Klassische Konditionierung

Was ist Klassische Konditionierung, wie lautet ihre Definition und wie wird sie eingesetzt?

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Zuletzt aktualisiert am: 6.12.2024

Ein brauner Hund sitzt zwischen den Beinen eines Mannes.jpg

Die klassische Konditionierung ist eine Lerntheorie von Ivan Pawlow.  Sie wurde um 1900 herum entwickelt, stellte die Grundlage für die behavioristischen Lerntheorien und wurde seither kontinuierlich weiterentwickelt. Heute finden wir die klassische Konditionierung in vielen Bereichen des Alltags wieder. Sie wird als psychologische Theorie in Therapien, im Hundetraining, Kinder-Erziehung und selbst in der Werbung, angewendet. Hier wird sie mit vielen Beispielen einfach erklärt.

Inhaltsverzeichnis:

  1. Klassische Konditionierung – Definition – wie lautet sie?
  2. Klassische Konditionierung – so ist sie einfach erklärt
  3. Wann, wie und wer hat die klassische Konditionierung erfunden? 
  4. Welche sind die Grundbegriffe der klassischen Konditionierung?
  5. In welche 3 Phasen kann die klassische Konditionierung unterteilt werden? 
    1. Kontrollphase vor der Konditionierung
    2. Lernphase bzw. Akquisephase während der Konditionierung
    3. Nach der Konditionierung: Das Lernergebnis liegt vor
  6. Weitere Fachbegriffe der klassischen Konditionierung
    1. Kontiguität und Kontingenz – was macht einen bedingten Reiz aus?
    2. Konditionierung zweiter Ordnung und höherer Ordnung
    3. Reizgeneralisierung & Reizdiskrimination
    4. Habituation und latente Inhibition Hemmung
    5. Blocking Effekt
    6. Konditionierte Inhibition bzw. exzitatorische Konditionierung und inhibitorische Konditionierung
    7. Gegenkonditionierung
    8. Aversive Konditionierung in der Aversionstherapie
    9. Extinktion oder Löschung und spontane Erholung
  7. Wie wird die klassische Konditionierung angewendet?
    1. Wie wird die klassische Konditionierung Verhaltenstherapie angewendet?
      1. Wie kann man eine klassische Konditionierung rückgängig machen?
    2. Wie wird die klassische Konditionierung in Kindererziehung, der Kita und der Schule angewendet?
    3. Die klassische Konditionierung in Hundeerziehung, Hundetraining und Tiertraining
    4. Die klassische Konditionierung in der Werbung: Was ist Evaluative Konditionierung?
  8. Was ist der Unterschied zwischen klassischer und operanter Konditionierung?
  9. Was führt bei der klassischen Konditionierung zu Kritik?
  10. Fazit

1. Klassische Konditionierung – Definition – wie lautet sie? 

Die klassische Konditionierung ist eine Lerntheorie. Sie beschreibt, wie durch Konditionierung ein neutraler Reiz mit einem unbedingten Reiz gekoppelt wird. Als Ergebnis der Konditionierung reagieren Lebewesen auch auf den ehemals neutralen, jetzt bedingten bzw. konditionierten Reiz mit derselben, meist reflexhaften, Reaktion wie auf den unbedingten Reiz.

2. Klassische Konditionierung – einfach erklärt

Jede Theorie, die sich mit Konditionierung befasst, ist eine Lerntheorie. Alle Lerntheorien befassen sich mit dem Verhalten von Mensch und Tier. Sie sind somit Teil der Verhaltenspsychologie. So auch die klassische Konditionierung, die den Lerntheorien des Behaviorismus zugerechnet wird. 

Das bekannteste Beispiel einer klassischen Konditionierung ist der „pawlowsche Hund“. Hinter diesem Begriff verbirgt sich auch das Experiment, mit dem Prof. Ivan Pawlow um 1900 die klassische Konditionierung begründete. In dem Experiment ließ Pawlow seine Hunde eine Assoziation zwischen einem Glockenton und Futter herstellen, dass seine Hunde schon beim Ertönen vom Glockenton mit Speichelfluss reagierten.

Die klassische Konditionierung fokussiert besonders auf das Erlernen von Signalen, daher wird sie auch als „Signallernen“ bezeichnet. Ein anderes Wort für Signal ist Reiz oder Stimulus. Zunächst werden unbedingte Reize von neutralen Reizen unterschieden. Ein unbedingter Reiz löst immer eine natürliche Reaktion aus, die ein Reflex ist. Die Kombination aus unbedingtem Reiz und unbedingter Reaktion ist meist angeboren. Im Gegensatz dazu löst ein neutraler Reiz keine Reaktion aus, die über eine Orientierungsbewegung hinausginge.

