Klassische Konditionierung mit Hund
Was ist die klassische Konditionierung und wie wird sie in der Hundeerziehung eingesetzt?
Von:
Ulf Weber
Zuletzt aktualisiert am: 7.8.2024
Mit der klassischen Konditionierung wird ein Hund an den Klicker gewöhnt. Die von Pawlow um 1900 entwickelte Methode ist eine experimentell erwiesene Lerntheorie, gemäß der ein Organismus lernt, zwei unterschiedlichen Reize zu koppeln und ihnen dieselbe Bedeutung zu geben.
Der russische Physiologe Ivan Petrovic Pawlow erforschte Ende des 19. Jahrhunderts die Wirkweise von Verdauungsdrüsen, zu denen auch die Speicheldrüsen gehören, anhand von Hunden. Er konnte beobachten, dass die Speicheldrüsen unwillkürlich begannen, Speichel zu produzieren, wenn die Tiere das Futter vor sich im Napf wahrnahmen. Allerdings wurden die Hunde regelmäßig in ihren Käfigen von einem Tierpfleger gefüttert, der mit dem Futter von Käfig zu Käfig lief und dabei Schrittgeräusche verursachte. Nach einigen Monaten beobachtete Pawlow, dass die Hunde nun nicht erst zu speicheln begannen, wenn das Futter vor ihnen stand, sondern schon dann, wenn sie die Stiefelklappern des Wärters hörten.
Aus dieser Beobachtung schloss Pawlow, dass die Tiere die beiden Reize, nämlich den vom verfügbaren Futter ausgehenden und den des Fußgetrappel, nun gekoppelt hatten und sie gleichsetzten, schließlich zeigten sie denselben Reflex als Reaktion auf beide Reize. Er beschloss, dieses Phänomen, das klassische Konditionierung genannt wird, näher zu erforschen.
Im Kern ergab seine Forschung, dass es unkonditionierte Reize gibt, auf die ein Lebewesen mit einem Reflex unbedingt reagiert. Außerdem gibt es Reize, die keinerlei Reaktionen auslösen und daher neutral sind. Wird nun wiederholt ein neutraler Reiz gemeinsam mit einem unkonditionierten Reiz präsentiert und wahrgenommen, werden die beiden Reize gekoppelt. Dann wird aus dem neutralen ein konditionierter Reiz, der dieselbe Reaktion auslöst, wie der unkonditionierte Reiz. Allerdings wird die Reaktion zu einer konditionierten Reaktion, da sie durch den konditionierten Reiz ausgelöst wurde.
Um eine solche Reiz-Reiz-Kopplung aufzubauen, sind in der Lern- oder Akquisitionsphase verschiedene zeitliche Abfolgen der beiden Reize denkbar. Als besonders wirksam hat es sich erwiesen, den neutralen Reiz kurz vor dem unkonditionierten Reiz starten zu lassen und beide dann gemeinsam enden zu lassen. Eine Erklärung für die besondere Effizienz dieser Abfolge kann darin liegen, dass dem konditionierten Reiz eine Warnfunktion zukommt: Ein Lebewesen kann erfolgreich die Reaktionszeit verringern und sich einen Vorteil verschaffen, wenn es schon auf einen dem unbedingten Reiz regelmäßig vorangehenden Reiz reagiert.
Die Bedeutung des Wortes „regelmäßig“ im vorangehenden Satz ist hoch einzuschätzen: Geht der neutrale Reiz dem unkonditionierten nicht regelmäßig und möglichst immer voraus, kann die Kopplung der beiden Reize nicht oder nur langsam entstehen. Sind zwei Reize gekoppelt, kann die Kopplung auch wieder gelöscht werden, wenn dem konditionierten Reiz zu selten der unkonditionierte folgt: Da die Vorhersagekraft verlorengeht, kann die Kopplung verlernt werden.
Verwendung der klassischen Konditionierung: Belohnung mit Klicker
Viele Trainingsmethoden der modernen Hundeerziehung basieren auf der positiven Verstärkung der operanten Konditionierung. Hierbei kommt es darauf an, ein gewünschtes Verhalten spätestens eine Sekunde nach Beginn des Verhaltens durch eine Belohnung zu verstärken. Um die Zeit zu sparen, die Belohnung aus der Tasche zu kramen und dem Hund zu bringen, kann das gewünschte Verhalten akustisch markiert und verstärkt werden, beispielsweise mit dem Clicker.
