Löschung bei Hunden
Was ist Verhaltenslöschung und -extinktion von Reizen in der Hundeerziehung?
Von:
Ulf Weber
Zuletzt aktualisiert am: 19.12.2023
- Extinktion
- Reizextinktion
- Reizlöschung
- Stimulusextinktion
- Verhaltensextinktion
- Verhaltenslöschung
- Verlernen
Löschung oder Extinktion ist die Auflösung von Kopplungen zwischen Reizen und Reaktionen. In der Hundeerziehung kann hierüber unerwünschtes Verhalten abgebaut werden. Die Moderne Hundeerziehung basiert auf Lerntheorien, die Lernen als die Bildung dieser Kopplungen beschreiben. Extinktion oder Löschung beschreibt also gleichsam den Vorgang des Verlernens.
Die klassische Konditionierung erklärt reflexhafte Reaktionen durch die Kopplung zweier verschiedener Reize, die operante Konditionierung erklärt Verhalten als Hinweisreiz - Reaktions - Konsequenz - Kopplung. Unter Löschung oder Extinktion wird verstanden, dass diese Verknüpfungen sich auflösen, wenn die gekoppelten Reize nicht mehr gemeinsam auftreten oder den Verhaltensweisen die bisherigen Reize nicht mehr als Konsequenz folgen.
Die Löschung in der klassischen Konditionierung
Die Löschung einer akquirierten oder konditionierten Reiz-Reiz-Kopplung ist ein Vorgang, der ein Problem darstellt, wenn diese Kopplung gewollt ist. Wurde aber Reize ungewollt verknüpft, kann sie einen Lösungsweg darstellen.
Wird ein unbedeutender und daher neutraler Reiz, wie das Geräusch eines Klickers, mit einem bedeutenden und unkonditionierten Reiz, der immer einen Reflex auslöst, wie der Verfügbarkeit von Futter, gekoppelt, entspricht das einer klassischen Konditionierung. Erkennbar ist die erfolgreiche klassische Konditionierung in diesem Fall daran, dass der Hund bereits beim Geräusch des Klickers seinen Speichelreflex zeigt, weil dieses zum konditionierten Reiz wurde.
Zur unerwünschten Extinktion kann es nun kommen, wenn dem Klick-Geräusch keine Futtergabe mehr folgt: Durch jedes Klicken ohne folgende Futtergabe wird die Verknüpfung der beiden Reize schwächer, bis der Klicker seine Bedeutung für den Hund komplett verliert und die Reiz-Reiz-Kopplung gelöscht ist. Um ein Maß für die Geschwindigkeit zu erhalten, mit der die Extinktion vor sich geht, dient die Extinktions- oder Löschungsrate, über die auch eine Aussage über die Löschungsresistenz einer Kopplung getroffen werden kann: Je niedriger die Extinktionsrate, desto höher ist die Löschungsresistenz.
Unerwünschte Reiz-Reiz-Kopplungen hängen häufig mit unangenehmen Reizen zusammen. Angenommen, ein Hund wird durch einen Reiz wie den Anblick der immer gleichen Ablenkung (z. B. Postbote, Kinder etc.) unkontrollierbar (er stürmt von gegenteiligen Signalen des Hundemenschen unbeeindruckt auf Postbote/Kinder zu um mit ihm/ihnen zu spielen) und wird dafür immer wieder mit einem eher unangenehmen unkonditionierten Reiz (z. B. ein „Klapps“ mit der Zeitung etc.) positiv bestraft. Nun kann es sein, dass der Hund den unangenehmen und unkonditionierten Reiz der Strafe nicht entsprechend der operanten Konditionierung als eine Konsequenz seines Verhaltens, sondern entsprechend der klassischen Konditionierung mit dem neutralen Reiz, der von der Ablenkung (oder der Wahrnehmung desjenigen, der ihn bestraft) ausgeht, verknüpft und vor diesem Reiz Angst entwickelt. Solche Verknüpfung sind löschungsresistenter und laufen mit einer niedrigen Extinktionsrate ab. Sie können, wenn überhaupt, nur gelöscht werden, indem nie wieder der unangenehme unkonditionierte Reiz gemeinsam mit dem eigentlich neutralen, jetzt aber konditionierten Reiz (die Ablenkung oder der Bestrafende) gemeinsam auftritt.
Die Löschung in der operanten Konditionierung
Die Löschung von akquirierten oder konditionierten Reaktion-Reiz-Kopplungen kann ebenfalls gewollt sein, vor allen Dingen, wenn es um Unarten geht. Andererseits ist sie bei Verhaltensweisen, die wir fördern und gerne sehen möchten, nicht gewünscht.
In der operanten Konditionierung auf deren nicht mit Prägung zu verwechselnder positiver Verstärkung viele moderne Trainingsmethoden für Hunde aufbauen, stellt beispielsweise ein Sitz die Verhaltensweise und eine verstärkende Belohnung in Form eines Futterstückchens den Reiz dar, die wir verknüpfen wollen, damit dieses Verhalten häufiger gezeigt wird. Eine Löschung dieser Verknüpfung findet dann statt, wenn dem gewünschten Verhalten keine verstärkende Belohnung mehr folgt. Um die Löschungsresistenz zu steigern und die Löschungsrate zu senken, wenn nicht jedes Mal eine verstärkende Belohnung geben werden soll, können Verstärkerpläne angewendet werden, wenn das Trainingsprogramm weit genug gediehen ist.
Unerwünschtes Verhalten zu löschen, ist nur unter gewissen Voraussetzungen möglich, denn häufig sind sie sehr löschungsresistent.
Die Voraussetzung, positiv verstärktes Verhalten zu löschen, ist, den belohnenden Verhaltensverstärker zu kennen und ihn kontrollieren zu können: Nur wenn die Belohnung für ein Verhalten kontrolliert und vorenthalten werden kann, kann das Verhalten gelöscht werden. Denn nur dann folgt der belohnende Reiz dem Fehlverhalten nicht mehr. Das ist bei Unarten wie dem Betteln am Tisch oder dem Ziehen an der Leine sicherlich gegeben. Beim unkontrollierten Weglaufen zu Artgenossen oder hinter Wild her ist es nicht gegeben: Wir haben keinen Einfluss darauf, ob die Artgenossen oder das Wild mit unserem Hund Fangen spielen und das einen angenehmen, belohnenden und verstärkenden Reiz ausmacht, der den Hund auch künftig wieder dorthin laufen lässt. Wenn aber die Kontrolle über die belohnende Verstärkung, beispielsweise das erbettelte Mittagessen, vorliegt und der Entschluss gefasst wird, diese Belohnung vorzuenthalten, um das Betteln zu löschen, muss auf strikte Konsequenz geachtet werden: Gibt man hier unregelmäßig nach, wird unbewusst ein variabler Quotenverstärkerplan angewendet, der das Verhalten „am Tisch betteln“ sehr löschungsresistent macht.
Handelt es sich aber um ein durch negative Verstärkung konditioniertes Vermeidungsverhalten, wird eine Löschung sehr aufwändig. Vermeidungsverhalten führt dazu, dass ein unangenehmer Reiz, der infolge eines Verhaltens entfallen würde, gar nicht erst auftritt. Ist ein Hund vor einem Passanten mit Nordic-Walking-Stöcken geschlagen oder anderen Hunden gebissen worden und diesem unangenehmen Reiz durch Fluchtverhalten oder Aggressionsverhalten entkommen, kann er künftig als Vermeidungsverhalten schon beim Anblick anderer, viel freundlicherer Nordic Walker oder Hunde dasselbe Vermeidungsverhalten an den Tag legen. Dann wird er niemals feststellen, dass der unangenehme Reiz, dem er durch das Vermeidungsverhalten in Form der frühen Flucht oder einem Angriff entgehen möchte, gar nicht existiert. Belohnt wurde er in dem Fall aber schon: Er hat erfolgreich einen unangenehmen Reiz vermieden. Daher ist solches Verhalten sehr löschungsresistent.
In einem solchen Fall ist ein analytisch erfahrener Hundetrainer gefragt.
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