Durch die klassische Konditionierung lernt nun das Lebewesen, auf den neutralen Reiz genauso zu reagieren, wie auf den unbedingten Reiz. Um das zu erreichen, lässt man beide Reize immer wieder gemeinsam auf das Lebewesen wirken. 

Als besonders wirkungsvoll hat es sich erwiesen, wenn der neutrale Reiz kurz vor dem unbedingten Reiz auftritt. Denn dadurch erhält der neutrale Reiz eine ankündigende, signalisierende Wirkung für den unbedingten Reiz und wird dadurch zum bedingten oder konditionierten Reiz. Die Reaktion, die auf den bedingten Stimulus gezeigt wird, wird bedingte Reaktion genannt. 

Reagiert ein Lebewesen auf einen bedingten Reiz, statt erst auf den nachfolgenden unbedingten Reiz, erhöht es dadurch seine Reaktionsgeschwindigkeit. Eine verringerte Reaktionszeit stellte einen immensen Vorteil dar:

  • Vor einem als unangenehm oder aversiv empfundenen Reiz (z. B. Schmerz) kann ein solches Lebewesen früher Fluchtverhalten oder gar Vermeidungsverhalten zeigen.
  • Zu einem als angenehm oder appetitiv empfundenen Reiz (z. B. Futter) kann früher zugehen.

3. Wann, wie und wer hat die klassische Konditionierung erfunden? 

Die klassische Konditionierung wurde von dem russischen Mediziner und Professor Ivan Petrovic Pawlow um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert entdeckt und erforscht worden. 

Zu dieser Zeit forschte Prof. Pawlow an Hunden über deren Verdauungssystem. Besonders fokussiert war er auf das Thema Speichel. Die im Labor gehaltenen Tiere bekamen ihr Futter häufig von demselben Tierpfleger. Pawlow, der ja eh schon auf den Speichelfluss der Hunde konzentriert war, beobachtet bald, dass dieser schon einsetzte, wenn sich der Tierpfleger näherte und nur seine Schritte zu hören waren. 

Diese Beobachtung inspirierte Pawlow dazu, erst eine Experimentreihe durchzuführen und dann mit den Ergebnissen die Theorie der klassischen Konditionierung zu begründen. 

Den genauen Ablauf der Experimente kannst Du in unserem Beitrag der Pawlowsche Hund nachlesen.

4. Welche sind die Grundbegriffe der klassischen Konditionierung?

Die wesentlichen Begriffe der klassischen Konditionierung sind oben bereits genannt. Hier möchten wir dies allerdings nochmal auf einen Blick darstellen.

Die Fachbegriffe der klassischen Konditionierung
Deutscher Begriff Englischer Begriff Abkürzung Erklärung
Unbedingter oder Unkonditionierter Reiz    Unconditioned Stimulus US Reiz, der auch ohne Lernvorgang eine Reaktion auslöst: Reiz-Reaktions-Kopplung ist angeboren
Unbedingte oder unkonditionierte Reaktion Unconditioned Reaction UR Die angeborene Reaktion auf einen unbedingten Reiz
Neutraler Reiz Neutral Stimulus NS Unbedeutender Reiz, der keine besondere Reaktion auslöst
Bedingter oder konditionierter Reiz Conditioned Stimulus CS Ehemals NS, der durch Konditionierung dieselbe Reaktion wie der US auslöst
Bedingte oder konditionierte Reaktion Conditioned Reaction CR Reaktion, die nach Konditionierung nur von CS ausgelöst wird.

 

5. In welche 3 Phasen kann die klassische Konditionierung unterteilt werden?

Für die drei Phasen der klassischen Konditionierung dienen als Beispiel die Reize und Reaktionen, die die Pawlowschen Hunde zeigten. 

5.1 Kontrollphase vor der Konditionierung

Die Kontrollphase geht der Konditionierung voraus. In dieser Phase existieren 

  • Unbedingter Reiz (Anblick & Geruch von Futter), der eine
  • Unbedingte Reaktion auslöst (Speichelfluss) sowie
  • Neutrale Reize (Laufgeräusche vom Tierpfleger und später Glockenton), die keine Reaktion auslösten.

Die Kontrollphase dient dazu, die Basisraten der Verhaltensweisen des Lebewesens festzustellen. Kurz: Es wird das Verhalten vor der Konditionierung bestimmt und gemessen.

5.2 Lernphase bzw. Akquisephase während der Konditionierung

Während der Lernphase, die auch Akquisitionsphase genannt wird, erfolgt die eigentliche Konditionierung. Während dieser wird der Neutrale Reiz (Laufgeräusche vom Tierpfleger und später Klingelton) mit dem Unbedingten Reiz (Anblick & Geruch von Futter) gekoppelt. Dazu werden beide Stimuli dem lernenden Lebewesen gemeinsam präsentiert. 