Das Geräusch des Klickers ist im Sinne der klassischen Konditionierung ein neutraler Reiz, da er für einen Hund zunächst keinerlei Bedeutung hat. Hingegen geht von dem üblicherweise belohnend vor die Hundenase gehaltene Futter ein unkonditionierter Reiz aus, schließlich hat schon Pawlow beobachtet, dass die Verfügbarkeit von Futter einen solchen Reiz aussendet. Um dem Geräusch des Klickers die belohnende Bedeutung zu verleihen, die wir hier brauchen, unterziehen wir den Hund einer klassischen Konditionierung. Dazu lassen wir den Klicker ertönen, kurz bevor wir dem Hund mit von unter einer Sekunde ein Futterstück anbieten. Wird an mehreren Tagen die Tagesration Trockenfutter über den Tag verteilt so verfüttert, wird die Reiz-Reiz-Kopplung gelingen und der Hund das Geräusch des Klickers mit dem Futter gleichsetzen und schon das Geräusch als Belohnung interpretieren.
Klassische Konditionierung, Angst und Strafe
Die Senkung der Reaktionszeit bringt immer Vorteile. So kann beispielsweise der Hund, dessen Verdauungsdrüsen etwas früher als die aller anderen auf nahendes Futter reagieren, etwas früher und vielleicht dadurch länger und mehr fressen. Überlebenswichtig sind aber schnelle Reaktionen auf unkonditionierte Reize, die Gefahren anzeigen und Schreck- oder Angstreaktionen auslösen. Daher wundert es nicht, dass Menschen, die während des zweiten Weltkriegs häufig erst den langsam anschwellenden und normalerweise keine Schreckreaktion verursachenden Klang einer Sirene und mit einiger Verzögerung die lauten Explosionsgeräusche und Vibrationen von Bomben wahrnahmen, auch Jahre nach dem Krieg noch auf einen Probealarm mit erhöhtem Puls und Atemfrequenz reagierten. Der Klang der Sirene wurde also vom neutralen zum konditionierten Reiz und führte zu denselben fluchtvorbereitenden Verhaltensweisen und Reflexen (Link Lex), wie die von explodierenden Bomben ausgehenden unkonditionierten Reizen. Die hier auftretenden Reflexe Fall können als Angstreaktionen gewertet werden.
Im Kontingenzschema der operanten Konditionierung ist die positive Strafe als ein unangenehmer, in Folge eines Verhaltens auftretender Reiz definiert. Eine solche Strafe muss nicht zwingend durch einen Lehrer, Trainer oder Hundehalter verabreicht werden. Die Voraussetzungen einer Strafe sind auch dann erfüllt, wenn ein Hund auf einem Ast herumkaut (Verhalten) und sich dabei ein schmerzhafter (Auftritt des unangenehmen Reizes) Splitter ins Zahnfleisch bohrt. Allerdings ist denkbar, dass ein Ausbilder die positive Strafe bewusst anwendet und einen Hund beispielsweise schlägt. Der Anblick des Ausbilders oder Trainers sollte zunächst ein neutraler Reiz sein, der keinerlei Reflexe auslöst. Der Schmerz der Schläge stellt jedoch einen unkonditionierte Reiz dar, der entsprechende Reflexe auslöst. Sicherlich wird es nicht lange dauern, bis der geschlagene Hund die beiden Reize koppelt und aus dem Anblick des bestrafenden Trainers ein konditionierter Reiz und damit ein Auslöser für Angstreaktionen wird.
Auf diese Weise bietet auch die klassische Konditionierung eine Erklärung für dieses mit der positiven Strafe einhergehende Risiko, dass nämlich der Bestrafte Angst vor dem bestrafenden Lehrer oder Trainer entwickelt. Allerdings bietet hierfür auch die operante Konditionierung mittels der Hinweisreize eine Erklärung, die allerdings nur greift, wenn die Reaktion nicht in einem Reflex, sondern einem operanten Verhalten wie beispielsweise einer Aggression oder Flucht besteht.
Die wissenschaftliche Entwicklung von der klassischen Konditionierung inklusive aller Facetten der operanten Kondtionierung beschreiben wir im esten Teil unserer dreiteiligen Serie über die modernen Trainingsmethoden. Der zweite Teil führt diese mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen zusammen, was wodurch die tieferen Zusammenhänge klar und Methoden besser anwendbar werden. Der dritte Teil gibt einen Überblick über die Trainingsmethoden und anzustrebende -atmosphäre.
- Lerntheorie I: Die wissenschaftlichen Grundlagen modernen Hundetrainings – Pawlow, Skinner & Co
- Lerntheorie II: Clicker- & Targettraining, Shaping & Chaining, Capturing & Co als angewandte Wissenschaft
- Lerntheorie III: Der Kurzüberblick über die Trainingsmethoden der modernen Hundeerziehung
- Hundetraining: Das erlernte Entspannen des Hundes mit Entspannungssignalen
- Wilderei durch den Hund – kein Kavaliersdelikt
- Das Beutefangverhalten von Hunden
Hat dir der Inhalt gefallen? Dann teile ihn doch auch mit anderen: