen wir es, wenn wir nach vielen Versuchen in unregelmäßigen Abständen etwas doch erlauben. Das Ergebnis unseres Verhaltens ist, dass der Hund lernt, dass es sich lohnt, wenn auch selten, weiter am Tisch zu betteln, ins Bett oder aufs Sofa zu springen oder was auch immer Du sonst versuchst, ihm abzuerziehen.

Aus diesem Grund solltest Du darauf achten, dass ein Nein ein Nein ist und auch immer bleibt, da andernfalls das Verhalten, das Du bei Deinem Hund gerne loswerden möchtest, immer fester in ihm verankert wird und dadurch immer schwerer abzustellen sein wird.

Der beste Umgang mit Belohnungen: Am Trainingsbeginn immer, später sehr selten belohnen

Da die kontinuierliche Belohnung oder Immer-Verstärkung dazu beiträgt, ein Verhalten sehr schnell aufzubauen und es mit einem Signal zu verbinden, sollten wir am Anfang eines Trainingsprogramms den Hund jedes Mal, wenn er das anzutrainierende Verhalten zeigt, verstärkend belohnen.

Um das antrainierte Verhalten auch abrufen zu können, wenn Du mal keine Leckerchen dabeihast, solltest Du im Laufe des Trainingsprogramms dann schrittweise auf die Quotenverstärkung umstellen. Mit Quote ist dabei die Anzahl der Wiederholungen eines Verhaltens gemeint, die nicht belohnt werden. In der Phase der Umstellung von der Immer-Belohnung auf einen Quotenplan empfiehlt es sich, zunächst mit niedrigen Quoten zu beginnen und diese dann langsam zu steigern. Sobald die Quote ausreichend hoch ist, könntest Du beginnen, sie von fix auf variabel umzustellen, was mathematisch erst ab einer Quote von drei funktionieren kann. Bei dem variablen Quotenplan mit der Quote drei wäre es dann so, dass Du 3 Belohnungen auf 9 oder 10 Belohnungen auf 30 Wiederholungen aufteilst, wobei die Aufteilung nicht gleichmäßig ist: Mal wird gleich beim ersten Mal belohnt, dann aber beispielsweise erst nach der fünften Wiederholung wieder. In dem Fall hätte Dein Hund sechsmal ein Kommando ausgeführt und dafür zwei Belohnungen bekommen, im Schnitt also nach drei Wiederholungen, obwohl er faktisch bis zu fünfmal hintereinander belohnungsfrei das Kommando umgesetzt hat.

Stellst Du fest, dass Dein Hund das Kommando einmal nicht umsetzt, hast Du die Quote zu hoch gewählt und solltest sie wieder nach unten anpassen. Lässt Du nämlich zu, dass Dein Hund erst Deiner dritten Aufforderung zu irgendeinem Verhalten nachkommt, wendet er den Quotenplan auf Dich an und belohnt Dich nach einer von ihm gewählten Quote dafür, immer öfter ein wirkungsloses Kommando zu geben: Seine Ausführung Deines wiederholten Kommandos ist nämlich in dem Fall der Verstärker, der Dich das Kommando immer häufiger rufen lässt, bevor es umgesetzt wird.

Bedenke außerdem, dass Du im Rahmen der Verhaltensgeneralisierung immer wieder zur kontinuierlichen Verstärkung wechseln solltest, wenn Du das Verhalten in einer etwas reizvolleren Umgebung, als bisher trainierst. Innerhalb der jeweiligen Ablenkungssituation stellst Du im Laufe der Zeit ebenfalls von der kontinuierlichen auf die variable Quotenbelohnung um.

Wenn in allen denkbaren Umgebungen das Verhalten konditioniert ist und auf Dein Verlangen immer zuverlässig gezeigt wird, erhöhst Du die Quote mit dem Ziel, sie stetig nach oben zu treiben und immer seltener und vielleicht nur noch in besonders ablenkungsreichen Momenten, in denen Dein Hund trotz größter Ablenkung erwartungsgemäß reagiert, zu belohnen. Aber auch hierbei wieder bedenken, die Quote sofort wieder herabzusetzen, wenn Du merkst, dass Dein Hund Deinen Aufforderungen nicht zügig Folge leistet.

Die 300-Pick-Methode – standardisierte Belohnung zur Steigerung von Zeiten und Entfernungen

Zwei Amerikanerinnen, die hundebegeisterte Sue Ailsby und die Pferdehalterin Alexandra Kurland, schrieben Bücher über das Clickertraining, bezogen auf ihre jeweiligen Lieblingstiere. In beiden Büchern findet sich die Idee der 300-Peck-Pigeon-Method, bei der es sich um eine anwenderfreundliche Formulierung eines Trainingsprogramms handelt, mit dem Distanzen und Zeitspannen, die bei einer Übung eine Rolle spielen, gesteigert werden können und die im Grunde auf dem oben genannten Zitat Skinners über die Tauben, die 10.000 mal einen Schalter bepicken, um dann eine Verstärkung zu erhalten, basiert.

Wir gehen davon aus, dass bei Fuß gehen eine Übung ist, die über eine gewisse Strecke geleistet werden muss. Würde man das Picken auf einen Schalter mit einem Schritt bei Fuß gehen gleichsetzen, wird der Ansatz klarer. Wir zerlegen die Übung in eine Mikroübung, die jeweils buchstäblich aus einem Schritt besteht. Diese Übung wird dann unter der Immerverstärkung konditioniert um dann über eine Quotenverstärkung wiederholbar konditioniert, so dass nicht nach jeder erfolgreichen Übung, nämlich dem gemeinsam zurückgelegten Schritt, eine Belohnung erfolgen muss. Vielmehr wird die Einzelübung „Einen Schritt bei Fuß“ durch die Anwendung eines geschickten Verstärkerplans, der den Namen 300-Pick-Methode trägt, so konditioniert, dass eine Verstärkung pro hundert, tausend oder mehr Schritten nötig wird. Da es bei Schritten um Distanzen geht, ist klar, dass so die Entfernung gesteigert wird.

Dasselbe Prinzip kann aber auch angewendet werden, wenn es um Zeit geht, beispielsweise beim „Sitz“ oder „Platz“. Hier ist die Grundübung, auf Dein Signal hin die entsprechende Position einzunehmen. Sie über einen längeren Zeitraum zu halten, kann mit der 300-Pick-Methode konditioniert werden und ist die Grundvoraussetzung, für eine andere Entfernungs-Thematik: Wenn Du Dich von Deinem abgelegten oder sitzenden Hund entfernen möchtest, beispielsweise um im Supermarkt einkaufen zu können oder im Restaurant in Richtung WC zu verschwinden, muss Dein Hund zunächst fähig sein, die entsprechende Position für einige Zeit zu halten, bevor Du ihn mit derselben Methode darauf konditionierst, sie auch ohne Deine Anwesenheit zu halten.

Auch Distanzkontrolle kann über die 300-Pick-Methode konditioniert werden. Hierbei geht es darum, Deinem Hund aus einiger Entfernung Signale zu geben, die er dann umsetzt, sei es „Aus“, „Sitz“, „Platz“ oder auch „Hier“.

Diese verschiedenen Bedeutungen, die hinter den Wörtern Distanz und Zeit stecken, werden als „Kriterien“ bezeichnet und sind jeweils einzeln zu trainieren. Versuche also nicht, gleichzeitig Zeit und Entfernung zu steigern oder zwei Arten der Entfernung und beginne erst, wenn Dein Hund auf das entsprechende Signal hin auf jeden Fall kurzzeitig die gewünschte Position einnimmt oder, generell ausgedrückt, das entsprechende Verhalten zeigt. Bis dahin hast Du sein Verhalten bestimmt nach dem Verstärkerplan der Immerverstärkung mit Markerwort/Clicker und/oder mit einem Stück Futter belohnt.

Nun kannst Du in einer Trainingseinheit dieselbe Übung immer wieder verlangen, wobei Du aber die Zeit, zwischen Einnehmen der Position und der verstärkenden Belohnung langsam steigerst. Das geht am leichtesten, indem Du zählst. Daraus ergibt sich folgender Ablauf:

  1. Sitz sofort mit Markerwort/Clicker und Futter verstärkend belohnen
  2. Sitz bis 1 zählen und dann erst verstärkend belohnen
  3. Sitz bis 2 zählen und dann erst verstärkend belohnen
  4. ...

Das führst Du solange fort, bis Dein Hund die Position vor der Verstärkung verlässt. Dann beginnst Du das Ganze von vorne:

  1. Sitz sofort mit Markerwort/Clicker und Futter verstärkend belohnen
  2. Sitz bis 1 zählen und dann erst verstärkend belohnen
  3. Sitz bis 2 zählen und dann erst verstärkend belohnen
  4. ...

Auf diese Weise kann die Zeitdauer gesteigert werden. Ähnlich verhält es sich mit den Distanzen: 

  1. Sitz sofort mit Markerwort/Clicker und Futter verstärkend belohnen
  2. Sitz einen oder auch nur einen halben Schritt weg und zurück gehen, und dann erst verstärkend belohnen
  3. Sitz zwei oder auch nur einen Schritt weg und zurück gehen, und dann erst verstärkend belohnen
  4. ...

Und auch mit der Distanzkontrolle:

  1. Signal für Sitz sofort vor dem Hund geben und mit Markerwort/Clicker und Futter verstärkend belohnen
  2. einen oder auch nur einen halben Schritt weggehen, Signal für Sitz geben, wenn er sitzt, zurück gehen, und dann erst verstärkend belohnen
  3. ...

Nun kannst Du, wenn Du in weit höhere Regionen vorgestoßen bist und Dein Hund immer beispielsweise 30 Sekunden durchhält, die Verstärkung verringern. Dazu können zwei verschiedene Wege beschritten werden. Entweder erhöhst Du den Abstand, indem Du die erste Verstärkung nicht bei 1, sondern erst bei 2 gibst. Auf diese Weise könnte dann eine Minute angepeilt werden. Hält er diese immer aus, kannst Du weiter verdünnen, indem Du nun mit dreier-Schritten arbeitest und die erste Verstärkung erst nach drei Sekunden kommt.

Alternativ kannst Du auch im Sekundenrhythmus bleiben, aber die erste Verstärkung nicht mehr bei 1 Sekunde geben, sondern von Beginn an so viele Sekunden zählen, wie Dein Hund die Position normalerweise immer hält.

05

Wie kann ich dem Hund Unarten abgewöhnen? Der Abbau unerwünschten Verhaltens

Zur Vermeidung oder dem Abbau unerwünschten Hundeverhaltens bieten sich grundsätzlich drei Wege: Der Aufbau und Abruf eines konditionierten und sicheren Alternativverhaltens, die Löschung des Fehlverhaltens durch konsequenten Entzug des belohnenden Verstärkers oder der Einsatz risikoreicher Strafen.

Verhaltensabbau durch den Aufbau alternativer Verhaltensweisen

Offen ist nun noch, wie mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen umzugehen ist, die wir bezüglich des Abbaus von unerwünschtem Verhalten kennengelernt haben. Primär denken wir nun zunächst an die Löschung und die beiden risikobehafteten Strafarten. Bedenken sollten wir aber, dass jede dieser Möglichkeiten jeweils eigene Herausforderungen, Risiken und Schwierigkeiten mit sich bringen, weshalb Du tunlichst beim Verhaltensabbau nicht nur nicht primär auf sie bauen, sondern sie tunlichst vermeiden solltest: Nutze eine cleverere Strategie und mache Deinem Hund klar, was Du von ihm willst und nicht, was Du nicht von ihm möchtest. Das erreichst Du durch den Aufbau oder den Abruf eines alternativen Verhaltens, dem wir uns zunächst widmen möchten.

Ein Verhalten kannst Du aufbauen, indem Du Deinen Hund wie in Block 6 beschrieben darauf konditionierst und trainierst, das zu tun, was Du von ihm möchtest. Nutzen kannst Du dieses Wissen, indem Du Dir überlegst, welchem unerwünschten Verhalten Du welches Alternativverhalten entgegensetzten kannst. Bettelt er beispielsweise häufig am Esstisch oder liegt unerwünschter Weise auf oder in Möbeln, liegt es nahe, ihn nach den in diesem Beitrag dargestellten Ansätzen so zu trainieren, dass Du ihn auf seinen Platz schicken kannst und er bis zum Abruf dortbleibt. Ähnlich kannst Du auch den sicheren Rückruf oder ein „Ablegen“, „Sitz“ oder „Fuß“ im Alltag einsetzen und verhindern, dass Dein Hund außer Kontrolle gerät.

Solltest Du und Dein Hund entweder nicht soweit sein, dass diese Kommandos völlig generalisiert sind und unter allen Umständen von ihm ausgeführt werden oder es einfach Reize geben, die Deinen Hund unkontrollierbar werden lassen, kannst Du auch dann noch ohne Löschung oder Strafe arbeiten. Dazu musst Du Deinen Hund und die Reize oder Ablenkungen kennen, die gemeinsam eine explosive und unkontrollierbare Mischung ergeben. Ziel ist es dann nämlich, ein Alternativverhalten so früh abzurufen, dass Du Deinen Hund beispielsweise noch anleinen und auf diese Weise unter Kontrolle bringen kannst, bevor er dem Ablenkungsreiz so nahekommt, dass Du nicht mehr zu ihm durchdringst.

Aus eigener Erfahrung weiß ich aber, dass dieser Weg ein Risiko birgt, nämlich mich selbst: Wenn ich während einer 60-minütigen Gassirunde im entscheidenden Moment für den Bruchteil einer Sekunde nicht voll auf mein Tier konzentriert bin, kann es schon zu spät sein und ich stehe, seinen Namen rufend, im Wald und kann ihm hinterherschauen, während er mit der Nase am Boden Wild aufstöbert, das sich uns nie gezeigt hat. Dann warte ich bis zu sechs Stunden, bis mein Beagle genug gejagt hat.

Möchte ich meinen Hund also nicht ausschließlich an der Leine führen, auf der anderen Seite aber verhindern, dass er wildert, müsste ich mich mit den anderen Techniken des Verhaltensabbaus auseinandersetzen.

Verhaltensabbau durch Löschung – Belohnungen entziehen

Wir haben gelernt, dass unter Löschung eines Verhaltens verstanden wird, dieses Verhalten nicht mehr belohnend zu verstärken. Willst Du also ein spezielles Verhalten Deines Hundes löschen, setzt das genaue Kenntnis und, um ihn wirksam entziehen zu können, absolute Kontrolle über den belohnenden Verhaltensverstärker voraus.

Die folgende Tabelle zeigt eine denkbare und grobe Einteilung der Quellen von Verhaltensverstärkern, wobei die Kontrollierbarkeit des verabreichten Verstärkers von links nach rechts abnimmt.

Was ist damit gemeint? Klassiker für vom Menschen belohnten aber nicht von jedem geliebten Verhalten sind beispielsweise

  • das Betteln am Tisch
  • die Benutzung aller möglichen Möbel wie Sofas oder Betten durch den Hund
  • das Anspringen aller möglichen, auch fremder, Menschen

Nun muss man sich als Hundehalter fragen, ob man selbst das entsprechende Verhalten belohnt und verstärkt, z. B. indem der Hund etwas vom Tisch bekommt, auf dem Sitz- oder Liegemöbel mit Schmuseeinheiten überhäuft wird oder den Hund abbusselt, wenn er einen anspringt. Das entsprechende verstärkende Verhalten wäre wohl für uns alle verhältnismäßig einfach kontrollierbar, setzt aber schon ein hohes Maß an Konsequenz voraus: Wenn wir selten doch den belohnenden Verstärker gewähren, senken wir die Löschungsrate, machen machen also das unerwünschte Hundeverhalten löschungsresistenter durch die unbewusste Anwendung eines variablen Quotenplans für die positive Verstärkung.

Kompliziert wird schon diese einfache Löschungsprozedur, wenn wir bedenken, dass ein solcher Verstärkerplan auch durch andere Menschen verursacht werden kann: Wer hat nicht schon einmal Besuch gehabt, der sich hat anspringen lassen? Oder dem Hund heimlich ein Stück Wurst vom Tisch gegeben hat? Wer kann voraussetzen, dass jeder Passant, dem man auf der Gassirunde begegnet, weiß, dass er den Hund einfach wegschieben soll, wenn der ihn anspringt? Obwohl wir alle anderen bitten können, sich entsprechend zu verhalten, nimmt die Kontrollierbarkeit ab jetzt schon deutlich ab.

Die Löschungsprozedur wird noch komplizierter, wenn wir uns gar nicht bewusst sind, mit welchem Verhalten wir das „Fehlverhalten“ unserer Hunde verstärken, was, wer hätte es gedacht, nur mit einem guten Trainer behebbar wäre.

Gänzlich unkontrollierbar sind die übrigen Verstärker, die die Umwelt bereithält: Fremde Hunde werden wir kaum auf Entfernung so im Griff haben, dass sie ein Spiel unterbrechen, weil wir das wollen. Auch im Falle meines Beagles konnte also die Verhaltenslöschung nicht weiterhelfen: Es ist schlicht nicht möglich, Wild zu kontrollieren und dafür zu sorgen, dass es nicht flüchtet. Aber gerade die Flucht des Wildes bzw. das ihm Hinterherrennen ist der Verhaltensverstärker für meinen Hund.

Dennoch tun wir gut daran, die Löschung als Möglichkeit für das Abstellen eines unerwünschten Verhaltens zu verstehen, wenn wir Herr der belohnenden Verstärker sind. Daher sollten wir uns wenigstens selbst konsequent verhalten und die von uns kontrollierbaren Verstärker nicht mehr gewähren. Auch sollten wir auf unsere Mitmenschen Einfluss nehmen, sich nicht mehr verstärkend zu verhalten.

Allerdings stellt sich nun die Frage, wie das durch unkontrollierbare Verstärker belohnte Verhalten abgestellt werden kann. Wenn alle anderen Strategien nicht ausreichen, bleibt als Ultima Ratio trotzt der Risiken nur noch die Bestrafung.

Strafen in der Hundeerziehung – ein strittiges Thema

Bestrafung in der Hundeerziehung ist ein umstrittenes Thema: Obwohl die beschriebenen Versuche zur positiven Strafe jeden schockiert haben sollten und die aus ihnen gewonnen Erkenntnisse klar die weitreichenden Risiken fehlerhafter Bestrafung dargestellt haben, wird in der Hundeerziehung dennoch von vielen Hundehaltern und Trainern mit beiden Arten der Strafe gearbeitet. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Wenn weder über den Abruf eines alternativen Verhaltens das unerwünschte Verhalten verhindert werden kann, noch Löschen aus oben beschriebenen Gründen ausreicht, stellen Bestrafungen das letzte Mittel dar.

Sicher moralisch zweifelhaft, aber wirkungsvoll ist ihre Verwendung zur beschleunigenden Unterstützung des Prozesses der Verhaltenslöschung. In jedem Fall sollte sie mit weiteren Techniken und Maßnahmen, vor allem mit dem Aufbau eines Alternativverhaltens, zu einem wirkungsvollen Gesamtpaket geschnürt werden. Zudem wird im Alltag häufig genug gestraft, ohne sich dessen bewusst zu sein.

Daher müssen wir uns in diesem Text auch mit der Strafe auseinandersetzen. Die Risiken der Bestrafung sind hier hinreichend dargestellt worden, sodass ich nicht umhinkann, Dich zu bitten, neben der Lektüre dieses Textes vor der Anwendung vor allem der positiven Strafen einen erfahrenen Trainer zu Rate zu ziehen, um die Risiken zu minimieren.

Schauen wir uns aber zunächst die „softere“ Variante, nämlich die negative Strafe an.

Verhaltensabbau durch Entzug von Privilegien – die negative Bestrafung

Jeder grundsätzlich verfügbare angenehme Reiz, den wir in Folge einer unerwünschten Handlung unserem Hund entziehen und damit negativieren, ist per Definition des Kontingenzschemas eine negative Strafe.

Die unbewusst verabreichte negative Strafe im Alltag

In der Hundeerziehung kann das Wort „Privilegien“ des Hundes als die Summe aller grundsätzlich verfügbaren angenehmen Reize interpretiert werden. Immer dann, wenn Dir geraten wird, Deinem Hund in Folge einer unerwünschten Handlung Privilegien zu entziehen, wird also zur Anwendung der negativen Strafe geraten, auch wenn das Kind nicht immer beim Namen genannt wird. Schauen wir uns nun an, was das konkret bedeutet.

Wozu die negative Strafe bewusst im Alltag einsetzen?

Die negative Strafe wird gerne innerhalb des Trainings verwendet, beispielsweise um die Aufmerksamkeit des freilaufenden Hundes zu steigern oder das Ziehen an der Leine zu sanktionieren. Auch beim Aufbau der Beißhemmung kommt die negative Strafe zum Einsatz: Wenn das Spiel (angehemer Reiz) sofort nach dem Biss des Hundes ab- oder unterbrochen und somit entzogen wird. Daneben eignet sie sich gut, um ein Abbruchsignal zu konditionieren. Beides lässt sich mit ihr gut machen, da sie zwar angenehme Reize und Aktivitäten entzieht, dieser Vorgang aber, wenn er von Dir richtig eingesetzt wird, für den Hund nicht in der Art stress- und angstauslösend ist, dass sie seine Lernfähigkeit beeinflusst.

Welcher Strafreiz soll gewählt und mit welcher Methode angewendet werden?

Anders als bei der positiven Strafe arbeiten wir mit dem Entzug eines für den Hund angenehmen Reizes, eines Privilegs oder eines Gefühls.  Welches das konkret ist, hängt stark vom Strafziel bzw. der Situation ab. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, die Befriedigung von Bedürfnissen wie Appetit auf ein besonders leckeres Futter, einen interessanten Ort zu erreichen, nach der von Deiner Anwesenheit vermittelte Sicherheit oder den Zugang zu einem von ihm besonders geschätzten Liegeplatz einzuschränken oder kurzfristig zu entziehen.

Wichtig dabei ist, wie immer, das Timing: Zum einen kann Dein Hund nur dann einen Zusammenhang zwischen seinem Verhalten und dem Entzug herstellen, wenn der Entzug die zeitliche Nähe nicht um mehr als 1 Sekunde überschreitet. Andererseits ist die Dauer des Entzugs eine Stellmöglichkeit für die Strafintensität, die immer mit Bedacht zu wählen ist: Einerseits soll Dein Hund die Auswirkung spüren, andererseits darf er aber nicht zuletzt aus tierschutzrechtlichen Gründen kein Leid erfahren, weshalb der Zugang zu Futter oder Wasser nicht entzogen werden darf.

Die negative Strafe zur Konditionierung eines Abbruchsignals

Auch über den Sinn und Unsinn eines Abbruchsignals kann vortrefflich diskutiert werden. Einige sind der Meinung, dass es eines solchen nicht bedarf, da ein Hund auf Grund ausreichenden Trainings unter Verwendung der auf der positiven Verstärkung aufbauenden Trainingsmethoden und Techniken keine Korrektur über ein Abbruchsignal benötigt.

Mein Beagle ist dafür leider zu flatterhaft geraten: Er weiß zwar vom Grundsatz her, dass er sitzen bleiben soll, bis ich was anderes sage oder auf das Abrufsignal hin sofort auf geradem Wege zu mir kommen soll. Aber versuchen kann man es ja hin und wieder mal: Dann versucht er, aus seiner Ruheposition aufzustehen oder er findet auf dem Weg zu mir einen olfaktorischen Grund für eine kleine Kurskorrektur oder ein Zwischenpäuschen. Beides kann ich mit einem „Nope!“ unterbinden: Er nimmt dann sofort wieder seine Position ein oder nimmt wieder Fahrt in meine Richtung auf.

Der Hund soll also eine Verhaltensweise unterbrechen, die er trotz eines gegebenen Signals für ein Alternativverhalten zeigt und das seinerseits über positive Verstärkung aufgebaut wurde. Dieses gewünschte Alternativverhalten bietet ihm eigentlich die Aussicht auf einen Verstärker bzw. eine Belohnung. Wenn er nun ein anderes Verhalten zeigt, wurde entweder noch nicht genug trainiert, oder aber der Hund hält die mit der unerwünschten Verhaltensweise einhergehende Verstärkung für attraktiver als die, die er von seinem Menschen erhalten kann.

Im Ergebnis solltest Du prüfen, ob Du mit mehr Training zum Ziel kommst oder ob Du Zugriff auf wirkungsvollere Verstärker und Belohnungen für Deinen Hund hast. Wenn das aber alles ausgeschöpft ist, was Du Dir von einem gegenüber Strafen kritisch eingestellten Trainer bestätigen lassen solltest, hilft vielleicht ein strafbewährtes Abbruchsignal.

Es soll zum Ziel haben, dass den mit den unerwünschten Handlungen verbundenen konkurrenzlos wirkungsmächtigen Verstärkern ein Signal entgegengesetzt wird, das glaubhaft eine Strafe androht und dadurch gewissermaßen den Wert der Verstärkung des unerlaubten Verhaltens mindert.

Konkret suchst Du Dir zunächst ein Wort aus, das Du als Signal verwenden möchtest. Hierbei solltest Du darauf achten, kein Wort zu wählen, das Du im Alltag häufig benutzt ohne damit Deinen Hund zu meinen, wie beispielsweise „nein“, was sich dazu noch ähnlich wie „fein“ anhört und es Deinem Hund doppelt schwer macht: Er kann nicht mit Sicherheit wissen, ob er überhaupt gemeint ist und hat es schwer, ein Lob vom Gegenteil zu unterscheiden. Andererseits sollte das Wort für Dich mit dem Sinn des Signals assoziiert sein und Dir gut über die Lippen gehen.

Nun nimmst Du Dir ein paar Stückchen Futter in die Hand und setzt Dich so vor Deinen Hund, sodass er das Futter in Deiner offenen Hand wahrnehmen kann. Bewegt er sich nun zur Hand und zum Futter, sagst Du gut verständlich Dein Signalwort und schließt die Hand. Durch das Schließen der Hand wird ihm der Zugang zum angenehmen Futter entzogen, was der negativen Strafe entspricht. Erst, wenn Dein Hund längere Zeit nicht versucht, das Futter zu bekommen, bewegst Du Deine Hand mit dem Futter so vor seine Schnauze, dass er ohne weitere Bewegung zu fressen beginnen kann. Auf diese Weise wird das Stillhalten mit der Futtergabe positiv verstärkt.

Hier wird auch deutlich, wie schnell zwischen diesen Techniken hin- und hergewechselt wird, um kontrastreich gewünschtes von unerwünschtem Verhalten für den Hund unterscheidbar zu machen.

Dieses Vorgehen findet sich auch in vielen Trainingseinheiten wieder, die darauf abzielen, eine bestimmte Position (Sitz oder Platz) über einen längeren Zeitraum und unter Ablenkung zu halten und wird oft als Übung der Unterordnung empfohlen.

Gerade die Verwendung auch in Trainings zu anderen Verhaltensweisen an vielen verschiedenen Orten und mit vielen verschiedenen möglichen aber unerwünschten Verhaltensweisen führt dazu, dass Dein Hund das Signal mit dem Abbruch seines aktuellen Verhaltens assoziiert.

Die negative Strafe zur Unterdrückung eines speziellen Verhaltens

Nahe liegend sind hier vor allem der Einsatz der negativen Strafe im Rahmen des Trainings für die Leinenführigkeit und die ersten Einheiten des Freilauftrainings vor allem von Welpen und jungen Hunden. Aber auch rüpelhaftes Spielen und die Beißhemmung sind Themen für die negative Strafe.

Die negative Strafe im Training der Freifolge

Wenn Dein junger Hund oder gar Welpe anfangs bei Dir ist, wirst Du bestimmt schon im Garten den Kleinen dazu motivieren, Dir zu hinterherzulaufen, schließlich willst Du ja später die Richtung der Gassirunden vorgeben und nicht Deinem Hund über Stock und Stein folgen. Vielmehr erwartest von Deinem Hund die sogenannte Freifolge. Schon im Garten wirst Du feststellen, dass auch Dein junger Hund, wie es sich für junge Hunde gehört, alles Mögliche spannend findet und sich nicht durchgängig auf Dich konzentriert. So ähnlich wird es auch auf den ersten Spaziergängen auf verhältnismäßig reizarmen Routen mit wenig anderen Menschen und Tieren ablaufen: Die Jungspunde finden auch dort noch Ablenkungen, die dazu führen, dass sie kreuz und quer laufen.  Am Ort des Interesses vergisst er dann Raum und Zeit über das Schnüffeln ebenso, wie auf Dich zu achten.

Wie nun umgehen mit dieser Situation? Häufig wird für diese Situation der Tipp gegeben, dass Du keinesfalls Deinem Hund hinterherlaufen sollst, eben, weil dieser dadurch lernt, dass er die Laufrichtung vorgeben kann und darf. Natürlich kannst Du versuchen, Deinen Hund zu animieren, Dir zu folgen. Klappt das nicht, könnte noch ein Rückruf versucht werden. Der soll aber so aufgebaut werden, dass er niemals erfolglos abläuft. Das setzt viel Training voraus und ist kann zu diesem frühen Zeitpunkt noch nicht ausreichend gefestigt sein, um sicher zu funktionieren. Häufiges erfolgloses Abrufen lehrt ihn allerdings, dass er dem Rückruf folgen kann, aber nicht muss.

Als Ausweg aus dieser Situation wird häufig geraten, dem betreffenden Hund das durch Deine Anwesenheit vermittelte Gefühl der Sicherheit zu entziehen. Ihm wird also in Folge seines Verhaltens ein sonst immer zur Verfügung stehender Reiz entzogen, nämlich Deiner Anwesenheit. Genau das ist die negative Strafe.

Gehe dazu in die Nähe eines möglichen Verstecks, von dem aus Du Deinen Hund aber beobachten kannst, und motiviere ihn von dort einmalig mit hoher, freundlicher Stimme, sich Dir wieder anzuschließen. Schaut er nur kurz auf oder reagiert gar nicht, verstecke Dich und beobachte ihn weiter. Du wirst sehen, dass Dein Hund irgendwann mit seiner Schnüffelei fertig ist und dann sofort feststellt, dass der Wald- oder Feldweg leer ist und er allein auf weiter Flur steht. Die raumzeitliche Nähe zwischen seiner Schnüffelei und der Feststellung, dass Du weg bist, ist hier zu 100 % gegeben, was eine starke Assoziation zwischen beiden auslöst. Gerade Welpen und sehr junge Hunde sind sich durchaus bewusst, dass sie allein keine Überlebenschance haben. Daher wird diese Erkenntnis ihnen einen Schreck durch die Glieder fahren lassen, was Du daran erkennst, dass Dein Hund nervös nach Dir suchen wird. Nun kannst Du die Situation auflösen und Dich ihm zeigen und ihn rufen. Warte nicht, bis er Dich findet, sonst kann es sein, dass der Effekt verpufft, da Hund dann erlebt, dass er das Problem zwar selbst verursacht, aber auch selbst gelöst hat.

Übrigens klappt das bei meinem ansonsten eher selbständigen vierjährigen Beagle in ihm unbekannten Gegenden auch heute noch sehr gut: Er rast dann kopflos den Weg hoch und runter, obwohl er eine sehr gute Nase hat und eigentlich problemlos meiner Fährte folgen könnte. Danach ist er für den Rest des Tages merklich aufmerksamer.

Die negative Strafe im Training zur Leinenführigkeit

Auch im Training gegen das Ziehen an der Leine wird von einigen Trainern zu einer Technik geraten, die Elemente der negativen Strafe enthält. Die Kernthese ist, dass ein Hund niemals durch Ziehen an der Leine an den Ort gelangen darf, zu dem er möchte. Würde er dort ziehend ankommen, wäre der dort vorhandene Reiz und die mit ihm verbundenen Handlungen wie Schnüffeln und späteres Urinieren ein Verstärker für das Ziehen, das er dann häufiger zeigen würde.

Nun wird geraten, entweder stehen zu bleiben, bis der Hund zu ziehen aufhört oder, um noch klarer mit dem Hund zu kommunizieren, sobald die Leine sich strafft die genaue Gegenrichtung einzuschlagen und kommentarlos den Hund hinterher zu ziehen. Gehen wir im Weiteren von letzterem Fall aus, der aus meiner Sicht und Erfahrung die effizientere Lösung darstellt. Im Grunde geht es darum, dass Ziehen nicht verstärkt wird, also um Löschung. In Abhängigkeit von der genauen Ausführung einerseits und der genauen Situation spielt hier die negative und sogar die positive Strafe eine Rolle.

Wie Du im folgenden Block über die positive Strafe lesen wirst, stellt der Zug auf die Halsung schon eine positive Strafe dar, erst recht, wenn der Zug mit einem Ruck einhergeht. Selbst die Verwendung eines Zuggeschirrs vermindert nur die Intensität des Strafreizes, wenn mit Ruck gezogen wird. Um die Effekte der positiven Strafe zu mindern empfiehlt es sich also, bei einem Richtungswechsel die Leine so sanft zu führen, dass kein Ruck entsteht, sondern der Zug sanft ansteigt. Vor allem bei Verwendung längerer Leinen wie einer Schleppleine ist das kaum zu gewährleisten, sodass hier schon aus tierschutzrechtlichen Gründen ein Zuggeschirr statt einer Halsung zu verwenden ist.

In einer fünf Minuten dauernden Trainingseinheit zu diesem Problem werdet Ihr Euch auf kleinem Raum bewegen: Sobald die Leine sich strafft, wechselst Du die Richtung. So wird es nicht möglich sein, eine Route zu laufen, sondern ihr bewegt Euch im Grunde am Platz und es handelt sich um eine reine Löschungsübung.

Aber Du musst auch auf einer Gassirunde gleiches Verhalten zeigen. Und hier ist Richtungswechsel nicht gleich Richtungswechsel. Ob ein solcher Richtungswechsel eher einer Löschung oder einer negativen Strafe gleichkommt, hängt vom Hundeverhalten ab. Es sind zwei Varianten des Ziehens zu unterscheiden: Einerseits das Vorprellen, bei dem Dein Hund einfach nur schneller in die von Dir eingeschlagene Richtung möchte. Und außerdem gibt es das Ziehen in eine ganz andere Richtung, also nach rechts, links oder hinten. Der Unterschied liegt darin, dass Dein Hund an einen Reiz, der in der von Dir geplanten Laufrichtung liegt, herankommen wird, wenn er nicht an der Leine zieht. Tut er es doch, wird der Zugriff, also die grundsätzlich laufende Annährung an diesen Reiz durch den Richtungswechsel unterbrochen und ihm entzogen. Das wiederum ist eine negative Strafe, denn der Zugriff auf einen angenehmen und generell verfügbaren Reiz wird entzogen. Da Du aber grundsätzlich in Richtung dieses Reizes gehen möchtest, wirst Du nach einigen Schritten wieder darauf zugehen. Das Ganze wiederholt ihr beide so lange, bis ihr mit schlaffer Leine an dem Wunschziel Deines Hundes ankommt. Dann darf er dort als verstärkende Belohnung auch schnüffeln und seine sonstigen Geschäfte erledigen.

Bei den Reizen, die Deinen Hund nach rechts oder links ziehen lassen, liegt der Fall anders: Diese darf er nie erreichen. Warum? Weil er sicherlich lernen wird, dass Du sein Ziehen in eine gewisse Richtung als Hinweisreiz für seine Wunschrichtung erkennst und diesem Wunsch nach einigem Hin und Her auch nachgibst. Somit ist hier die Löschung am Werk, weil der Verstärker, also das Erreichen des angenehmen Reizes nie zur Verfügung gestellt wird. Übrigens musst Du hierbei bedenken, dass Du tatsächlich konsequent niemals Deinen Hund an den Ort seines Wunsches lässt. Tust Du es hin und wieder doch, konditionierst Du ihn nach einem löschungsresistenten variablen Quotenplan auf das Ziehen an der Leine.

Die negative Strafe im Training gegen rüpelhaftes Spiel

Ebenfalls ein klassischer Fall für die negative Strafe ist das zu wilde, rüpelhafte Spiel mit anderen Hunden: Sobald Dein Hund dieses Verhalten zeigt, beendest Du das Spiel und lässt ihn eine Zeit lang nur noch zuschauen und entziehst ihm so sein Privileg, frei spielen zu dürfen. Hast Du einen solchen Fall zu lösen, empfiehlt es sich, das Tier mit anderen nur auf eingezäunten, nicht zu großen Grundflächen spielen zu lassen, damit Du immer in der Nähe Deines Rüpels bist und in kürzester Zeit eingreifen kannst.

Die negative Strafe im Training zum Aufbau der Beißhemmung

Dasselbe gilt für die Beißhemmung: Sobald Dein Welpe Dich zwickt, unterbrichst Du das Spiel, indem Du aufstehst, weggehst und ihn einige Minuten ignorierst. Zeitgleich kannst Du als Ausdruck des Schmerzes kurz in einem hohen Ton quietschen. Dieses Signal verstehen Hunde, das sie Schmerzen selbst so äußern. Zeigt dieses Vorgehen nach einigen Tagen überhaupt keine Wirkung, steht im Rahmen der positiven Strafe noch eine weitere Technik zur Verfügung.

Sicherlich gibt es noch weitere Beispiele für die Anwendung der negativen Strafe, aber hier soll anhand der Beispiele aber nur das Grundprinzip vermittelt werden.

Verhaltensabbau durch positive Bestrafung

Jeder unangenehme Reiz, den wir in Folge eines Verhaltens unserem Hund verabreichen oder hinzufügen, stellt per Definition des Kontingenzschemas eine positive Strafe dar. Wir erinnern uns: Positiv ist mathematisch zu verstehen, da sich das Wort auf die mathematische Aktion des Hinzufügens bezieht.

Die unbewusst verabreichte positive Strafe im Alltag

Wenn wir also an der Leine rucken oder ihn mit lauter, aggressiver und dadurch angsteinflößender Stimme zurechtweisen und damit unangenehme Reize abgeben, weil der Hund in eine Richtung zieht, haben wir per Definition schon eine positive Bestrafung verabreicht. Gehen wir davon aus, dass der Reiz, der von einem sich um den Hundehals straffenden Halsband für den Hund unangenehm ist, strafen wir schon dann positiv, wenn wir nicht hinter dem Hund in dessen Geschwindigkeit herrennen. Denn nun wird sich die Leine samt Halsung straffen, bei entsprechend starker Beschleunigung durch den Hund sogar mit einem intensiven Ruck.

Aber auch der bei langsamem Ziehen an der Leine sanft ansteigende Druck auf den Hundehals kann vom Hund nicht als angenehm empfunden werden und ist also als Strafe zu werten. Mehr als fraglich ist allerdings, ob diese Strafen die gewünschte Wirkung entfalten, zumal beobachtbar ist, dass einige Hunde immer wieder in die Leine springen.

Meist handelt es sich bei dem beschriebenen vom Hundehalter aktiv ausgeführten Ruck an der Leine oder der Zurechtweisung um eine emotionale Reaktion, die wir nicht jedes Mal zeigen, sondern erst dann, wenn wir von dem Verhalten genervt sind. Damit verstoßen wir allerdings gegen die wissenschaftliche Erkenntnis, dass der effizienteste Bestrafungsplan die Immerbestrafung ist, bei der das zu bestrafende Verhalten jedes Mal, wenn es gezeigt wird, bestraft werden soll.

In Abhängigkeit von der Sensibilität des Hundes stellt sich auch die Frage, ob die Intensität des Strafreizes ausreichend hoch ist. Vielleicht wird am Anfang sehr leicht an der Leine geruckt, einerseits, weil man dem Hund nicht wehtun darf, soll und will. Dieser Punkt ist durchaus berechtigt, schließlich wirkt der Ruck auf Kehlkopf und Halswirbelsäule und kann an diesen Stellen bleibende Schäden verursachen, was die Frage aufwirft, ob ein Ruck an der Leine überhaupt zu den sinnvollen Strafreizen gehört.

Andererseits ist man ja auch noch nicht besonders genervt. Davon zeigt sich der Hund unbeeindruckt und verändert sein Verhalten nicht. Da sich nichts ändert, nimmt unsere Genervtheit zu, weshalb wir dann dazu neigen, langsam die Stärke des Rucks oder die Aggression in der Stimme zu erhöhen. Wir wissen aber von den Verhaltensforschern, dass das der perfekte Weg ist, einen Strafreiz zu entwerten, weil der Bestrafte sich durch die langsame Steigerung der Intensität an den Reiz gewöhnt und in Folge sich nun selbst ins Zeug legt und immens an der Leine zieht.

Wenn Du nicht zu den besonders nervenstarken und selbstkontrollierten Menschen gehörst, lohnt es sich also, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, um statt unbewussten Strafreaktionen ein geplantes und effektives Verhalten an den Tag zu legen. Allerdings birgt selbst der kontrollierteste Einsatz der positiven Strafe noch eine ausreichend große Menge an Risiken.

Wozu die positive Strafe bewusst im Alltag einsetzen?

Berechtigt wissend, dass die positive Strafe viele Risiken birgt, vertreten viele die Meinung, dass sie ganz und gar unnötig ist. Ich denke aber, dass ihre Anwendung durchaus in Betracht gezogen werden kann, wenn vorher alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft wurden und vor allem über positive Verstärkung viele Verhaltensweisen aufgebaut und stufenweise so generalisiert wurden, dass sie sehr zuverlässig abgerufen werden können und über den Abruf dieser Alternativverhalten auch Verhaltensweisen des Hundes kontrolliert werden können, die er nicht zeigen soll.

Triffst Du aber auf Situationen, in denen Dein Hund regelmäßig kein Signal von Dir mehr aufnimmt, geschweige denn in gewünschtes Verhalten umsetzt, kann sich hieraus die Notwendigkeit zur Anwendung der positiven Strafe ergeben.

Ziehen wir als Beispiel noch einmal meinen Beagle heran, der, wenn er über die Fährte eines Wildtiers stolperte, im Bruchteil einer Sekunde auf Jagd umschaltete und alles stehen und liegen ließ. Konkret unterbrach er jedes noch so lustige Spiel mit anderen Hunden oder mir und stellte auf Durchzug, wenn ich ihn in diesen Situationen zu spät abrief. Die reine positive Konditionierung eines Alternativverhaltens brachte mich hier nicht weiter: Ich fand keinen Weg, wie ich ihn wiederhol- und kontrollierbar der Verlockung einer Wildfährte aussetzen konnte, um das gewünschte Alternativverhalten immer wieder unter diesem für meinen Hund himmlischen Hinweisreiz von einer Ablenkung trainieren zu können. Löschen war auch keine Option, da ich auf den verhaltensverstärkenden Faktor, also das Wild und sein Verhalten, keinen Einfluss hatte.

Um einen möglichen Grund für dieses Verhalten zu verstehen, sollten wir uns nochmal an Tolmans und Hozniks Labyrinth für Ratten und den Unterschied zwischen Akquise und Performance erinnern. Die Kernaussage war, dass ein Unterschied zwischen Akquise und Performance eines Verhaltens liegt. Die Akquise beschreibt das Erlernen eines Verhaltens und mit Performance die Ausführung gemeint.

Vor allem die Performance hängt davon ab, ob es sich lohnt, das Verhalten zu zeigen. Ob sich ein Verhalten lohnt oder nicht hängt wiederum vom Verhaltensverstärker ab, mit denen wir uns in Block 3 beschäftigt haben. Dort haben wir auch gesehen, dass wir mit unseren Belohnungen und Verstärkern in Konkurrenz zu den in der Umwelt verfügbaren Verstärkern stehen. Dieser Konkurrenz wohnt eine Wahlmöglichkeit des Hundes inne: Er wird das Verhalten zeigen, das den für ihn verlockenderen oder lohnenderen Verstärker bereithält. Wir wissen, dass vor allen Dingen eingeschränkte Verfügbarkeit und Verknappung dazu beiträgt, dass ein Verstärker an Attraktivität, auch im Vergleich zu einem anderen, gewinnt.

Bezüglich der selbstverstärkenden Jagdaktivitäten meines meinungsstarken Beagles bedeutete das, dass ich diese maximal verknappen wollte, er sollte nämlich gar nicht mehr jagen. Dadurch stieg im Laufe der Zeit, in der ich ihn durch positiv verstärktes Abrufen am Stöbern hindern konnte, die Attraktivität dieser selbstverstärkenden Handlung ins unermessliche, während alle von mir, wenn auch noch so abwechslungsreich gebotenen Verstärker für das von mir in dieser speziellen Situation gewünschte Verhalten für ihn im Vergleich immer bedeutungsloser wurden.

Wenn also die Wirkung der eigenen, für erwünschtes Verhalten gewährten positiven Verstärker abnimmt und gleichzeitig die der mit der unerwünschten Verhaltensweise verbundenen positiven Verstärker derart zunimmt, dass dieses unerwünschte Verhalten nicht mehr zuverlässig verhindert werden kann, kann die Lösung dieses Problems darin liegen, die unerwünschte Verhaltensweise über Strafen unattraktiver zu machen.

Wichtig ist, dass dies nur für konkurrierende Verhaltensweisen gilt, die positiv verstärkt wurden und somit im Hund angenehme Assoziationen auslösen. Kannst Du zu Deinem Hund nicht mehr durchdringen, weil er Angst- oder Aggressionsverhalten zeigt, egal, in welchen Situationen, wem oder welchen Gegenständen gegenüber, wirken positive Strafen eher problemverschärfend: Positive Strafen stellen unangenehme Reize dar, die mindestens einen Schreck auslösen und ein Verhalten über Angst vor den ihm folgenden Konsequenzen unterdrücken sollen. Wenn das zu unterdrückende Verhalten aber schon aus Angst gezeigt wird und dem Tier dazu dient, entweder dem angstauslösenden Reiz durch Flucht- und Meidungsverhalten zu entgehen oder den Ursprung des Reizes durch Aggression und Kampf zu beseitigen, wird noch mehr Angst das unerwünschte Verhalten eher häufiger und intensiver als seltener und schwächer auftreten lassen. Diese Art unerwünschter Verhaltensweisen werden regelmäßig negativ verstärkt, da ein unangenehmer, in dem Fall angstauslösender Reiz, in Folge des unerwünschten Verhaltens für Deinen Hund wegfällt. In solchen Fällen solltest Du die Hilfe erfahrener Profis in Anspruch nehmen, die Euch einen auf positiver Verstärkung und langsamer Annäherung an den auslösenden Reiz basierenden Trainingsplan aufstellen und abarbeiten helfen.

Welcher Strafreiz und welche Strafintensität soll gewählt werden?

Unabhängig davon, für welchen der beiden im Weiteren dargestellten Zwecke Du die positive Strafe einsetzten möchtest, musst Du im Vorfeld für Dich einschätzen, welche Art Reiz Dein Hund unangenehm empfinden wird und in welcher Intensität dieser Reiz verabreicht werden muss, um einerseits sofort Wirkung zu zeigen, ohne die Intensität langsam steigen lassen zu müssen und auf diese Weise eine Gewöhnung zu verursachen, andererseits nicht übertrieben stark zu sein.

Eine solche Einschätzung setzt voraus, dass Du die Reaktionen Deines Hundes auf gewisse Reize beobachtet und aus diesen Beobachtungen die richtigen Schlüsse ziehst. Dieser Text kann eine Grundidee vermitteln, wie Du in dieser Frage an Antworten kommst. Da es aber einiger Erfahrung bedarf, diesbezüglich den Hund richtig einzuschätzen, kann es schon an dieser Stelle sinnvoll sein, die Expertise eines erfahrenen Hundetrainers einzuholen.

Wie reagiert Dein Hund auf Dich und Deine Tonlage? Reicht schon eine etwas lautere und strenger klingende Ansprache oder eine bedrohlich wirkende Körpersprache, um ihn so zu beeindrucken, dass er sein aktuelles Verhalten unterbricht? Sollte das der Fall sein, seid Ihr schon am Ziel, denn dann musst Du nur noch lernen, ein nicht alltägliches Wort mit der beschriebene Geste und Tonlage zu verbinden und schon hast Du ein Abbruchsignal. Sollte das aber nicht der Fall sein, solltest Du das Verhalten Deines Hundes beobachten und Dir folgende Fragen stellen.

Wie verhält sich Dein Hund Geräuschen gegenüber? Schreckt er schon bei leiseren aber unerwarteten Geräuschen zurück oder sind ihm selbst die lautesten Geräusche völlig egal? Gibt es spezielle Geräusche, die ihn reagieren lassen? Beispielsweise interessiert es meinen Beagle gar nicht, wenn rings um ihn herum geschossen wird, erschrickt sich aber deutlich, wenn mein Schlüsselbund einen Meter neben ihm klirrend einschlägt.

Wie reagiert Euer Hund auf Wasser? Schüttelt er sich sein Fell aus, als hätte er den Ärmelkanal durchschwommen, nachdem er durch eine seichte Pfütze lief oder lässt er kein Gewässer aus, um darin ein Bad zu nehmen?

Reagiert er weder auf Deine Gesten und Tonlagen, noch auf Wasser oder Geräusche, wäre ein wohl dosierter körperlicher Angang notwendig, den Du auf jeden Fall mit einem erfahrenen Trainer erarbeiten solltest.

Welche strafreizerzeugenden Methoden und Produkte gibt es?

Um aus diesen Reizarten Strafreize zu generieren, stehen uns viele Wege offen, die alle Vor- und Nachteile in sich bergen. Du musst Dir klarmachen, dass die Nachteile immer an die Risiken der positiven Strafe gekoppelt sind und einen negativen Einfluss auf die Bindung und Beziehung Deines Hundes zu Dir haben können. Wenn er gar Angst vor Dir hätte, würde das den Aufbau jedweden gewünschten Verhaltens sehr erschweren. Auch auf die Wirksamkeit der Strafe oder das gesamte Sozialverhalten Deines Hundes wirken sich die Nachteile der Strafe negativ aus. Daher stellen die Nachteile den Aspekt dar, auf den Du Dich bei der folgenden Lektüre kritisch konzentrieren solltest mit dem Ziel, einzuschätzen, ob Du die Nachteile durch Dein Verhalten ausgleichen kannst oder ob es besser wäre, den konkreten Fall mit einem Hundeprofi zu besprechen.

Wie bereits oben gesagt, kannst Du einem sensiblen Hund schon über die Stimmlage und Deine Körpersprache einen unangenehmen Reiz vermitteln. Sprichst Du in einer tiefen, lauten Tonlage, wirkt das bedrohlicher als eine entspannte, etwas höhere und leisere Stimme. Körpersprachlich wird ein Hund es als unangenehm empfinden, wenn Du mit schnellen, zielgerichteten Schritten auf ihn zugehst und Dich dabei größer machst, als Du bist, ähnlich, als würdest Du einen Menschen einschüchtern wollen. Hunde empfinden es auch als unangenehm, wenn man sich über sie beugt. Wichtig dabei ist, dass Du sehr zeitgenau zwischen den unterschiedlichen Signalen (freundlich, strafend) abwechselst: Sobald Dein Hund das unerwünschte Verhalten einstellt, musst Du von Drohgebärde auf Freundlichkeit umschalten. Allerdings solltest Du wegen des unbewussten Chainings ein durch eine Strafe korrigiertes Verhalten nicht belohnen oder verstärken, sondern nur lobend zu Kenntnis nehmen.

Die Steigerung einer derart bedrohlichen Ansprache ist die Umsetzung der Bedrohung in eine Handlung. Diesbezüglich werden in der Literatur körperliche Strafreize beschrieben, die vom Flankengriff über den Schnauzgriff bis zur sogenannten Alpharolle oder gar dem Nackenschütteln reichen. Diesen wurde nachgesagt, dass sie artgerecht seien, weil sie das strafende Verhalten der Hundeartigen untereinander imitieren.

Zur Alpharolle ist zu sagen, dass sie nicht dadurch entsteht, dass ein Wolf den anderen auf den Rücken legt. Sie entsteht vielmehr dadurch, dass ein rudelfremder Wolf durch einen Biss in den Hals getötet werden soll und der betreffende und unterlegene Wolf seinen Tod abzuwenden versucht, indem er eine beschwichtigende und unterwürfige Rückenlage einnimmt. Sie stellt also eine bedingungslose Kapitulation in höchster Todesangst dar. Das Nackenschütteln wird von den Hundeartigen auch nur gezeigt, wenn sie eine Tötungsabsicht verfolgen: Sie brechen so ihren Beutetieren das Genick.

Bleiben noch Schnauzen- und Flankengriff übrig. Der Schnauzgriff wird tatsächlich von Hundemüttern gegenüber ihren Welpen erzieherisch angewendet, wenn diese zu wild an den Müttern herumturnen. Er wird dann kurz von ihnen verabreicht, indem sie mit ihrem Fang den des Welpen von oben umfassen und mit sehr dosiertem Druck zuschnappen, damit der Welpe sie in Ruhe lässt. Für uns Menschen ist das sehr schwer nachzustellen, weil wir den mit Zeige- oder Mittelfinger und Daumen auf die Lefze des Oberkiefers auszuübenden Druck nicht so exakt einsetzen können, dass der Griff einerseits wahrgenommen wird und andererseits kein intensiver Schmerz entsteht. Hier liegt dann die Gefahr darin, dass der Welpe Deine Erziehungsmaßnahme als fortgeführtes Spiel wahrnimmt, wenn Du zu leicht zugreifst oder Du ihm Schmerzen zufügst, was Du aus Gründen des Tierschutzes und des Verhältnisses zwischen Deinem Hund und Dir auch nicht möchtest. Der Forderung nach exaktem Timing, die verlangt, dass der Strafreiz einer zu bestrafenden Handlung innerhalb einer Sekunde folgen muss, kann nur nachgekommen werden, wenn der Schnauzgriff ausschließlich in derselben Situation angewendet wird, in der er auch von der Hundemutter angewendet wird: Wenn der Welpe auf Dir als Halter rumturnt und nach Dir schnappt ist der Weg zur Schnauze kurz genug, um den Griff innerhalb einer Sekunde anwenden zu können.

Dass der Flankengriff, bei dem der Hautlappen zwischen Rumpf und Oberschenkel des Hinterlaufs kurz gegriffen und leicht nach hinten gezogen werden soll, in dem Sinne arttypisch ist, als dass er von einem Hund beim anderen angewendet wird, bezweifele ich. Da Hunde an der Stelle aber recht empfindlich sind, unterbricht meist schon ein leichter Griff ohne großen Zug ein aktuelles Verhalten und ersetzt es häufig  durch folgendes: Der Hund wird seinen Kopf reflexartig nach dem Angreifer an seiner hinteren Flanke umdrehen und je nach Charakter vielleicht sogar schnappen um sich zu verteidigen.

Auch von Schlägen ist immer wieder zu hören und zu lesen. Um zu vermeiden, dass der Hund den Schlag mit dem Halter in Verbindung bringt, soll dann eine Zeitung oder ähnliches verwendet werden. Wer glaubt, dass die Zeitung hier einen Unterschied macht, muss Hunde schon für sehr blöd halten. Wahr ist aber auch, dass der mit einem Klaps verbundene Schrecken ein Verhalten unterbrechen kann. Hierbei solltest Du sehr darauf achten, dass es wirklich ein Klaps und kein Schlag ist und dass Du diese Methode sehr selten und immer mit kühlem Kopf anwendest.

Alle diese Maßnahmen haben eines gemeinsam: Sie können nur angewendet werden, wenn Dein Hund sich in Deinem unmittelbaren Einflussbereich aufhält.

Häufig ist denn auch zu beobachten, dass Hunde einen Radius festlegen, innerhalb welchem sie sich von den Ansagen ihres Menschen beeindrucken lassen: Sie scheinen anzunehmen oder gar gelernt zu haben, dass wir außerhalb dieses Radius zwar drohen, aber die Drohung nicht mehr wahr machen können, schlicht, weil wir langsamer sind als unsere Hunde. So kommt neben der Sensibilität Deines Hundes ein weiterer Aspekt hinzu, der die Wahl des Strafmittels beeinflusst: Die Entfernung, die zwischen Dir und Deinem Hund zum Zeitpunkt des zu unterbindenden Verhaltens liegt. Wenn es Dir über positive Verstärkung und partnerschaftlichen Umgang nicht gelingen sollte, Deinen Hund immer in Deiner unmittelbaren Einflusssphäre zu behalten, gibt es Möglichkeiten, die Einflusssphäre zu vergrößern.

Weit verbreitet und bei den meisten Hunden wirksam sind vom Handel angebotene Gegenstände, die geworfen werden können und beim Landen Lärm verursachen. Diese reichen von Rasseldosen über sogenannte Trainings-Discs. Solche Gegenstände können auch leicht selbst hergestellt werden, indem beispielsweise ein Stoffsäckchen oder eine verschließbare Blechdose mit Steinchen oder Münzen gefüllt und fest verschlossen wird. Vorteilhaft ist, dass sie kostengünstig sind und der Strafreiz auf mittlere Distanz zeitgenau verabreicht werden kann. Wichtig ist, dass Du zielgenau werfen kannst oder es lernst: In Abhängigkeit von der Sensibilität Deines Hundes muss der lärmverursachende Gegenstand in der unmittelbaren Nähe Deines Hundes landen, ohne diesen zu treffen und dadurch Verletzungen zu verursachen. Deine zielgenaue Wurfdistanz bestimmt denn auch über den Wirkungsradius dieser Strafform: Du solltest dafür sorgen, dass Dein Hund innerhalb des Wirkradius bleibt und musst entsprechend früh reagieren, wenn er ihn widerrechtlich verlassen möchte. Das wiederum setzt voraus, dass Du einen schnellen Zugriff auf den Gegenstand hast, aber möglichst, ohne ihn für Deinen Hund sichtbar in der Hand zu halten: Er wird sonst schnell eine Verbindung zwischen Dir und dem neben ihm landenden Gegenstand schaffen und Dich als den Strafenden identifizieren und der Strafende kann, wie die Wissenschaft zeigt, zum Hinweisreiz für die Strafe an sich werden. Das kann sich nicht nur auf die Lernfähigkeit Deines Tieres sondern auch auf Eure gesamte Beziehung negativ auswirken.

Sollte Dein Hund sich von solchen Gegenständen nicht beeindrucken lassen, aber wasserempfindlich sein, könnte mit einer Wasserpistole gearbeitet werden, die es in vielen Varianten als Kinderspielzeug gibt. Mit Wasser kannst Du Deinen Hund ruhig treffen, da Wasser keinen wirklichen Schaden anrichtet, sofern die Außentemperaturen stimmen: Bei kühlem oder kaltem Wetter ist das keine Option. Die Herausforderung besteht auch hier darin, dass der Hund Dich wegen der im letzten Absatz erinnerten Risiken nicht als den Strafenden identifiziert. Das würde voraussetzen, dass Du nach dem Schuss die Pistole schnell verstecken kannst. Aber: Je kleiner eine Wasserpistole ist, desto leichter kann sie zwar vor dem Hund verborgen werden, aber die Reichweite und die Wassermenge sind dann meist ebenfalls klein. Große, weitspritzende Wasserpistolen hingegen sind schwerer vor dem Hund zu verbergen.

Auch im Bereich der Halsbänder findet sich eine Bandbreite an Produkten, die in Deutschland nicht alle legal sind. Verboten sind generell Erziehungshilfen, die wie Stachelhalsbänder oder Würgehalsbänder ohne Zugstopp Schmerzen verursachen.

Darüber hinaus werden Halsbänder angeboten, die über eine Fernsteuerung einen Reiz verursachen. Hier sind in Deutschland tierschutzrechtlich illegale, weil durch Stromstöße schmerzen verursachende Teletakthalsbänder von den legalen Varianten zu unterscheiden. Die legalen Halsbänder arbeiten mit Lichtblitzen, geruchsneutralen oder parfümierten Sprühnebeln oder mit Geräuschen wie einem unangenehm hohen Piepsen. Bei vielen Produkten lassen sich diese Reize in der Intensität abstufen, sei es über die Dauer eines Sprühstoßes, die Lautstärke des Piepsens oder die Helligkeit des Lichtimpulses. Da sich aber diese Reize unmittelbar am Hundekörper abspielen, werden sie von den Tieren generell sehr intensiv empfunden und stellen daher eine Kanone dar, die Du sehr selten einsetzten und mit der Du nicht auf Verhaltensspatzen Deines Hundes schießen solltest und nicht, ohne mit einem Hundetrainer gesprochen zu haben.

Generell bieten diese Geräte den Vorteil, dass sie über eine Fernsteuerung auch über größere Distanzen ausgelöst werden können. Diese Reichweite wird aber durch dichten Wald oder in hügeligem Gelände stark verringert. Bei vielen Geräten stellt die Fernbedienung ein Risiko dar, denn um zeitpunktgenau Strafen zu können, muss sowohl das Halsband als auch die Fernbedienung eingeschaltet sein. Leider verfügen die wenigsten Fernbedienungen über eine Abdeckung über den Knöpfen, sodass Du sehr aufpassen musst, dass der Strafreiz nicht versehentlich ausgelöst wird, weil in der Jackentasche oder um den Hals hängend irgendetwas auf den Knopf drückt.

Ein weiterer Vorteil ist, dass es dem Hund sehr schwerfallen wird, eine Verbindung zwischen Dir und der Strafe herzustellen. Andererseits kann ein cleverer Hund auch eine Verbindung zu dem betreffenden Halsband herstellen: Wird das Halsband zum Hinweisreiz, dass eine Strafe zu erwarten ist, kann es Dir passieren, dass Dein Hund das unerwünschte Verhalten immer wieder zeigt, wenn er das Halsband nicht anhat. Um zu vermeiden, dass er eine Verbindung zwischen dem Halsband und der Strafe herstellt, sollte Dein Hund das Halsband einige Wochen tragen, ohne dass Du eine Strafe auslöst. Beim Auslösen der Strafe besteht immer das Risiko, dass Dein Hund den Strafreiz nicht mit seinem Verhalten, sondern über die klassische Konditionierung mit einem Sinneseindruck verbindet: Das könnte ein in der Nähe befindlicher Hund oder ein Mensch sein. Künftig könnte er beim Anblick dieser eine angstgetriebene Flucht- oder Aggressionsreaktion zeigen.

Die Schwierigkeit für Dich liegt also darin, die Strafe zum richtigen Zeitpunkt zu geben und der ist von Fall zu Fall schwer zu erkennen: Einerseits muss der Strafreiz ohne Zeitverzögerung zum Zeitpunkt des Fehlverhaltens erfolgen, damit der Hund Verhalten und Strafe schnell verbindet. Andererseits solltest Du darauf achten, dass keine Lebewesen in der Nähe sind, vor denen Dein Hund eine Angst entwickeln könnte.

Um hier Fehler zu vermeiden, ist es unerlässlich, vor dem ersten Einsatz des Halsbandes dessen Funktionsweise zu testen und genau zu wissen, wie weit das Funksignal reicht und welche zeitliche Verzögerung zwischen dem Drücken der Taste und dem Strafimpuls liegt.

Neben diesen manuell auslösbaren Halsbändern gibt es auch automatisch auslösende Halsbänder. Einerseits gibt es einen sogenannten unsichtbaren Zaun, mit dem ein Hund bestraft werden kann, wenn er die Grundstücksgrenze überschreiten will. Hierzu wird in der Erde ein Induktionsdraht vergraben, auf den das Halsband reagiert. Eine weitere Automatisierung soll Bellen bestrafen: Ein eingebautes Mikrophon löst die Bestrafung automatisch aus. Automatische Bestrafungen in der freien Umwelt bergen natürlich noch mehr Risiken: Will der Hund immer das Grundstück verlassen, weil er einen Menschen sieht und wird immer dann bestraft, kann der Hund auf die Idee verfallen, nicht sein Veralten, sondern die Begleitumstände seien Grund für die Bestrafung. Das Ergebnis kann sein, dass er Angst vor Menschen oder was auch immer entwickelt. Im Falle der Bell-Automatik kann eine Strafe auch erfolgen, wenn ein anderer Hund bellt.

Vor allem aber können diese automatischen Vorrichtungen kein Alternativverhalten abrufen, sondern nur die Strafe verabreichen.

Die positive Strafe zur Festigung eines Abbruchsignals

Nachdem über die negative Strafe in Verbindung mit positiver Verstärkung ein Abbruchsignal eingeführt wurde, kann dieses auch unter Verwendung der positiven Strafe gefestigt und generalisiert werden. Natürlich nicht als Selbstzweck, sondern immer dann, wenn die Verwendung des Abbruchsignals notwendig ist, vom Hund aber nicht befolgt wird und dieser Ungehorsam nicht mit einer negativen, sondern mit einer positiven Strafe sanktioniert werden soll.

Natürlich kannst Du statt des Abbruchsignals auch ein alternatives Verhalten abrufen und entsprechenden Ungehorsam mit der Strafe belegen.

Einen kleinen und sicherlich nicht vollständigen Überblick, welche konkreten Situationen damit gemeint sein können und welche keinesfalls mit einer Strafe belegt werden sollten, findest Du im Folgenden.

Die positive Strafe zur Unterdrückung eines speziellen Verhaltens

Nun sollte klar sein, welche grundsätzlichen Voraussetzungen gegeben sein müssen, um die Anwendung der positiven Strafe in Betracht zu ziehen:

  1. Der Abruf eines Alternativverhaltens wurde mit positiver Verstärkung, also über Belohnung operant konditioniert, schrittweise generalisiert und mittels Verstärkerplänen, z. B. über die 300-Pick-Methode, so trainiert, dass es auf Entfernung und für einige Dauer abrufbar ist.
  2. Dennoch ist das Alternativverhalten in der einen speziellen Situation, die mit dem speziellen Auslöser (Kombination aus einem Hinweisreiz und einem positiv oder negativ belohnenden Verstärker) verbunden ist,
  3. der in der Umwelt vorhanden ist und von Dir nicht kontrolliert werden kann,
  4. aber aus Hundesicht einen unschlagbaren positiven Verstärker bietet,
  5. sodass im Vergleich dazu allen von Dir gebotenen belohnenden Verstärker verblassen und
  6. daher den Hund für Dich unkontrollierbar wird.
  7. Außerdem darf das Fehlverhalten keinesfalls ein negativ verstärktes Angst- oder Aggressionsverhalten sein.
  8. Über all das hast Du Sicherheit hergestellt, entweder, indem Du einen Trainer konsultiert hast oder nach bestem Wissen und Gewissen alles andere ausprobiert hast.

Eine Ausnahme dazu kann die Beißhemmung darstellen. Sollte diese trotz Anwendung der beschriebenen negative Strafe nicht zunehmen, kannst Du den beschriebene Schnauzgriff in Betracht ziehen, den Du dann aber nur für die Beißhemmung einsetzt. Genau wie bei der negativen Strafe kannst Du auch hier eine Schmerzäußerung wie „Au!“ und ein Abbruchsignal vortragen.

Klassiker, die man gerne unterbinden würde, sind das Wälzen in für uns übelriechenden Dingen wir Aas oder Kot, das Wegrennen des Hundes hin zu spaßversprechenden anderen Hunden, Wild, Joggern, Radfahrern oder anderen Passanten.

Nun solltest Du dafür sorgen, dass Du vorausschauend genug bist, die entsprechende Situation früh genug zu unterbinden, indem Du das Alternativverhalten abrufst. In Fällen, in denen Du das Zeitfenster verpasst hast, rufst Du Dein Abbruchsignal und löst unmittelbar danach den Strafreiz aus, den Du in Abhängigkeit von Entfernung und den weiteren oben genannten Kriterien aus den aufgelisteten Möglichkeiten auswählst und in der jeweils beschriebenen Art und Weise anwendest.

Damit haben wir alle Techniken, die sich aus Skinners Kontingenzschema ergeben, erläutert und mit Alltagsbeispielen unterlegt. Bleibt uns noch das Thema der modernen Trainingsmethoden und -programme, die wir uns im folgenden Block anschauen werden.

06

Die modernen Trainingsmethoden: Clicker-Training, Shaping, Chaining & Co

Die meisten modernen Trainingsmethoden stehen in enger Verbindung mit Skinners positiver Verstärkung oder positiver Konditionierung. Begriffe und Techniken wie Shaping oder Chaining gehen sogar auf ihn zurück, während andere sich später entwickelt haben. So scheint der Begriff des Klicker-Trainings heute als Oberbegriff den Begriff der positiven Konditionierung in der Hundeszene ersetzt zu haben.

Die Gemeinsamkeiten: Entspannte Atmosphäre durch viele Belohnungen im Training

Davon unabhängig eint alle Trainingsmethoden eines: nämlich der generelle Aufbau eines Trainingsprogramms, das auf positiver Verstärkung, angenehmen Trainingserfahrungen und damit auf Spaß am Training basiert. An diesem Ziel orientieren sich im Grunde alle modernen Trainingsmethoden, weshalb immer ein angenehmes Trainings-Ambiente geschaffen werden soll.

Schaffe das richtige Trainings-Ambiente für eine positive Trainingserfahrung

Aus den wissenschaftlichen Erkenntnissen und aus bewusster Selbstbeobachtung können wir ableiten, unter welchen Umständen wir selbst, aber auch unserer Hunde am besten lernen können. Folgende Faktoren spielen eine positive Rolle:

  • Mit Spaß am Training lernt es sich am besten. Spaß entsteht durch
  • viele Trainingserfolge und Erfolgserlebnisse, verkörpert durch
  • viel Lob und belohnende positive Verstärkung, verabreicht durch
  • einen auf Grund der Trainingsfortschritte seines Schützlings entspannten Trainer, der
  • den Hund nicht überfordert hinsichtlich
  • der Trainingsziele
  • der Trainingsumgebung und
  • der Trainingsdauer/Konzentrationsfähigkeit

Daher ist jede Trainingsmethode darauf ausgerichtet, dass der Hund in kleinen Schritten, die eine schnelle Abfolge von belohnten Trainingserfolgen ermöglichen, trainiert wird. Die Gesamtanforderung an die Übung wird gewissermaßen in kleinste Schritte und Kriterien eingeteilt, damit die Trainingsziele schnell erreicht und somit häufig gelobt, belohnt und verstärkt werden kann. Eine erste grobe Einteilung der Trainingsschritte in einen Trainingsplan kann folgendermaßen aussehen:

  • Verhalten aufbauen und mit einem Signal verknüpfen
  • Kriterium Dauer ausbauen
  • Kriterium Entfernung ausbauen
  • Resistenz des Verhaltens gegen Ablenkungen durch Generalisierung erhöhen

Trainiert werden sollte in zwei bis maximal drei Trainingseinheiten pro Tag, jeweils zu Zeiten, in denen Du als Trainer selbst entspannt und gut gelaunt bist. Denn es ist für das Ambiente wichtig, dass Du Deinem Hund gegenüber ruhig und freundlich eingestellt bist, wenn Du mit ihm trainierst. Ungeduld auf Deiner Seite und die damit verbundenen enttäuschten und vielleicht ins Aggressive abgleitenden Verhaltensweisen wirken diesem Klima entgegen, weil sie auf Seiten des Hundes Unsicherheit und Angst erzeugen können, die unbedingt zu vermeiden sind, weil wir wissen, dass Angst jede Leistung hemmt.

Deswegen ist Ungeduld ebenfalls zu vermeiden. Sie ergibt sich unter anderem daraus, dass die Erwartungshaltung bezüglich der Lernfortschritte zu groß ist. Daher ist es wichtig, dass Du das Trainingsziel auch innerhalb der oben genannten Teilschritte in möglichst kleine Teilschritte unterteilst: Sind sie zu klein gewählt, erreicht Dein Hund die Zwischenziele halt schneller als geplant, was zu einer hohen Frequenz an Belohnungen für ihn und zu Freude bei Dir führt. Beides trägt dann wieder zu einem gelösten Ambiente bei.

Ausschlaggebend ist auch die Konzentration des Hundes. Dein Hund sollte im Training deshalb keinen Durst aber Blase und Darm entleert haben. Der Trainingsort ist jeweils so zu wählen, dass die Ablenkungen an das Trainingsziel angepasst sind: Jeweils, wenn ein neues Kriterium konditioniert werden soll, wird in möglichst reizarmer Umgebung gestartet.

Da die Konzentrationsfähigkeit eines Hundes nicht länger als fünf bis maximal zehn Minuten währt, sollte die Dauer einer Trainingseinheit diese Werte nicht überschreiten. Dabei gilt als Faustregel: Je jünger der Hund, desto kürzer seine Konzentrationsfähigkeit. Allerdings entbindet Dich die Faustregel nicht davon, die Dauer der Einheit auf Deinen Hund anzupassen: Wenn Dein Hund nicht mehr auf Dich achtet oder sich Fehler häufen, ist das ein Zeichen, dass seine Konzentrationsfähigkeit abnimmt. Dann solltest Du die Trainingseinheit beenden.

Um eine positive Assoziation des Hundes mit dem Training zu fördern, sollte jede Trainingseinheit mit einem belohnten Erfolg für den Hund enden. Deshalb solltest Du immer versuchen, vor dem Ende seiner Konzentrationsfähigkeit zum Ende zu kommen. Solltest Du diese Grenze überschreiten, rufst Du einen schon gut trainierten und von Deinem Hund sicher beherrschten Trainingsinhalt ab. Das erlaubt Dir, das Training mit einem Erfolg zu beenden. Achte bei der nächsten Trainingseinheit aber darauf, sie etwas kürzer ausfallen zu lassen.

Das erste Ziel: Verhalten aufbauen und mit Signal verknüpfen

Egal, um welche Übung oder Verhaltensweise es sich handelt, der Hund soll zunächst lernen, dass sie von Dir gerne gesehen wird, weshalb sie durch Belohnung positiv verstärkt wird. Hierbei kommt es darauf an, dass die belohnende  Verstärkung innerhalb einer Sekunde ab dem Moment, da sie ausgeführt wurde, gegeben wird. Außerdem wird sie früh mit dem Hinweisreiz verknüpft, indem Du im Moment der Ausführung das Körpersignal zeigst und das Wortsignal aussprichst.

Natürlich kannst Du immer, wenn ein gewünschtes Verhalten in Alltagssituationen gezeigt wird, dieses Verhalten belohnend verstärken. Solltest Du diesen Schritt aber in einer expliziten Trainingseinheit mit einer der unten aufgeführten Trainingsmethoden gehen, sollte der Trainingsort möglichst reizarm gewählt sein, damit keine Ablenkungen die Konzentration Deines Hundes stören.

Nach einigen Trainingseinheiten beginnst Du damit, die Signale zu geben und zu überprüfen, ob das gewünschte Verhalten dann gezeigt wird. Ist das immer der Fall, ist das erste Zwischenziel erreicht und Du musst entscheiden, wie es nun weitergehen soll: Entweder eines der Kriterien in reizarmer Umgebung hinzufügen, oder auf Ablenkungen generalisieren.

Das Kriterium Dauer

Dieses Kriterium spielt vor allem bei Übungen eine Rolle, die mit einer einzunehmenden Position verbunden sind: Du willst, dass Dein Hund im Sitz oder Platz bleibt und nicht sofort wieder aufspringt.

Hierzu kannst Du in reizarmer Umgebung nach dem standardisierten Verstärkerplan der 300-Pick-Methode vorgehen, die auch in unseren in Kürze erscheinenenden Schritt-für-Schritt-Trainingsanleitungen "Platz II – Platz Bleib – die Zeit auf fünf Minuten steigern" und "Sitz II – Sitz Bleib – die Zeit auf fünf Minuten steigern" verwendet wird, vorgehen.

Es stellt eine Voraussetzung auch für die Erarbeitung des nächsten Kriteriums dar: Du kannst Dich nicht von Deinem abgelegten Hund entfernen, wenn der diese Position nicht eine Zeitlang hält.

Das Kriterium Entfernung

Das Kriterium Entfernung ist ein weitgefächertes. Denn einerseits kann damit bei Sitz, Platz oder dem Rückruf die Entfernung zwischen Dir und Deinem Hund im Moment der Signalgabe für ein bestimmtes Verhalten gemeint sein.

Im Fall von Sitz oder Platz kann damit auch die Entfernung gemeint sein, die Du Dich von Deinem in Position bleibenden Hund entfernen kannst, bevor Du ihn entweder abrufst oder zu ihm zurückkehrst.

Im Falle von Bei-Fußgehen ist aber die Entfernung gemeint, die ihr gemeinsam in dieser Position zurücklegt.

Wichtig ist, dass jede Auslegung des Begriffs ein einzelnes Kriterium darstellt. Der Art betrachtet, ist Sitz und Platz gar nicht mehr so einfach, wie es zu Beginn aussieht: Das Kriterium Entfernung beinhaltet eigentlich zwei Kriterien für diese Übungen, für die es ebenfalls Lernkarten gibt. Und beide sind einzeln erst in reizarmer Umgebung ganz behutsam zu steigern, bevor sie generalisiert werden können.

Auch das Kombinieren einzelner Kriterien sollte erst in reizarmer Umgebung erfolgen, beispielsweise wenn Du Deinen Hund aus einiger Entfernung ins Sitz bringen willst, um Dich dann noch weiter zu entfernen.

Das Klicker-Training – vom punktgenauen Belohnen zur Trainingsphilosophie

Wieso wird ein Klicker als belohnender Verstärker eingesetzt und wie konnte eine Technik, die nur den Vorgang des Verstärkens erleichtern sollte, sich zum Synonym für Free-Shaping entwickeln?

Wieso wird ein Geräusch als Belohnung eingesetzt?

Die Wissenschaftsgeschichte zeigt, dass die positive Verstärkung dadurch definiert ist, dass als Folge einer Handlung oder eines Verhaltens ein angenehmer Reiz erfolgt, der eine bedürfnisreduzierende Handlung ermöglicht. Häufig stellt der Zugang zu Futter diesen angenehmen Reiz und Hunger oder wenigstens Appetit das Bedürfnis dar, welches durch die Handlung des Fressens reduziert wird. So war es schon in Skinners anfänglichen Experimenten, auch wenn für Skinner das Bedürfnis keine Rolle spielte. Allerdings war seine Skinner-Box so eingestellt, dass sie ohne Zeitverzögerung Futter ausgab, wenn das gewünschte Verhalten gezeigt wurde.

In der weiteren Wissenschaftsgeschichte wurden Experimente durchgeführt, die die Wichtigkeit der zeitlichen Nähe  zwischen einem Verhalten und der Konsequenz für die Konditionierungs- oder Lerngeschwindigkeit nachweisen sollten. Dabei kam heraus, dass sowohl Hunde als auch andere Tiere und sogar der Mensch selbst den Zusammenhang dann sehr schnell erkennen, wenn zwischen einem Verhalten und der Konsequenz weniger als 1 Sekunde liegt. Steigt die Zeit darüber hinaus, nimmt der Trainingserfolg überproportional ab, weil nicht so schnell klar wird, welche Handlung genau die angenehmen Folgen verursacht hat.

Nun fällt aber dem geneigten Hundehalter genau dieses exakte Timing schwer: Entweder ist das Futter in der Tasche und es dauert, bis das Zeug endlich hervorgekramt ist. Oder die Leckerchen sind schon in der Hand, der Hund aber einige Meter weit weg, wenn er ein Signal wunschgemäß umsetzt und sich beispielsweise hinsetzt. In diesen und vielen weiteren Fällen dauert es deutlich länger als eine Sekunde, bis das Leckerchen vor der Hundeschnauze landet und verspeist werden kann.

Viel schneller ginge es ja, den Hund einfach mit der Stimme oder einem anderen Geräusch zu loben und so das gewünschte Verhalten zeitlich exakt zu markieren oder zu markern, wie man heute sagt. Aber was nutzen einen Hund gute Worte oder Geräusche, für die er sich auch nix kaufen kann? Davon wird Hund schließlich nicht satt.

Der Ursprung des Klickers: Der Marker, für den Hund Essen kaufen kann

Die Lösung für dieses Problem liegt also im Markern. Gemeint ist damit, dass das gewünschte Verhalten nicht mit Futter, sondern einem anderen, möglichst einem akustischen Reiz markiert wird. Dazu bietet es sich an, ein bestimmtes Wort oder Geräusch zu benutzen. In beiden Fällen stellt sich aber die Frage, wieso ein Hund ein Wort oder ein Geräusch als angenehmen Reiz empfinden sollte, schließlich gibt es keine Geräusche, die irgendeines seiner Bedürfnisse minimieren könnten.

Das ist die Stelle, an der sich einige Profi-Tiertrainer an Pawlows klassische Konditionierung erinnerten, die ja ihren Ursprung in Hunden hatte, die sabberten, wenn sie das Fußgetrappel ihres Wärters hörten. Wie hatte es dieser Pawlow noch gleich geschafft, für Hunde völlig unbedeutende Geräusche gleichbedeutend mit Futter zu machen? Ah ja, indem er das Geräusch immer wieder vor und während der Futtergabe ertönen ließ.

Und so machen wir es heute noch: Wir sagen unser Marker- oder Lobwort oder lassen den Clicker ertönen und füttern dann dem Hund eine kleine Menge Futter aus der Hand. Die Futtermenge ist dabei so klein, sodass wir das ganze einige Male hintereinander wiederholen können. Das machen wir ein paarmal am Tag ein paar Tage lang und dann spätestens sind die beiden Reize verknüpft: Das unbedeutende Geräusch aus Deinem Mund oder Deinem Knackfrosch wird für Deinen Hund zum Hinweisreiz auf Futter und wird damit zu einem angenehmen Reiz im Sinne der positiven Verstärkung.

Wichtig ist nun nur, dass dem Geräusch auch häufig, manche sagen: immer etwas Fressbares folgt, sonst kommt es zur Löschung dieser für uns so wichtigen Reiz-Reiz-Verbindung, auf die wir unseren Hund konditioniert haben.

Lob besser durch Markerwort oder Klicker?

Bisher ist klar: Wir werden ein akustisches Signal für unsere Hund über die klassische Konditionierung mit soviel Bedeutung aufladen, dass er die dem Geräusch vorausgehende Handlung häufiger zeigen wird, weil er das Geräusch so super findet und ihm immer etwas Leckeres im Fang folgt.

Nun stellt sich aber die Frage, ob es besser ist, ein solches Geräusch mit dem eigenen Mund oder einem Hilfsmittel wie dem Klicker zu erzeugen. Für beides gibt es Argumente.

So wird gesagt, dass der Klicker ein emotionsloses Geräusch verursacht, das für den Hund immer gleich klingt. Das stimmt zweifelsohne. Der tiefere Vorteil läge darin, dass so etwaige emotionale Schwankungen, die über Deine Stimme weitergegeben werden könnten, ausgeklammert würden. So herrsche eine immer gleiche und der Lernfähigkeit des Hundes zuträgliche entspanntere Stimmung.

Das kann man wohl in Frage stellen, wenn man bedenkt, dass Dein Hund Dich optisch bis ins Kleinste wahrnimmt und sicherlich anhand Deiner Bewegungen und Mimik auf Deine Stimmung schließen kann. Außerdem habe ich noch nirgends gelesen, dass beim Klickern die Stimme bei der Signalgebung keine Rolle spielt, sondern nur über Gestik ein Sitz verlangt wird. Und so überträgt sich Deine Stimmung also trotz Clicker immer noch auf Deinen Hund.

Ein anderes Argument für den Klicker ist, dass das von ihm verursachte Geräusch recht individuell ist und in der Umwelt nur in ähnlicher Weise vorkommt, wenn viele Hundehalter mit demselben Klicker gemeinsam mit ihren Hunden trainieren. Daher wird kein (Fehl)Verhalten des Hundes versehentlich aus der Umwelt verstärkt, weil irgendjemand dasselbe Wort benutzt, das Du als Marker auserkoren hast.

Andererseits könnte man argumentieren, dass es doch nur darum geht, mit möglichst wenig Zeitverzug ein Signal der Bestätigung zu geben, weil wir nicht schnell genug an das Futter kommen. Ob da die richtige Antwort ist, statt des Futters einen Klicker hervorzukramen oder ständig in der Hand zu halten? Was haben wir denn bitte schneller benutzt, als unseren Mund? Wenn Du nun die Emotionen minimieren möchtest kannst Du immer noch mit der Zunge schnalzen. Das zahlt auch auf die Unverwechselbarkeit ein: Jeder Mensch wird individuell mit der Zunge schnalzen. Um ein möglichst unverwechselbares Markersignal zu verwenden, könntest Du auch etwas mehr Zeit in die Wortwahl invsetieren: Suche Dir ein Wort, das Du für Dich mit Lob assoziierst, das Du und andere aber selten in der Alltagssprache benutzt und konditioniere Deinen Hund darauf.

Vielleicht ist diese Diskussion, die ich vielleicht nicht in allen Argumenten ausgeführt, weil nicht begriffen habe, der Grund, warum mittlerweile der Klicker eine weit größere Bedeutung erlangt zu haben scheint: Warum heute jeder von Klickertraining spricht, obwohl nur ein sehr praktisches Hilfsmittel zu zeitpunktgenauen positiven Verstärkung gesucht war, ist mir selbst nach der Recherche für diesen Artikel nicht klar. Allerdings liegt die Vermutung nahe, dass der Clicker primär bei Anhängern des unten beschriebenen Free-Shapings verwendet und daher auch als Clicker-Training bezeichnet wird.

Wichtig für den Erfolg: Vor dem Hundetraining das richtige Timing üben

Wenn wir zur Verbesserung des Timings auf einen Klicker oder ein Markerwort zurückgreifen, statt Zeit beim Hervorholen der Leckerchen auf der Straße liegen zu lassen, weil wir festgestellt haben, dass eine zeitliche Verzögerung von mehr als einer Sekunde unseren Trainingserfolg gefährdet, ergibt sich daraus, dass Du vor Trainingsbeginn mit dem Hund selber trainieren solltest: Nämlich das Erkennen des gewünschten Verhaltens und das umgehende Markieren desselben.

Im Folgenden werden wir uns mit unterschiedlichen Ansätzen und Methoden beschäftigen, die sich dadurch unterscheiden, welches Verhalten oder Verhaltensteile wann zu erkennen und zu verstärken sind. Dadurch sind von Dir jeweils andere Fähigkeiten gefordert, die jeweils anders ausgebildet werden können.

Capturing – modernes Wort für die älteste Methode

Das Wort Capturing kommt aus dem Englischen und bedeutet einfangen. Bezogen auf die Verhaltensformung des Hundes sollen also die Verhalten „eingefangen“ werden, die Dir wünschenswert erscheinen. Beim Capturing sollst Du also jedes zufällig gezeigte aber Dir gefällige Verhalten mit einem Klicker markieren. Wir wissen ja nun, dass Du nicht mit dem Klicker markieren musst. Wenn Du schnell genug bist, kannst Du auch mit Futter oder sonstigem belohnend verstärken oder ein konditioniertes Lobwort oder Zungenschnalzen markieren.

Im Grunde passiert aber genau das, was Skinner in seinen ersten Versuchen getan hat: Pickt die Taube zufällig auf den Schalter, wird der Futtermechanismus ausgelöst. Skinner hat das damals zu lange gedauert, was aber daran lag, dass es nur eine einzige Verhaltensweise gab, die die Taube „lernen“ sollte. Er entwickelte daraufhin das unten behandelte Shaping.

Anwendungsbeispiele für Capturing

Bei Dir liegt der Fall anders als bei Skinner, vor allem, wenn Du einen Welpen hast oder Dein schon älterer Hund ganz neu in der Familie ist: Der soll nämlich nicht eine einzige, sondern ein ganzes Bündel von Dir genehmen Verhaltensweisen öfter zeigen. Und das stellt uns alle vor ein Problem: Was von den ganzen Dingen soll man mit dem Welpen zuerst trainieren? Natürlich haben wir in unseren bald erscheinenden Schrtt-für-Schritt-Lernkarten dazu eine Idee entwickelt, aber der dort dargestellte Fahrplan stellt Dich dennoch ständig vor Entscheidungen: Entweder kannst Du ein Verhalten weiter generalisieren oder ein anderes beginnen aufzubauen.

Vor diesem Hintergrund erscheint es sinnvoll, den jungen Hund auch dann zu bestätigen, wenn er ohne Kommando ein wünschenswertes Verhalten zeigt, damit er schon früh die Möglichkeit hat zu erkennen, welche zu den lohnenden Verhaltensweisen zählen. Das werden natürlich nur Verhaltensweisen sein, die ein Hund grundsätzlich hin und wieder zeigt und somit zu seinem natürlichen Verhaltensrepertoire gehören.

Sinnvoll ist daher die Verwendung von Capturing vor allem, wenn es darum geht, ein Verhalten über ein Signal abrufbar zu machen, welches Dein Hund zwar von sich aus hin und wieder zeigt, das aber von Dir nicht herbeiführbar ist.

Beispiele hierfür wären das Bellen, Schütteln oder Gähnen auf Kommando: Hin und wieder zeigt Dein Hund diese Verhaltensweisen. Wenn Du sie immer markierst und belohnst, wird er sie häufiger zeigen.

Über Capturing kann aber auch, wie wir im Abschnitt über Target-Training sehen werden, ein Nasen- oder auch ein Pfotentarget aufgebaut werden.

Auch in verhaltenstherapeutischer Hinsicht scheint Capturing ein adäquates Mittel zu sein. Hast Du ein spezielles Problem mit Deinem Hund, beispielsweise häufiges Bellen oder ein großes Maß an Unruhe, sollte es wohl dennoch immer Momente geben, in denen er gerade mal nicht bellt oder müde und daher ruhiger als sonst ist. Das wären dann die Momente, die Du mit hochwertigen Verstärkern wie besonderem Futter (Fleischwurst, Käse, Leberwurst, oder was auch immer) ganz besonders förderst, indem Du sie ihm am Ort der Ruhe mit derselben vor die Schnauze hältst.

Wie stellt man dabei Signalkontrolle her?

Ein Signal wird erstmal bei allen Übungen nicht verwendet, sondern es zunächst darum, dass der Hund ein spezielles (z. B. Bellen) oder mehrere Verhaltensweisen (wenn Du ihm zeigen willst, welche Verhaltensweisen generell von Dir gewünscht sind) öfter zeigt. Klar sollte sein, dass die Konzentration auf eine Verhaltensweise den Gesamtvorgang für diese beschleunigt: Belohnung gibt es eben nur für die eine einzige Verhaltensweise, die dadurch besonders lohnend und hervorstechend für Dein Tier wird. Generell kann das Vorgehen so aussehen:

  • Macht der Hund von sich aus Sitz/Bellen/Strecken, markierst und belohnst das Verhalten immer.
  • Merkst Du, dass er das Verhalten nun öfter macht, führst Du ein Signal ein, indem Du dieses immer vor der Markierung und Belohnung sagst.
  • Nachdem Du so einige Tage verfahren bist, prüfst Du, ob Dein Hund das Signal schon mit dem Verhalten verknüpft hat, indem Du das Signal mehrfach gibst
  • Nur, wenn er mehrfach auf Dein Signal hin das Verhalten zeigt, stellst Du die Belohnung um: Das Verhalten wird nur noch dann mit einer Belohnung markiert, wenn Du vorher das entsprechende Signal gegeben hast. So stellst Du das eingefangene Verhalten dann unter die sogenannte Signalkontrolle.

Wichtig für den Erfolg: Vor dem Hundetraining das richtige Timing üben

Um das richtige Timing zu üben, kannst Du das Bestätigen mit einem anderen Familienmitglied oder Freunden üben.

Da es beim Capturing darum geht, zufällig im Alltag gezeigtes Verhalten zu bestätigen, solltest Du Dir eine Liste der Verhaltensweisen erstellen, die Du bestätigen möchtest. Das gilt sowohl für das Training als auch für die spätere Arbeit mit dem Hund.

Nun kannst Du einen Menschen bitten, mit Dir einige Zeit zu üben. Er soll sich dabei so verhalten, wie er es gewöhnlich tut. Daher sollte Deine Liste mit den zu bestätigenden Verhaltensweisen auf diesen Menschen abgestimmt sein: Wähle Verhaltensweisen aus, die er auch tatsächlich hin und wieder zeigt. Erkläre ihm, dass Du das wünschenswerte Verhalten klicken oder sonst markieren wirst und er diejenige Verhaltensweise, die Du markiert hast, wiederholen soll. Logisch, dass Du ihm nicht sagst, welche Verhaltensweisen das sind, denn das tust Du ja über den Klicker oder das Markerwort oder -geräusch.

In Frage kommende Verhaltensweisen können sein:

  • Sich hinsetzen (wenn er steht)
  • Sich hinstellen (wenn er sitzt oder liegt)
  • Einen bestimmten Gegenstand greifen
  • Sich kratzen

Wenn Du einige Male geklickt hast, fragst Du, welche Verhaltensweise Dein Hundeersatz als markiert erkannt hat. Je höher die Übereinstimmung, desto besser bist Du. Oder Du klickst so lange, bis er die gewünschte Verhaltensweise zeigt.

Als Steigerung kannst Du mit demselben Menschen üben, ohne, dass er weiß, dass nun geübt wird: In einer Alltagssituation, in der Du mit ihm über Gott und Welt redest oder sonst was tust. Warum: Weil das Caputring keine Methode ist, die nur in Trainingszeiten angewendet werden soll. Vielmehr soll das gewünschte Verhalten immer, also auch im Alltag, verstärkt werden. Das setzt voraus, dass Du auch unter den Ablenkungen des Alltags noch fähig bist, das von Dir gewünschte Verhalten zu markieren.

Shaping – Verhaltensformung ist das zentrale Element des Klicker-Trainings

Auch das Shaping geht schon auf die Versuche Skinners zurück und stellt bei ihm eine Weiterentwicklung dar. Zu Anfang wartete Skinner darauf, dass seine Versuchstiere zufällig das richtige Verhalten, nämlich das Picken auf einen Schalter, zeigten. Er stellte fest, dass das teilweise sehr lange dauerte und suchte nach einer Möglichkeit, diesen Vorgang zu beschleunigen und erfand dabei das Shaping, also das Formen eines Verhaltens.

Hierbei geht es darum, dass nicht erst die vollständige Handlung verstärkt wird, sondern schon jeder minimale Schritt in die richtige Richtung. Wichtig dabei ist, dass Du dem Hund keine weiteren Signale gibst, außer der Markierung des gewünschten Teilschrittes: Keine Handzeichen, kein Anfassen und Führen, nichts dergleichen.

Da also die Möglichkeiten, dem Hund klarzumachen, was Du von ihm willst, sehr eingeschränkt sind, kommt es sehr darauf an, dass Du zeitlich sehr exakt verstärkst, was Du vor Trainingsbeginn üben solltest und was tatsächlich nicht mit einem Lobwort klappt: Du brauchst einen kurzen, prägnanten Klang, sodass nur noch der Clicker oder das Zungenschnalzen übrig bleiben.

Wichtig für den Erfolg: Vor dem Hundetraining das richtige Timing üben

Wenn Du mit Deinem Hund nur über die Bestätigung kommunizierst, ihm also nur über einen Klicker mit anschließender Belohnung zeigst, was er richtig gemacht hat, ist es besonders wichtig, dass dem markierenden Geräusch, das die Bestätigung anzeigt, eine möglichst hohe Aussagekraft für den Hund innewohnt.

Diese Aussagekraft wird vor allem von zwei Faktoren bestimmt. Einerseits der zeitlichen Nähe zwischen Verhalten und Marker, die bei maximal 1 Sekunde liegen sollte. Andererseits bei der Konsequenz: Das gewünschte Verhalten muss tatsächlich bis es gefestigt ist immer markiert und belohnt werden.

Um das richtige Timing und die Konsequenz vor der ersten Shaping-Trainingseinheit zu üben, kannst Du einige Male das richtige Klicken mit anderen Menschen üben. Im Grunde ähnelt das Free Shaping dem Kinderspiel, bei dem das Kind etwas sucht und nur über die Hinweise heiß und kalt gesteuert wird.

Entsprechend kannst Du Dir eine Aufgabe für ein Familienmitglied überlegen und es in Teilschritte unterteilen. Dann bittest Du besagten Menschen, sich im Raum zu bewegen und klickst oder markierst immer dann, wenn er sich in die richtige Richtung bewegt. Die Aufgaben, die Du Dir ausdenkst, können von leicht bis schwer reichen: Zu Anfang soll vielleicht einfach nur ein bestimmter Ort im Zimmer aufgesucht werden. Oder ein Gegenstand von A nach B gebracht werden. Steht der Gegenstand alleine, ist das sicher einfacher, als wenn es sich um einen ganz speziellen unter mehreren handelt, der aus einem Schrank zu holen wäre oder gar noch mit einem Lebensmittel zu befüllen und zu Dir zu bringen wäre.

Grundsätzliche Vorbereitungen: Teile das Verhalten in Schritte ein

Um ein Verhalten schrittweise aufzubauen, einzig, indem jeder noch so kleine Teilschritt in die richtige Richtung verstärkt wird, ist es wichtig, dass Du Dir im Vorfeld Gedanken darüber machst, wie diese Teilschritte aussehen, damit Du diese im Training erkennst und markieren kannst.

Hier gilt die Devise, dass die Teilschritte lieber zu klein als zu große sein sollten: Je kleiner, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie gezeigt und damit auch markiert und verstärkt werden können. Durch häufige Verstärkungen und Belohnungen macht das Training Deinem Hund deutlich mehr Spaß.

Konkret bedeutet das, dass selbst eine Augen- oder Kopfdrehung in die Richtung, in die Dein Hund beispielsweise gehen soll, schon bestätigt werden soll. Oder, soll er sich beispielsweise mit dem Hinterteil um die Vorderpfoten drehen, schon das Zucken oder Anheben eines Hinterlaufs.

Hier wird klar, dass es mit einem Wort nicht getan ist und dass es tatsächlich auf Deine Reaktionsgeschwindigkeit ankommt: Wie willst Du ein bestimmtes, sprichwörtlich nur Augenblicke dauerndes Zucken mit etwas verstärken, das dreimal so lange wie das Zucken dauert?

Beispiel: Sitz auf Deinem Platz mit Shaping trainieren

Soll Dein Hund beispielsweise nicht nur Sitz machen, sondern Sitz an einem bestimmten Platz, stellst Du Dich irgendwohin und wartest ab. Dreht Dein Hund sich oder auch nur seinen Kopf minimal in Richtung dieses Platzes, markierst Du dieses Verhalten. Wahrscheinlich wird er es unterbrechen und sich Dir zuwenden, wenn er den Marker vernimmt. Dann erhält er auch sein Futter. Danach wartest Du wieder ab, bis er sich wieder leicht dem Platz zuwendet und klickerst wieder. Das machst Du so lange, bis Dein Hund nach der Belohnung sofort das bisher verstärkte Verhalten zeigt und den Kopf oder sich dem Platz zudreht.

Nun verstärkst Du aber nicht, sondern wartest, bis er den nächsten Teilschritt gemacht hat: Drehte er bisher nur den Kopf, wartest Du, bis er seinen Körper auch dorthin dreht. Drehte er sich dem Platz schon mit dem Körper zu, wartest Du auf den ersten Schritt in Richtung des Platzes oder wenigstens darauf, dass er die Pfote hebt und verfährst weiter so, wie schon beschrieben. Erst, wenn er nach Erhalt des Futters sich sofort umdreht und losläuft, wartest Du wieder mit der Verstärkung, damit Dein Hund neue Verhaltensmöglichkeiten zeigt, von denen Du dann die richtige wieder klickst. So verfährst Du, bis Dein Hund zu dem von Dir gewünschten Platz geht und dort die von Dir gewünschte Position einnimmt.

Erst, wenn Dein Hund nun nach einer Belohnung sofort zu dem Platz geht und seine Position einnimmt, beginnst Du, ein Signal wie „Sitz auf Deinem Platz“ einzuführen. Ähnlich, wie schon für das Caputring beschrieben, musst Du Deinen Hund die ganze Prozedur nun einige Male zeigen lassen und das entsprechende Signal geben, sobald er Anstalten macht, zu seinem Platz zu gehen.

Wenn Ihr das so einige Trainingseinheiten lang gemacht habt, prüfst Du, ob Dein Signal und sein Verhalten schon verknüpft sind. Geht er auf Dein „Sitz auf Deinem Platz“ tatsächlich zu dem Platz und macht Sitz, wird er wieder belohnt, denn nun hast Du die Signalkontrolle erreicht. Daher wird er nun nur noch dann für das Verhalten verstärkt, wenn Du es Mittels Signal abgerufen hast.

Was Shaping für den Hund bedeutet

Man sagt, dass das Training über Shaping für Hund einerseits sehr anstrengend ist und anfangs nur langsame Fortschritte bringt, aber andererseits langfristig ihre Kreativität und die Lerngeschwindigkeit überproportional fördert.

Die Tatsache, dass Du Deinem Hund, anders als beispielsweise beim Targettraining, keine Hilfe gibst, außer eben die zeitgenaue Bestätigung richtigen Verhaltens, macht diese Art des Trainings für den Hund besonders anstrengend, da er selbst Verhalten ausprobieren und vorschlagen muss. Die mentale Anstrengung lässt den Hund entsprechend schnell ermüden, sodass die Trainingseinheiten im Shaping meist kürzer ausfallen als bei anderen Trainingsmethoden.

Hieran muss sich ein Hund erstmal gewöhnen. Daher kommt es gerade zu Beginn darauf an, auch die kleinsten Schritte des Hundes in die richtige Richtung mit zu markieren und zu belohnen, damit der Hund viele Erfolgserlebnisse hat. Dies soll einerseits verhindern, dass die Frustration des Tieres zu sehr ansteigt, wodurch die Motivation abnähme. Andererseits wird der Hund so schneller das Grundprinzip erkennen und auf Basis der zuletzt verstärkten Verhaltensweisen anknüpfende Verhaltensweisen anbieten.

Langfristig führt Klicker Training dazu, dass Hund kreativer mit Situationen umgeht und diverse Verhaltensweisen ausprobiert, um deren Konsequenzen zu prüfen. Das wiederum führt dazu, dass die Trainingszeit sehr effizient ist und in großer Geschwindigkeit neue Verhaltensweisen konditioniert werden können.

Weil der Hund bei dieser Trainingsmethode die Freiheit hat, für jeden Teilschritt das passende Verhalten selbst zu finden, wird diese Methode heute auch Free Shaping genannt.

Chaining – Verhaltensverkettung für das Training komplexer Übungen

Genau wie Shaping, ist auch Chaining eine Erfindung von Herrn Skinner. Er verwendete Chaining dazu, komplexere Verhaltensketten aus entweder schon im Repertoire enthaltenen oder über Shaping konditionierte Verhaltensweisen zusammenzufügen, woher auch der Begriff rührt: Chaining bedeutet verketten.

In der Praxis ist die Unterscheidung zwischen Shaping und Chaining anhand der Komplexität des Verhaltens aber nicht so einfach, vor allem, weil es erfahrenen Shaping-Teams möglich ist, auch komplexeste Verhaltensweisen unter ausschließlicher Verwendung des Free Shapings zu konditionieren.

Trainer, die mit anderen Trainingsmethoden die Einzelkomponenten der Verhaltenskette konditionieren, nutzen das Chaining tatsächlich, um aus den Komponenten anschließend komplexes Verhalten, wie das korrekte Apportieren, das aus Sitz, Suchen, Aufnehmen, zurückbringen, Sitz und Übergabe besteht, zusammenzusetzen.

Jedes Glied dieser Kette ist nicht nur ein Verhalten, sondern erfüllt für die anderen Kettenglieder auch verhaltenspsychologische Zwecke. So dient der Abschluss des jeweils vorangehenden Verhaltens als Hinweisreiz, das nächste Verhalten der Kette auszuführen und das jeweils nächste Verhalten dient als sekundärer Verstärker für das Vorangegangene. Der Grund hierfür liegt darin, dass nach dem letzten Teilverhalten, im Fall des Apportierens also nach der Übergabe des Apportels an Dich, die gesamte Verhaltenskette durch einen Primärverstärker, beispielsweise mit einem Leckerchen, belohnt wird. Jedes Kettenglied bringt Deinen Hund diesem Ziel näher und dient daher als Verstärker für den Vorgänger und als Auslöser für den Nachfolger.

Grundsätzlich kann man die Verkettung vom letzten Kettenglied aus beginnen. In dem Fall wird von Backward Chaining oder Rückwärtsverkettung gesprochen. Diese Variante ist heute im Hundetraining gebräuchlicher als die Vorwärtsverkettung bzw. das Forward Chaining, das dem Shaping ähnelt: Hier liegt der Unterschied in Feinheiten und vor allem in der Komplexität des zu konditionierenden Gesamtverhaltens.

Beispiele für das Backward Chaining

Das oft genannte Beispiel für Chaining ist Apportieren nach festen Regeln. Egal, ob Du dies mit Deinem Hund übst um mit ihm zu jagen oder aus Sportsgeist zur Teilnahme an Dummytraining-Tournieren oder Prüfungen anderen Hundesportarten, die Apportieren enthalten oder einfach nur aus Spaß an der Lust: Der Apportiervorgang sollte möglichst nach Deinen Regeln ablaufen, damit nicht am Ende Du den Dummy selbst holen oder gar von Deinem Hund zurückerobern musst. Das kann zwar auch mit anderen Methoden trainiert werden, aber hier möchten wir ja in groben Schritten die Rückwärtsverkettung erklären.

Damit Du Deinem Hund das Apportel nicht abjagen musst, trainierst Du zunächst die Übergabe vom Hund an Dich. Von den vielen möglichen Gegenständen, die als Apportel dienen können, bieten sich für das Training vor allem Futterdummies an, da Dein Hund an diesem schnell ein Interesse entwickelt, das Du zusätzlich fördern kannst, indem Du ihn für andere gewünschte Verhaltensweisen aus dem Beutel heraus belohnst, sodass er erkennt: Da sind die leckeren Sachen drin.

Ist ein großes Interesse an dem Beutel erkennbar, übergibst Du ihn ihm, indem Du den Dummy auf der Handfläche vor seinen Fang führst, damit er ihn dort übernehmen kann. Sobald er ihn aufnimmt, sagst Du ein Signalwort, das später den Start der gesamten Verhaltenskette auslösen wird, beispielsweise „Apport“. Läuft Dein Hund mit der Beute weg, sollte er normalerweise ohne Deine Hilfe nicht an das Futter gelangen, sodass er schnell begreifen wird, dass er Dir den Beutel überlassen muss, damit Du ihm Futter geben kannst. Auf dieser Erkenntnis aufbauend konditionierst Du schrittweise die Übergabe. Sicherlich wird er zunächst einfach vom Beutel ablassen und ihn Dich nehmen lassen. Von dort aus solltest Du dahin kommen, dass Dein Hund mit dem Beutel bei Dir bleibt. Dann kannst Du den korrekten Ablauf üben: Du hältst ihm den Dummy auf der offenen Hand liegend vor den Fang, sagst Dein Signalwort und er nimmt den Beutel auf. Dann ziehst Du die Hand weg, um sie kurz darauf wieder unter seinen Fang zu halten, damit er den Dummy auf Dein Signalwort für die Übergabe hin auf der Hand ablegt. Das wird belohnt. Wenn er den Dummy auf die Erde legt, wird es nicht belohnt. Klappt das, steigerst Du langsam die Zeit, in der er den Dummy im Fang halten soll.

Wenn Dein Hund den Futterbeutel einige Zeit im Fang hält, ohne ihn auf den Boden zu werfen und ihn Dir immer schön in die Hand legt, ist es an der Zeit, den vorletzten Schritt vorzuschalten: Die von Dir gewünschte Position des Hundes bei der Übergabe. Hier bietet es sich an, wenn der Hund vor Dir sitzt, was Du separat schon konditioniert haben solltest, sodass auch dieses Verhalten schon im Repertoire Deines Hundes enthalten ist. Du hältst nun den Futterdummy gut sichtbar in der Hand und bringst Deinen Hund in die gewünschte Position. Nun übst Du wieder den Tausch, aber nur noch dann, wenn er in der gewünschten Position verharrt: Diese Position ist Voraussetzung für das Tauschspiel, an dessen Ende ein Leckerchen steht. Dadurch wird das Tauschspiel zum sekundären Verstärker für die Sitzposition und die Sitzposition zum Startsignal für das Tauschspiel. Hat Dein Hund das verinnerlicht, kommt das nächste Kettenglied: Das Holen des Dummies.

Dazu änderst Du einfach den Ablauf der Übung: Statt ihm das Dummy vor die Schnauze zu halten, legst Du es zwischen Dich und Deinem vor Dir sitzenden Hund. Das schon eingeführte Signalwort zur Aufnahme des Dummies wird solange zeitgleich gegeben, bis die Übung auch auf diese Weise zuverlässig klappt. Dann beginnst Du an der Zeitspanne zwischen Ablegen des Dummies und dem Kommando zu arbeiten, indem Du diese sekundenweise steigerst und die Übung abbrichst, beispielsweise indem Du sofort ein paar Schritte rückwärts weg von Deinem Hund gehst, sobald er seinen Kopf ohne Kommando in Richtung des Dummies bewegt. Unterbricht er daraufhin diese Bewegung, wechselst Du sofort und gehst zurück, um nun das Kommando zu geben. Das Weggehen wäre in dem Fall eine Form der negativen Strafe, das Zurückkommen eine positive Verstärkung.

Wenn Dein Hund irgendwann einige Zeit vor dem Apportel sitzen bleiben kann und erst auf Dein Kommando hin die Verhaltenskette in Gang gesetzt wird, steigerst Du die Distanz:  Du lässt Deinen Hund in der Sitzposition zurück und gehst mit dem Futterdummy einige Schritte zurück, um dann den Beutel vor Deine Füße zu legen. Nun gibst Du das Kommando zum Aufnehmen. Der Hund wird dann sicher zu Dir kommen, worauf die bisher erlernte Kette folgt. Wenn das sicher klappt, änderst Du den Ablauf, indem Du den Dummy irgendwohin bringst, dort ablegst, zu Deinem Hund gehst und ihn von dort aus losschickst. Wenn das auch klappt, steht die Verhaltenskette und Du kannst beginnen, das Dummy zu werfen.

Neben dieser umfänglichen Verhaltenskette gibt es aber eine Menge anderer, einfacherer Verhaltensketten, die wir im Alltag viel häufiger verwenden. Da wäre beispielsweise die korrekte Freifolge, bei der der Hund an Deinem Knie läuft und sich immer dann hinsetzt, wenn Du Dich nicht bewegst. Hier ist die Kette: Sitz am Knie, laufen am Knie, sitz am Knie.

Ein anderes Beispiel ist das schon im Absatz zum Shaping beschriebene Sitz auf Deinem Platz, welches zwei Kettenglieder enthält, nämlich die Bewegung zum Platz und Sitz.

Gerade an diesen einfachen Beispielen zeigt sich, dass die Grenzen zwischen Verhaltensketten, die über Shaping und denen, die über Chaining erzeugt werden können, schwimmend sind.

Wie unbewusstes Backward Chaining Fehlverhalten stärken kann

Wünschenswert wäre, dass Chaining nur funktionieren würde, wenn wir es bewusst anwenden. Leider ist dem aber nicht so. Gehen wir mal davon aus, dass ein Hund gut an der Leine läuft, aber nicht weiter von seinem Menschen beachtet wird. Immer, wenn er die Leine strafft, bekommt er von seinem Menschen ein erneutes Signal, wieder an der lockeren Leine oder gar bei Fuß zu gehen. Befolgt er das, wird er für das Zurückkehren verstärkt mit Lobwort und Futter.

In dieser Konstellation kann ein Hund durchaus auf die Idee kommen, dass er nur Futter bekommt, wenn er in die Fußposition zurückkehrt. Voraussetzung für die Rückkehr ist aber, die Leine zu straffen. Würde der Hund dies so erkennen und umsetzen, wäre das die sehr erfolgreiche, aber leider ungewollte Konditionierung einer Verhaltenskette.

Wir wissen, dass Konditionierung über Wiederholungen funktioniert und könnten uns daher denken, dass ein unfreiwilliges Chaining nicht beim ersten Mal passiert, wenn eine erfolgreiche Korrektur verstärkt wird. Aber es ist daher wichtig, den Hund vor allem dann zu loben und zu verstärkend zu belohnen, wenn er noch keinen zu korrigierenden Fehler begangen hat.

Über den Ansatz des Lockens zum Targettraining

Im klassischen Hundetraining werden Übungen wie Sitz, Platz oder die Freifolge gerne über die Technik des Lockens konditioniert. Schauen wir uns zunächst an, was damit gemeint ist.

Die Lock-Technik

Die Grundidee beim Locken ist, dass Dein Hund einem Leckerchen mindestens mit den Augen folgen wird, weil es ihn lockt. Auf dieser Grundlage lassen sich Dinge wie Sitz, Platz und Freifolge trainieren: Wird die Hand mit dem Leckerchen von der Hundenase aus nach oben bewegt, will der Hund die Hand nicht aus den Augen lassen und muss den Kopf nach oben bewegen. Ab einer gewissen Höhe ist es für den Hund einfacher, sich hinzusetzen: Voilá.

Bewegt man nun die Hand vom Hund weg und nach unten, wird er der Hand ebenfalls folgen und automatisch ins Platz gehen. Wieder: Voilá. Hältst Du Deinem Hund die Leckerchenhand vor die Nase und bewegst diese so neben Dich, dass er in der Grundposition für´s Fußgehen mit oder ohne Leine neben Dir steht, hast Du wieder erfolgreich gelockt. Läufst Du nun ein paar Schritte, bevor Du ihm das Leckerchen überlässt, hast Du in ins Fußgehen gelockt.

Die Kunst besteht nun darin, irgendwann das Lockmittel auszuschleifen, schließlich willst Du ja nicht immer ein Leckerchen in der Hand halten, damit Dein Hund bei Fuß bleibt. Wie das genau geht, ist für Sitz und Platz in unseren Trainingskarten beschrieben.

Die Entwöhnung vom Lockmittel ist grundsätzlich unproblematisch. Allerdings kann der Schritt übergangen werden, wenn statt eines Lockmittels ein Target konditioniert wird. Manche Kritiker der Lock-Technik bemängeln außerdem, dass Hunde durch den Geruch des Leckerchens so von der gerade gezeigten Verhaltensweise abgelenkt sind, dass sie im Grunde nicht mehr lernen können: Sie folgen dem Geruch, merken aber dabei nicht, dass sie bei Fuß gehen.

Außerdem stellt sich die Frage, ob Du Deinen Hund rückenschonend ins Fußgehen locken kannst, wenn es sich bei Deinem Hund nicht um einen Dobermann, sondern einen Dackel handelt. Auch hier dient sich das Targettraining als Lösung an.

Was meint der Begriff Targettraining?

Target ist ein englischer Begriff und bedeutet Ziel. Gemeint ist damit ein Ziel, auf das der Hund konditioniert wird. Konkret geht es darum, dass er mit einem seiner Körperteile einen Gegenstand berührt. Daher stammen auch die merkwürdigen und mannigfaltigen Bezeichnungen wir Nasen-Hand-Target oder Pfoten-Stick-Target. Hier wird immer das Körperteil des Hundes und das zu berührende Ziel benannt.

Wie helfen Targets im Training des Grundgehorsams?

Einer, aber sicher nicht der einzige Weg, über Targets Sitz, Platz und Fuß zu trainieren, besteht darin, ein Nasen-Stick-Target zu konditionieren. Das bedeutet, dass das Target ggf. mit der 300-Pick-Methode so ausgebaut werden muss, dass Dein Hund nicht nur kurz mit der Nase stupst, sondern mit ihr am Target über einen längeren Zeitraum dranbleibt, auch wenn dieses sich wegbewegt.

Ist das erreicht, kannst Du Deinen Hund mit dem Target führen und ähnlich verfahren, wie bei der Lock-Technik: Erst wird der Hund mit dem Signal für das betreffende Target in Position gebracht, dann z. B. bei Fuß geführt, was jedes Mal belohnend verstärkt wird. Dabei wird das Kommando für das gewünschte Verhalten eingeführt. Nach einigen Trainingseinheiten prüfst Du, ob Dein Hund nun schon auf das neue Kommando hin zum in der entsprechenden Position gehaltenen Target kommt und ihm folgt. Tut er das während ein paar Trainingseinheiten zuverlässig, versuchst Du den neuen Befehl einmal ohne das Target.

Der Vorteil eines Sticks ist hierbei, dass dieser Deinen Arm verlängert, sodass Du das Target auch im Gehen ohne Verrenkungen vor die Nase Deines Dackels halten kannst. Bei dem Stick kann es sich um ein hierfür extra produzierten Targetstick ebenso handeln, wie um ein Ästchen aus dem Garten, einen Zollstock oder einen Besenstil.

Welche Targets gibt es?

Hier sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt: Jedes Körperteil Deines Hundes kann ebenso verwendet werden, wie alle Deine Körperteile oder gänzlich andere Gegenstände. Welche Kombinationen Du wählen solltest, hängt vom nachgelagerten Ziel ab, wie schon aus dem vorangegangenen Absatz zu erkennen ist. Bevor wir uns diesen Zielen zuwenden, stellt sich noch die Frage, wie ein Target aufgebaut werden kann.

Für sehr erfahrene Profis ist es sogar möglich, ein reines Blick-Target zu konditionieren. Hierbei folgt der Hunde dem Blick eines Laserpointers oder sonstiger Ziele.

Wie baut man ein Target auf?

Generell kann das Zielverhalten für ungewöhnlichere Körperteile über Shaping und für einfachere Körperteile über Capturing erreicht werden.

Was ist nun mit ungewöhnlichen und einfacheren Körperteilen gemeint? Die Nase des Hundes ist sicherlich das Körperteil, das von ihm am häufigsten verwendet wird: Fast alles, was ein Hund interessant findet, wird mit der Nase berührt, um den Duft möglichst intensiv einatmen zu können. Egal, was Du ihm zur Verfügung stellst, wahrscheinlich wird er es bald mit der Nase berühren. Daher kann dieses Verhalten eingefangen oder gecaptured werden: Du bringst den zu berührenden Gegenstand (Deine Hand, einen Stick, einen Post-It- etc.) in einer ansonsten reizarmen Umgebung in die Nähe Deines Hundes und wartest, bis es den Gegenstand mit seiner Nase untersucht. Dieses Verhalten wird sofort von Dir markiert und mit Futter verstärkt oder belohnt, damit er das Verhalten öfter zeigt, was Du jedes Mal wieder markierst und verstärkst. Halte das Target dabei immer wieder in leicht anderen Positionen in der Nähe Deines Hundes, damit er sich aktiv darauf zubewegen muss.

Bei vielen Hunden kommt es auch häufig vor, dass sie Dinge mit den Vorderpfoten untersuchen, sodass hier auch noch mit Capturing gearbeitet werden kann.

Am anderen Ende der Wahrscheinlichkeitsskala liegen viele andere Körperteile Deines Hundes: Irgendetwas mit der Hinterkeule oder den Hinterpfoten, dem Schwanz oder dem Brustkorb zu berühren, kommt selten vor. Entsprechend lange müsstest Du warten, bis das Verhalten gezeigt und verstärkt werden könnte. Daher scheint es sinnvoll, ein solches Verhalten schrittweise über Shaping zu formen, was aber voraussetzt, dass Dein Hund den Prozess des Shapings schon kennt und tatsächlich vom zuletzt verstärkten Zwischenverhalten ausgehend neues Verhalten anbietet, das Du verstärken kannst.

Der Grundstein ist also dann gelegt und Du kannst an den oben genannten Kriterien arbeiten und/oder der im zweiten Block beschriebenen Generalisierung arbeiten.

Was sonst noch kann man mit Target-Training erreichen?

Da Du aus einem Target, wie wir im Falle der Grundgehorsamsübungen gesehen haben, tieferes Verhalten erzeugen kannst, bieten sich viele Anwendungsfälle für das Targettraining. Beispielsweise ist das Target-Training bei Dogdancern und Trickdoggern ein beliebtes Mittel der Wahl. Aber auch das Bewegen eines Gegenstandes, wie es im Treibball nötig ist, kann über ein Target-Training erzeugt werden.

Auch zum Zwecke des Medical Trainings kann das Target-Training eingesetzt werden: Wird Pfötchengeben über Target-Training aufgebaut und entsprechend der oben genannten Kriterien ausgebaut und generalisiert, kann das helfen, dem Hund in Ruhe einen Venenzugang zu legen oder die Krallen zu schneiden. Dann muss aber die Generalisierung entsprechende Körperberührungen als Ablenkungen enthalten.

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