Bei Pawlow brachte immer der Tierpfleger das Futter. So wurde der neutrale Stimulus (Laufgeräusche des Pflegers) immer kurz vor dem unbedingten Stimulus (Anblick & Geruch von Futter) präsentiert. So wurde es später in Pawlows Experimenten ebenfalls gemacht: Erst ertönte die Glocke, kurz danach kam das Futter.

5.3 Nach der Konditionierung: Das Lernergebnis liegt vor

Nach erfolgreicher Konditionierung hat das Lebewesen gelernt, den neutralen Reiz mit dem unbedingten Reiz zu koppeln und so eine Assoziation gebildet. Deshalb wird es jetzt auf beide Reize gleich reagieren. 

Aus dem ehemals neutralen ist jetzt der bedingte Reiz (Laufgeräusche vom Tierpfleger und später Glockenton) geworden. Auf ihn reagiert das Lebewesen mit einer bedingten Reaktion (Speichelfluss).

Dabei wird dieselbe Reaktion noch immer als unbedingte Reaktion bezeichnet, wenn die Speichelproduktion erst durch den Geruch und Anblick von Futter (unbedingter Reiz) ausgelöst wird.

6. Weitere Fachbegriffe der klassischen Konditionierung

Seit Pawlows ersten Experimenten zur klassischen Konditionierung sind mehr als einhundert Jahre vergangen. In dieser Zeit wurden viele weitere Spezialfälle der klassischen Konditionierung erforscht und weitere Fachbegriffe geprägt. 

Die folgenden Begriffe sind in einer bestimmten Reihenfolge sortiert. Zunächst werden diejenigen erläutert, die für eine „erfolgreiche“ klassische Konditionierung notwendig sind. Weiter unten finden sich die Begriffe, die ein Verhalten minimieren. Wer wissen will, wie man eine klassische Konditionierung rückgängig machen kann, muss auch weiter unten lesen.

6.1 Kontiguität und Kontingenz – was macht einen bedingten Reiz aus?

Zentraler Punkt der klassischen Konditionierung ist, dass in der Lernphase der neutrale Reiz gemeinsam mit dem unbedingten Reiz erscheinen muss. Diese zeitliche, aber auch räumliche Nähe wird Kontiguität genannt. Das Wort ist lateinischen Ursprungs und bedeutet so viel wie „angrenzen“.

Nun stellt sich aber die Frage, was „gemeinsam“ in zeitlicher Hinsicht genau bedeutet. Genannt werden die folgenden, hauptsächlich erforschten fünf Kombinationen:

  • Beim „short delayed“-Konditionieren tritt erst der neutrale, zu konditionierende Reiz auf. Der unbedingte Reiz beginnt, während der neutrale noch vorhanden ist, aber kurz später.
  • Das „long delayed“-Konditionieren lässt sich vom „short delayed“ nicht exakt unterscheiden. Klar ist aber, dass der neutrale, zu konditionierende Reiz längere Zeit alleine auftritt, bevor der unbedingte Reiz hinzukommt.
  • Das „simultane“ Konditionieren zeichnet sich dadurch aus, dass beide Reize exakt gleichzeitig auftreten: Sie beginnen und enden gleichzeitig.
  • Beim „Trace“-Konditionieren tritt erst der neutrale, künftig bedingte Reiz auf und endet wieder. Erst danach beginnt der unkonditionierte Reiz. Die dazwischenliegende Pause kann unterschiedlich lang sein.
  • Bei der als rückwärtsgerichtete Konditionierung bezeichnete „backward“-Konditionieren wird erst der unbedingte und dann der neutrale Reiz dargeboten. 

Aus den Experimenten ergab sich, dass die klassische Konditionierung am effektivsten erfolgt, wenn nach dem „short delayed“-Modell vorgegangen wird. Aus diesem Umstand kann schon geschlossen werden, dass dem bedingten Reiz eine ankündigende Wirkung für den unbedingten Reiz innewohnen sollte.

Im Verlauf der behavioristischen Forschung wurden weitere Experimente durchgeführt. Bei diesen wurde die Kontiguität zwar beachtet. Denn die klassische Konditionierung wurde hier nach short-delayed-Modell durchgeführt. Allerdings wurden in verschiedenen Versuchsgruppen verschiedene Settings gegenübergestellt.  Eine Versuchsgruppe bekam immer den neutralen und den unbedingten Reiz gemeinsam präsentiert. Für andere Gruppen wurden mal nur der unbedingte, mal nur der neutrale und manchmal beide gemeinsam präsentiert. 

