Lerntheorie für Hunde

Wie wirken Lerntheorien auf die Trainingsmethoden für Hunde?

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Zuletzt aktualisiert am: 22.8.2024

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Synonyme
  • Behaviorismus
  • Kognitivismus
  • Lernen am Erfolg
  • Lernen am Modell
  • Modelllernen

Lerntheorien sind Modelle und Hypothesen, die versuchen, den komplexen Vorgang des Lernens psychologisch mit möglichst einfachen Prinzipien und Regeln zu erklären und diese experimentell zu überprüfen. Auf einigen von ihnen basieren die modernen Trainingsmethoden. Lernen ist eine nachhaltige Verhaltensänderung, die von Lehrern oder Trainern und Hundehaltern besser unterstütz werden kann, wenn sie die lerntheoretischen Prinzipien dieser Trainingsmethoden kennen und verstehen.

Die bis heute entwickelten Lerntheorien für das Lernen biologischer Wesen lassen sich in der Reihenfolge ihrer Entwicklung in folgende drei Hauptgruppen unterteilen: Behaviorismus, Instruktionalismus und Kognitivismus. Der Instruktionalismus, der zwar auf den Ansätzen des Behaviorismus aufbaut, sich aber auf das Lernen von Menschen bezieht und von einem Lehrer fordert, dem passiven lernenden Schüler Wissen zu vermitteln und ihn zu instruieren, wird hier nicht behandelt: Wir stellen auf Hunde ab, denen wir keine Lehrvorträge halten können. Von den hier behandelten Lernttheorien abzugrenzen ist auch der der Vorgang der Prägung

Der Behaviorismus und die drei Arten der Konditionierung

Der Begriff Behaviorismus leitet sich vom englischen Nomen behavior ab, das mit Verhalten übersetzt werden kann. Auch wenn es sich um einen psychologischen Ansatz handelt, steht bei den drei wesentlichen behavioristischen Lerntheorien, nämlich der klassischen, der instrumentellen und der operanten Konditionierung, in unterschiedlichem Maße das sicht- und messbare Verhalten, jeweils als Reaktion auf ebenfalls beobacht- und messbare Reize im Fokus der Forschung. Die Theorien des Behaviorismus verzichten daher zur Erklärung von Verhalten auf nicht klar definierte und sich auf innere Bedingungen beziehende Begriffe wie den Instinkt.

Um 1900 herum entstanden in Russland mit der klassischen Konditionierung Pawlows und mit der instrumentellen Konditionierung Thorndikes in den USA die ersten behavioristischen Lerntheorien.

Während Pawlow anhand der Pawlowschen Hunde erkannte, dass es möglich ist, unbedeutende Reize mit bedeutenden so zu koppeln, damit ein Lebewesen nach der klassischen Konditionierung auf den ursprünglich unbedeutenden Reiz mit demselben Reflex reagiert, wie auf den bedeutenden, erforschte Thorndike, wie ein Lebewesen durch die instrumentelle Konditionierung lernt, einem speziellen Reiz mit der „richtigen“ Reaktion zu begegnen und stellt so fest, dass auch Reize mit speziellen Reaktionen gekoppelt werden können. Auch wenn bei beiden das Verhalten im Vordergrund stand und auch Thorndike zwar ausschließlich von Dritten beobachtbares Verhalten und ebensolche Reize maß, stellte er denn das Gesetz der Bereitschaft auf. Dieses behauptet, dass ein Lebewesen nur lernt, wenn es dazu eine Bereitschaft aufweist. Dies kann als eine Mutmaßung über einen inneren Vorgang betrachtet werden. Um diese Bereitschaft herzustellen, stellte er seine Versuchstiere vor ein zu lösendes Problem: Er stellte Futter (Reiz) vor einen „Problemkäfig“, sperrte ein Versuchstier in den Käfig (ebenfalls Reiz, nämlich Freiheitsentzug), aus dem es nur durch die richtige Reaktion ausbrechen und zum Futter gelangen konnten. Thorndike ging es nun im Kern darum, zu erforschen, ob die Tiere durch Versuch und Irrtum oder durch Kognition (von lat. Cognitio für Einsicht) lernten, den Mechanismus auszulösen, der den Käfig öffnete. In diesem Abschnitt des ersten Teils unserer dreiteiligen Artikelreihe über die wissenschaftlichen Grundlangen und praktische Anwendung moderner Trainingsmethoden stellen wir seine Experimente detaillert dar. Sie ergaben, dass die Tiere nicht durch einen Moment der Erkenntnis lernten, sondern durch Versuch und Irrtum. Hieraus formulierte er das Gesetz der Wirkung, das besagt, dass das Verhalten oder die Reaktion häufiger gezeigt wird, die sich als wirkungsvoll und problemlösend erweist, als das Verhalten, das sich nicht als solches erweist. Die Wirkung des Verhaltens entscheidet also darüber, ob es häufiger gezeigt wird. 

Die von B. F. Skinner in den USA während der 1930er Jahre entwickelte operante Konditionierung begründet den radikalen Behavorismus. Im Gegensatz zu Thorndike verbannte er radikal alle Annahmen über innere Vorgänge, inklusive Thorndikes Gesetz der Bereitschaft zu Lernen, in eine „Blackbox“. Er wollte die Psychologie und die Verhaltensforschung auf streng wissenschaftliche Basis stellen, in der nur beobachtete und gemessene Werte beachtet, Mutmaßungen aber in den Bereich des nicht wissenschaftlichen Glaubens verbannt werden. So ging er davon aus, dass eine Bereitschaft zum Lernen nicht gegeben sein muss, sondern Thorndikes Gesetz der Wirkung ausschlaggebend sei. Skinner zu Folge wird ständig irgendein zufälliges Verhalten gezeigt, wobei jeder einzelnen Reaktion eine Konsequenz in Form eines als angenehm oder unangenehm empfundenen Reizes folgt. Dieser Reiz kann entweder in Folge des Verhaltens auftreten oder entzogen werden. Die sich hieraus ergebenden vier Möglichkeiten benennt er positive Verstärkung, negative Verstärkung, positive und negative Strafe und fasst sie im Kontingenzschema zusammen.

Auf diesen Erkenntnissen baute Skinner seine operante Konditionierung zu einem Werkzeug für Trainer und Lehrer aus, das er bis zu seiner „programmierter Unterricht“ genannten Lehrmethode ausbaut, die die Schulpädagogik der USA in der Mitte des letzten Jahrhunderts prägte.

Auf diesen behavioristischen Lerntheorien, die auch als Lernen am Erfolg bezeichnet werden, basiert, wie im zweiten Teil der o. a. Artikelserie detailliert dargestellt, unsere moderne Hundeerziehung und die entsprechenden Trainingsmethoden. 

Der Ursprung des Kognitivismus 

Allerdings gab es schon früh Kritiker an diesen Ansätzen, die auch für Tiere reklamierten, dass es zu kurz gegriffen sei, innere Vorgänge in einer Blackbox unbeachtet liegen zu lassen. Vielmehr seien vor allem der Mensch, aber auch Tiere, zu innerer Verarbeitung von Wissen imstande, was den Kognitivismus begründet. Unter diesem Begriff werden viele einzelne Lerntheorien zusammengefasst, die jeweils andere, teilweise höhere geistige Fähigkeiten voraussetzen. 

Edward Chace Tolman Versuche in den 1930er Jahren zeigten, dass die Verhaltenskonsequenzen aus Skinners Kontingenzschema selbst bei Tieren nicht ausschlaggebend für das Erlernen eines Verhaltens sein müssen. Für sein Experiment sperrte er Ratten in ein Labyrinth, das am Ende eines Ganges mit einem Futterspender ausgestattet war. Die Ratten teilte er in Gruppen ein. War die erste Gruppe im Labyrinth, war der Futterspender gefüllt, war die andere Gruppe im Labyrinth, war der Futterspender nicht gefüllt. Nun stellte er fest, dass die Ratten, die immer Futter vorfanden, offenbar nach wenigen Durchgängen lernten, sich im Labyrinth auszukennen und zielstrebig zum Futter zu laufen. Nach einigen Durchläufen füllte er den Futterspender auch dann, wenn die zweite Gruppe im Labyrinth war. Nun stellte er fest, dass diese Gruppe schon im zweiten Durchlauf mit Futter sofort zum Futtersender lief: Sie hatten also schon vor der Futtergabe eine innere, kognitive Karte des Labyrinths angelegt und somit gelernt, sich in demselben zu orientieren. Das belohnend, verstärkende Futter diente lediglich als Motivator, das Gelernte anzuwenden. Das hier detailliert beschriebene Experiment wird allgemein als die Grundlage der kognitivistischen Lerntheorien angesehen.

Modelllernen – eine kognitive Leistung auch von Hunden

Das Lernen am Modell wurde von Albert Banduras in den 1960er Jahren als sozial-kognitive Lerntheorie für den Menschen entwickelt. Nach dieser Theorie werden Verhaltensweisen von anderen Mitgliedern der sozialen Gruppe, die als Modell dienen und den tatsächlich eintretenden Verhaltensfolgen aus dem Kontingenzschema vom Lernenden beobachtet und, falls die Folgen als angenehm eingestuft werden, übernommen.

Hundehalter, die ihren Hund bestrafen, sollten ihre Rolle als Modell, bei dem sich ihr Hund Verhalten abschaut, nicht unterschätzen. Dies gilt vor allem für die positive Strafe, die im Kontingenzschema als in Folge einer Handlung auftretender oder hinzugefügter unangenehmer Reiz definiert. Daher ist die Strafe „positiv“ – der Reiz wird hinzugefügt und nicht beendet. Ein solcher hinzugefügter unangenehmer Reiz, beispielsweise ein Schlag mit der Zeitung auf den Hund, stellt ein aggressives Verhalten dar, das einige Hunde sich bei ihren Haltern abschauen und ihrerseits zur „Bestrafung“ aus ihrer Sicht unerwünschten Verhaltens anderer Hunde oder Menschen anwenden.  Neben diesem Risiko bestehen drei weitere Risiken der positiven Strafe, die wir hier wissenschaftlich begründen und beschreiben.

Daneben spielt das Modelllernen vor allen Dingen in der Mehrhundehaltung, aber auch in der „Gassigruppe“ eine Rolle, da diese Lerntheorie beschreibt, wie ein Hund Verhalten von einem anderen Hund übernimmt. 

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