Im Ergebnis fand eine erfolgreiche klassische Konditionierung nur bei den Gruppen statt, bei denen der neutrale, zu konditionierende Reiz mit hoher Wahrscheinlichkeit den folgenden unbedingten Reiz ankündigt. Dieser Zusammenhang wird Kontingenz genannt. 

Liegt Kontingenz zwischen zwei Reizen vor, kann ein Lebewesen durch die klassische Konditionierung früher reagieren. So verschafft es sich einen Vorteil gegenüber Lebewesen, die nicht schon auf einen früher eintretenden konditionierten Reiz reagieren. Sie können schneller flüchten oder sind im Falle der Pawlowschen Hunde schneller für die Nahrungsaufnahme bereit.

6.2 Konditionierung zweiter Ordnung und höherer Ordnung

Ist eine übliche klassische Konditionierung erfolgt, kann eine klassische Konditionierung 2. Ordnung erfolgen. 

In dem Fall wird zunächst ein neutraler Reiz (NS1) mit einem unbedingten Reiz (US) gekoppelt. Der ehemals neutrale Reiz wird dadurch zum konditionierten Reiz (CS1). Nach dieser Konditionierung 1. Ordnung erfolgt eine weitere klassische Konditionierung.

Jetzt wird ein weiterer neutraler Reiz (NS2) mit dem bereits konditionierten Reiz (CS1) gekoppelt, ohne dass er mit dem unbedingten Reiz (US) gemeinsam erscheint. Nach erfolgter klassischer Konditionierung zweiter Ordnung wurde aus dem zweiten neutralen Reiz (NS2) der zweite bedingte Reiz (CS2). Da es theoretisch möglich ist, diesen Prozess zu wiederholen und weitere neutrale Reize in Reihe mit konditionierten Reizen zu koppeln, wird auch von Konditionierung höherer Ordnung gesprochen.

Ein Beispiel für eine Konditionierung zweiter Ordnung von Menschen kann um den Fliegeralarm gebildet werden. 

Der unkonditionierte Reiz wäre in dem Fall die Explosion einer Fliegerbombe mit ihrem Lärm, der Druckwelle und dem deswegen rieselnden Putz (US). Auf diesen folgt Zittern (UR) als Angstreaktion des Menschen. Da dem der Motorenlärm der Flugzeuge vorausgeht und während des Bombenangriffs andauert, wird dieser zum ersten konditionierten Reiz (CS1) für die Angstreaktion „Zittern“ (CR1). Wird nach einigen Angriffen per Sirene vorgewarnt, wird aus dem bisher neutralen Geräusch der Sirene auch dann ein angstauslösender konditionierter Reiz (CS2) auf den mit Zittern (CR2) reagiert wird, wenn die Flugzeuge keine Bomben mehr abwerfen, sondern ein paar Orte weiterfliegen.

6.3 Reizgeneralisierung & Reizdiskrimination 

Das Begriffspaar Reizgeneralisierung und Reizdiskrimination steht für gegenteilige Lernziele. Die Reizgeneralisierung bezeichnet hierbei, dass auf ähnliche Reize dieselbe Reaktion erfolgt. Bei der Reizdiskrimination ist es umgekehrt. Hier soll ein spezieller Reiz von ähnlichen unterschieden werden und möglichst nur auf den speziellen Reiz reagiert werden. 

In manchen Fällen wird hier ein Generalisierungstraining erforderlich, in anderen ein Diskriminationstraining. Z. B. möchte sicher kein Hundehalter, dass der eigene Hund auf jedes „HIER“ reagiert und zu jedem Menschen läuft, der dieses Wort sagt. Hier ist eine Reizdiskrimination sinnvoll, denn der Hund soll ja nur auf das „Hier“ seines oder seiner Menschen reagieren. Hört der Hund allerdings nur auf das „Hier“ eines Familienmitglieds, wäre eine Reizgeneralisierung wünschenswert – schließlich soll er ja auf alle Familienmitglieder hören.

6.4 Habituation und latente Inhibition Hemmung

Das Wort Habituation stammt aus dem Lateinischen und kann mit „Gewöhnung“ übersetzt werden. Im Kontext der klassischen Konditionierung bezieht sich die Habituation auf einen neutralen Reiz und kann eine latente Inhibition bzw. latente Hemmung verursachen. Unter einer latenten Hemmung versteht man die Unfähigkeit, einen neutralen Reiz mit einem unbedingten Reiz zu koppeln. Das bedeutet, dass in einem solchen Fall eine klassische Konditionierung nicht möglich ist. 

Eine Gewöhnung kann beispielsweise vorliegen, wenn Dein Hund den Glockenton der Haustür (neutraler Reiz) schon länger kennt und noch nie oder nur äußerst selten ein unbedingter Reiz (z. B. Futtergabe) in Folge erlebte. Versuchst Du jetzt, den Hund klassisch zu konditionieren, indem Du ihm jetzt nach jedem Mal, wenn der Glockenton der Tür ertönt (neutraler Reiz) Futter (unbedingter Reiz) gibst, wird aus dem Glockenton der Türschelle niemals ein bedingter Reiz, der Deinen Hund speicheln lässt.

In dem Fall wird eine latente Hemmung vorliegen und du kannst den Hund nicht so konditionieren, dass er auf Grund des Türklingelns speichelt.

6.5 Blocking Effekt

Der Blocking Effekt kann eine erfolgreiche klassische Konditionierung verhindern. Voraussetzung für den Blocking Effekt ist, dass bereits eine klassische Konditionierung aus einem anderen neutralen Reiz (NS1) einen bedingten Reiz (CS1) gemacht hat. In dem Fall blockiert dieser konditionierte Reiz (CS1) die Kopplung eines weiteren neutralen Reizes (CS2) an den unbedingten Reiz (US).

Freut (UR) sich Dein Hund beispielsweise schon auf sein Futter (US) beim Geräusch des sich öffnenden Vorratsschranks (CS1), wird er das Geräusch der sich öffnenden Futterdose (NS2) nicht mehr mit dem Futter koppeln.

Anmerkung der Redaktion: Für meinen Beagle stellte sich hier kein Blocking Effekt ein. Der reagiert auf jeden einzelnen Reiz, der in der Kette von der Futteranlieferung durch DHL bis zur Futterreichung im Napf liegt.

6.6 Konditionierte Inhibition bzw. exzitatorische Konditionierung und inhibitorische Konditionierung

In der klassischen Konditionierung werden inhibitorische und exzitatorische Konditionierung unterschieden. Bei der exzitatorischen Konditionierung handelt es sich um die „normale“ Konditionierung, bei der ein bedingter Reiz das Auftreten eines bestimmten Verhaltens auslöst.

Die inhibitorische Konditionierung wird auch bedingte Hemmung oder konditionierte Inhibition genannt und darf nicht mit der latenten Hemmung verwechselt werden. Denn bei der konditionierten Hemmung wird nicht etwa die Kopplungsfähigkeit zweier Reize gehemmt. Vielmehr wird die natürliche, unbedingte Reaktion (UR) auf einen natürlichen, unbedingten Reiz (US) durch einen weiteren, allerdings konditionierten Reiz (CS-) gehemmt. Die reduzierte Reaktion ist dann eine bedingt gehemmte Reaktion (CR-).

Von besonderer Bedeutung ist die konditionierte Inhibition beispielsweise bezogen auf Angst und Angstreaktionen. Denn die konditionierte Hemmung kann hier als therapeutischer Ansatz zur Angstreduktion genutzt werden.

Als Beispiel der bedingten Hemmung kann das folgende dienen: 

Dein Hund wird häufig von dem Hund Rex gebissen (unbedingter Reiz). Manchmal begleitet Euch Euer Hunde-Kumpel Nero (Neutraler Reiz). Immer dann macht Rex einen großen Bogen um Euch und beißt nicht. Der unbedingte Reiz bleibt also immer aus, wenn Nero bei Euch ist. Mit der Zeit wird dadurch die Anwesenheit Neros zu einem Sicherheitssignal für Deinen Hund, weshalb er in seiner Gegenwart keine Angst mehr spürt und zeigt. Mit anderen Worten ist Neros Begleitung zu einem bedingt hemmenden Reiz zur Senkung der Angst Deines Hundes vor Rex geworden.

6.7 Gegenkonditionierung 

Die Gegenkonditionierung ist der hemmenden Konditionierung nicht unähnlich. Der Unterschied liegt darin, dass die hemmende Konditionierung eine natürliche und unbedingte Reaktion hemmt, während die Gegenkonditionierung sich auf eine bedingte Reaktion auswirken soll. Kurz: Die Gegenkondition soll eine erfolgte klassische Kondition auflösen oder rückgängig machen. Dies geschieht, indem der betreffende konditionierte Reiz mit einem anderen unbedingten Reiz gekoppelt wird. Dieser neue unbedingte Reiz muss eine andere unbedingte Reaktion hervorrufen als die bisher mit dem bedingten Reiz verbundene.

Hier müssen zwei Fälle unterschieden werden.

  1. Die aufzulösende klassische Konditionierung basiert auf einem als unangenehm bzw. aversiv empfundenen unbedingten Reiz wie schmerzhafte Stromschläge oder medikamentös hervorgerufener Übelkeit.
  2. Die aufzulösende klassische Konditionierung basiert auf einem als angenehm bzw. appetitiv empfundenen unbedingten Reiz wie der Futtergabe.

Diese Fälle sind deshalb zu unterscheiden, weil gewissermaßen Fall 1 Fall 2 aufhebt und umgekehrt.

Im Beispiel für die Gegenkonditionierung nach Fall 1 wird deutlich, was gemeint ist. Erhält ein Hund in einem Versuch schmerzhafte Stromschläge (aversiver US), wird er hierauf eine Angst- und Schmerzreaktion als unbedingte Reaktion zeigen. Ein Tonsignal dient als neutraler Stimulus (NS), auf den keine spezifische Reaktion erfolgt. Wird dieses Tonsignal regelmäßig vor dem Stromschlag gegeben, erfolgt eine klassische Konditionierung. Durch diese wird der Ton bald zum bedingten Reiz (CS). Jetzt zeigt der Hund auf das Tonsignal (CS) hin als bedingte Reaktion Angst und Schmerz. In einer Gegenkonditionierung würde nun das Tonsignal (CS) nicht mehr von einem aversiven unbedingten Reiz wie dem Stromschlag begleitet. Vielmehr würde ein appetitiv/angenehmer unbedingter Reiz auf das Tonsignal hin folgen. Hierbei könnte es sich um sehr leckeres Futter handeln. Bei erfolgreicher Gegenkonditionierung würde der Hund auf das Tonsignal (CS) nicht mehr mit Angst und Schmerz als konditionierter Reaktion antworten. Vielmehr würde er jetzt schon mit der Speichelproduktion beginnen.

Da bei dieser Art der Gegenkonditionierung ein aversiv wirkender unbedingter Reiz (Stromschlag oder medikamentöse Übelkeit) mit dem bisher angenehm besetzten konditionierten Reiz gekoppelt wird, besteht hier eine Überschneidung zur unten dargestellten Aversionstherapie.

Als Beispiel für den zweiten Fall können Pawlows Hunde dienen. Der Klang eines Metronoms diente als neutraler Reiz (NS) und wurde im Rahmen der klassischen Konditionierung mit Futter (angenehmer US1) gekoppelt. Der Klang des Metronoms wurde so zum konditionierten Reiz (CS), sodass die Hunde bei seinem Klang auch ohne Futter zu speicheln (CR1) begannen. Eine erfolgreiche Gegenkonditionierung zielt nun darauf ab, dass der Klang des Metronoms (CS) kein Sabbern mehr auslöst. Dazu wird der Klang des Metronoms (CS) nun mit einem anderen, aversiv empfundenen, unkonditionierten Reiz (aversiver US2) verbunden. Nach erfolgreicher Gegenkonditionierung wird der Hund dann nicht mehr sabbern (CR1), sondern eine Angstreaktion (CR2) zeigen, wenn das Metronom (CS) ertönt.

6.8 Aversive Konditionierung in der Aversionstherapie

Das Wort „aversiv“ kommt aus dem Lateinischen und kann mit „unangenehm“ oder „ekelhaft“ übersetzt werden. Wird das Wort im Zusammenhang mit der klassischen Konditionierung verwendet, weist es darauf hin, dass der verwendete unbedingte Reiz aversiv ist (Siehe dazu auch oben „Gegenkonditionierung Fall 1“). Bei dem aversiven Reiz kann es sich um durch ein Medikament hervorgerufene Übelkeit oder Schmerzen z. B. durch Stromstöße handeln. 

Die Aversionstherapie wird heute nur noch in besonderen Fällen eingesetzt, wenn andere Methoden versagt haben. Die Fälle, in denen sie Verwendung findet, sind die von Selbstverletzung und Sucht.

Die Aversionstherapie lässt sich am Beispiel einer Alkoholsucht verständlich machen. Hier können Reize wie der Geruch alkoholischer Getränke oder der Anblick von als konditionierte Reize aufgefasst werden. Die konditionierte, reflexhafte Reaktion wäre dann der aufkommende Durst und Lust, den Alkohol zu trinken. Nun wird in der Aversionstherapie der Patient einerseits diesen „angenehmen“, durstmachenden Reizen ausgesetzt, während ihm gleichzeitig von dem Medikament übel ist. Verläuft diese Therapie erfolgreich, wird ihm künftig beim bloßen Anblick und Geruch der Getränke übel und er kann und will dann nicht mehr trinken.

6.9 Extinktion oder Löschung und spontane Erholung

Die Extinktion oder Löschung ist eine weitere Möglichkeit, eine klassische Konditionierung aufzulösen.

Eine solche Löschung erfolgt, wenn der konditionierte Stimulus häufig ohne den unbedingten, natürlichen Reiz auftritt. In dem Fall wird die konditionierte Reaktion immer schwächer. Pawlow sprach dabei nicht von Löschung, sondern von Hemmung und Abschwächung. Durch diverse Übersetzungsfehler wurde daraus Extinktion und Löschung. Alle diese Begriffe sagen aus, dass die bedingte Reaktion seltener auftritt oder dass sie schwächer ausgeprägt auftritt. 

Mit der Löschung einher geht die spontane Erholung. Sie kann auftreten, wenn nach einiger Zeit der konditionierte Reiz erneut gegeben wird und in Folge die konditionierte Reaktion erfolgt.

Wenn der unbedingte Stimulus nie wieder mit dem konditionierten Stimulus gemeinsam erscheint, kann es zu einer vollständigen Löschung kommen und die konditionierte Reaktion wird gar nicht mehr auf den konditionierten Stimulus hin gezeigt. 

Einige Quellen führen dies fälschlicherweise auf „vergessen“ zurück: Der Hund würde vergessen, Speichel zu produzieren (CR), wenn dem Klingelton (CS) kein Futter (US) mehr folge. Das stimmt nicht. Vielmehr verliert der konditionierte Reiz seine Vorhersagekraft bzw. seine Kontingenz für den unbedingten Reiz und macht die konditionierte Reaktion somit überflüssig.

7. Wie wird die klassische Konditionierung angewendet?

Die klassische Konditionierung wird in verschiedenen Varianten noch heute in vielen Bereichen eingesetzt. Wir begegnen ihr nicht nur in der Verhaltenstherapie, sondern schon während unserer Erziehung durch Eltern, im Kindergarten und der Schule. Wir setzen sie in der Hundeerziehung und dem Hundetraining ebenso wie im Tiertraining allgemein ein. Selbst der Auftritt positiv besetzter Prominenter in der Werbung basiert auf der klassischen Konditionierung. 

7.1 Wie wird die klassische Konditionierung Verhaltenstherapie angewendet?

Der Ursprung einiger psychischer Verhaltensprobleme kann als klassische Konditionierung begriffen werden. Sie muss nicht von einem „großen Konditionator“ herbeigeführt werden. Vielmehr kann sie im Leben einfach so entstehen, wenn zwei Reize zeitnah auftreten. In dem Fall stellt sich die folgende Frage:

7.1.1 Wie kann man eine klassische Konditionierung rückgängig machen?

Um eine klassische Konditionierung rückgängig zu machen, kann auf die oben beschriebenen Methoden zurückgegriffen werden:

  • Gegenkonditionierung bzw. Aversionstherapie
  • Extinktion oder Löschung

Als Beispiel für die Aversionstherapie sei hier noch auf den von Stanley Kubrik verfilmenten Roman „Clockwork Orange“, Uhrwerk Orange zu Deutsch verwiesen. Hier wird der gewalttätige Protagonist „Alex“ zum Ende der Handlung aversiv therapiert, um seine Gewalttätigkeit zu beenden. Er bekommt zu diesem Zwecke ein Übelkeit verursachendes Mittel verabreicht, während er Gewalt zeigende Filme schauen muss. 

7.2 Wie wird die klassische Konditionierung in Kindererziehung, der Kita und der Schule angewendet?

Als nur eines von vielen Beispielen, wie die klassische Konditionierung in der Kindererziehung eingesetzt wird, greife ich auf die hemmende oder inhibitorische Konditionierung zurück. 

Im Beispiel wird hier ein Kind regelmäßig von einem anderen Kind bedrängt oder verhauen, stellt das einen aversiven unbedingten Reiz (US) dar. Hierauf zeigt das Kind eine Angstreaktion (UR) und will nicht mehr in den Kindergarten oder die Schule. Die Anwesenheit von Erwachsenen ist zunächst ein neutraler Stimulus. Schreiten die Erwachsenen aber ein und verhindern diese Zwischenfälle regelmäßig, wird deren Anwesenheit zu einem bedingten „Sicherheits“-Reiz. Dieser hemmt oder mindert die Angstreaktion.

7.3 Die klassische Konditionierung in Hundeerziehung, Hundetraining und Tiertraining

In der Hundeerziehung und Hundetraining spielt die klassische Konditionierung eine immense Rolle. 

Das bekannteste Beispiel dürfte wohl die „Gewöhnung“ des Hundes an den Klicker sein. Sie stellt eine klassische exzitatorische Konditionierung dar. Denn hier soll der Hund den zunächst neutralen Reiz, den das Klicken des Clickers darstellt, mit dem unkonditionierten Reiz, der von Futter ausgeht, verknüpfen. Im Ergebnis erhält der Klicker als konditionierter Reiz den Signalwert „jetzt kommt Futter“.

Auf klassische Konditionierung lässt sich aber auch zurückführen, dass Hunde schon früh erkennen, wann es

  • Futter gibt
  • Auf Gassi-Runde geht
  • ein besonderer Trip z. B. zum Tierarzt oder Hundesalon ansteht.

Die konditionierten Reize, die hier zum Zuge kommen, werden fast samt und sonders vom Hundemenschen selbst ausgesendet: 

  • Er oder sie geht zum Futterschrank
  • Er oder sie zieht sich an

Auch das Thema Reizgeneralisierung und Reizdiskriminierung ist im Umgang mit Hunden täglich zu beobachten. Denn ein Hund erkennt anhand des Verhaltens seines Menschen (konditionierter Reiz) schnell, ob der sich anzieht und den Hund mitnehmen wird und ob es sich um eine Gassirunde (Freude als konditionierte Reaktion) oder weniger schöne Ziele (Dann zeigt er Widerwillen etc. als konditionierte Angstreaktionen) handeln wird.

7.4 Werbung: Was ist Evaluative Konditionierung?

Die klassische Konditionierung hat auch in der Werbung Einzug gehalten. Dort wird sei „evaluative“ Konditionierung genannt. Evaluativ bedeutet „bewertend“. Ziel ist es hier, dass die positive Bewertung, die z. B. ein bestimmter Prominenter beim Betrachter genießt, auf das Produkt übergeht. 

In der Theorie geht hierbei von dem Prominenten ein angenehmer Reiz aus. Dieser kann bereits ein konditionierter Reiz sein: Wenn nämlich der Prominente den Betrachter gut und lustig unterhalten hat, wäre das der unkonditionierte Reiz und vielleicht ein Lachen die unbedingte Reaktion. Da dieses samt dem mit dem Lachen verbundene Wertschätzung eng mit dem Prominenten verbunden ist, wird der Prominente zum konditionierten Reiz, der diese Wertschätzung auslöst. Er muss dazu vielleicht gar nicht oder nur wenig witzig sein. In der Werbung wird nun versucht, durch eine Konditionierung 2. Ordnung die Wertschätzung auf das bisher neutrale Produkt zu übertragen.

Die evaluative Konditionierung befindet sich weit am Rand des Behaviorismus. Dieser legt im Allgemeinen Wert auf messbare Reize und Reaktionen. Die Wertschätzung für einen Prominenten und ein Produkt ist aber bei weitem nicht so klar messbar, wie Reaktionen, die aus Reflexen bestehen.

8. Was ist der Unterschied zwischen klassischer und operanter Konditionierung?

Neben der klassischen existiert auch die operante Konditionierung, die von B. F. Skinner entwickelt wurde. Die Unterschiede zwischen beiden stellt die folgende Tabelle dar:

Unterschiede zwischen klassischer und operanter Konditionierung
  Klassische Konditionierung Operante Konditionierung
Konditioniert wird eine Reiz-Reiz-Kopplung eine Reaktions-Reiz-Kopplung
Reaktionen sind eher Reflexe und damit nicht bewusst steuerbar. werden als Operationen betrachtet, deren Auftretenswahrscheinlichkeit an der folgenden Konsequenz liegt. Diese ist der konditionierte Reiz.
Synonyme Signallernen, Reflexlernen Lernen am Erfolg

 

9. Was führt bei der klassischen Konditionierung zu Kritik?

Die Konditionierung und vor allem die klassische Konditionierung stößt dort an ihre Grenzen, wo erkannt wird, dass höhere Lebewesen wie Menschen und neben Hunden auch viele andere Tiere nicht nur äußerlich messbare Reaktionen zeigen. Vielmehr laufen komplexe innere Prozesse ab. Diese werden auch nicht von einem einzelnen, äußerlich auftretenden und messbaren Reiz beeinflusst. Sondern die Summe der äußeren Reize stößt auf eine Summe innerer Reize (z. B. leerer Magen mit Hunger oder Durst) und Bedürfnisse.

Besonders bezogen auf den Menschen sind heute modernere Ansätze in der Lern- und Verhaltenspsychologie zu finden. Diese beziehen nicht nur Gedanken und Überzeugungen in ihre Verfahren ein.

10. Fazit

Die Konditionierung im Allgemeinen und die klassische Konditionierung im Speziellen stellen eine Grundlage zum Verständnis vieler Verhaltensweisen. Noch heute finden wir viele Anwendungsbeispiele sowohl bezogen auf menschliches als vor allem auch auf tierisches Verhalten. 

Mit ausreichenden Grundkenntnissen in Konditionierung ist noch heute eine Erziehung von Hunden möglich.

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