Verhalten vom Hund

Was ist „erwünschtes“ und „unerwünschtes“ Verhalten bei Hunden?

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Zuletzt aktualisiert am: 25.3.2024

Ein schwarzer Hund steht auf den Hinterbeinen und versucht das Leckerchen seiner Halterin zu erreichen.jpg
Synonyme
  • Alternativverhalten
  • erwünschtes Verhalten
  • Fehlverhalten
  • gewünschtes Verhalten
  • unerwünschtes Verhalten

Der Begriff „Verhalten“ wird in der Psychologie je nach Teildisziplin unterschiedlich definiert. Für den Bezug auf Hundeerziehung reicht der Ansatz, dass es sich bei Verhalten um von außen beobachtbare und messbare physische Aktivitäten des Lebewesens handelt. Verhalten wird von Reizen aus der Umwelt beeinflusst und dient dazu, dass angenehme Reize möglichst häufig auftreten und unangehme vermieden werden. Auch die Kommunikation zum Verhalten.

Wenn Verhalten eine körperliche, messbare und beobachtbare Aktivität ist, ergeben sich Grenzbereiche: So können Gehirnaktivitäten gemessen, Herzschlag und Atmung darüber hinaus auch beobachtet werden. Somit könnten sie alle dem Verhalten zugerechnet werden, obwohl niemand ernsthaft einen Satz wie "Der Hund schlägt mit dem Herz" formurlieren würde. In der Humanpsychologie spielt natürlich das Denken eine große, bei unseren Tieren eine eher untergeordnete Rolle: Selbst, wenn Hunde befähigt wären, auf höherer Ebene zu denken, ist es ihnen bisher noch nicht gelungen, die Resultate eines solchen Denkprozesses einem Menschen mitzuteilen. Damit ist zwar die Gehirnaktivität eines Hundes messbar, aber das Denken als solches nicht beobachtbar, weil nicht kommunizierbar. Wissenschaftlich hat sich unter anderen die von Konrad Lorenz vertretene Ethologie mit den im inneren ablaufenden und für die Verhaltensentstehung relevanten Prozessen beschäftigt und die zwischenzeitlich als wissenschaftlich nicht belegbar und widersprüchlich geltende der Instinkttheorie entwickelt.

Wichtiger ist für Hundehalter jedoch der Bezug des Verhaltens auf die Umwelt: So werden physiologische Aktivitäten wie Puls und Atemfrequenz dann zu Verhalten, wenn sie durch äußere Reize, beispielsweise plötzliche laute Geräusche, beeinflusst werden und somit eine (reflexhafte) Reaktion sind. 

Reflexe, also unwillkürliche und damit nicht bewusst steuerbare körperliche Reaktionen auf Reize, zählen eindeutig zum Verhalten: Sie wurden durch Pawlow erforscht und in der klassischen Konditionierung dargestellt. Da die Reaktionen hier nicht steuerbar sind, befasst sich die klassische Konditionierung als Lerntheorie mit der Kopplung zweier Reize. Das Ergebnis einer erfolgreichen klassischen Konditionierung ist, dass ein ursprünglich unbedeutender Reiz dasselbe reflexhafte Verhalten auslöst, wie der Reiz, der ursprünglich den Reflex auslöst.

B. F. Skinner, der die operante Konditionierung entwickelte, beschrieb Verhalten zunächst als Reaktion-Reiz-Kopplung. Im Fall der positiven Verstärkung führt in Skinners Experiment, das wir in diesem Abschnitt des ersten Teils unserer dreiteiligen Reihe über die wissenschaftliche Entwicklung der Lerntheorie und ihrer praktischen Anwendung eingehend beschreiben, ein bestimmtes Verhalten des Versuchstiers (Drücken eines Schalters) zu einem angenehmen und somit belohnenden Reiz (automatische Ausgabe einiger Futterpillen). Nach einiger Zeit nahm die Wahrscheinlichkeit, dass der Schalter von der Ratte gedrückt wird, zu, da es sich hierbei aus Sicht des Versuchstiers um ein erfolgreiches Verhalten handelt.

Insgesamt kann man also sagen, dass das operanten Verhalten eines Individuums diesem dazu dient, in der viele Reize aussendenden Umwelt erfolgreich zu bestehen, indem es möglichst erfolgreich auf die Reize reagiert. Dazu können nach der klassischen Konditionierung entweder Reize mit Reizen gekoppelt werden, um auf immer gleiche reflexhafte Weise beinahe automatisch zu reagieren. In der operanten Konditionierung werden Reize mit speziellen Reaktionen gekoppelt, um das Verhalten zu verändern. Ziel erfolgreichen Verhaltens wäre demnach

  1. die Beendigung unangenehmer Reize,
  2. die Vermeidung unangenehmer Reize,
  3. die Herbeiführung angenehmer Reize,
  4. die Beibehaltung angenehmer Reize.

Entsprechend der oben dargestellten Kriterien erfolgreichen Verhaltens stellt Skinner in seinem Kontingenzschema zur operanten Konditionierung neben der positiven Verstärkung drei weitere verhaltensformende Konsequenzen dar. Neben der positiven führt auch die negative Verstärkung dazu, dass ein Verhalten häufiger gezeigt wird. Negativ verstärktes Verhalten ist Fluchtverhalten oder Vermeidungsverhalten. Die positive und negative Strafe hingegen senken die Wahrscheinlichkeit, dass ein Verhalten auftritt. Dieser Ansatz, Verhalten zu erklären, kann auf unklare Begriffe wie den des Instinkts verzichten und ist klar von dem Begriff der Prägung zu unterscheiden, obwohl auch die Prägung im jungen Alter einen großen Einfluss auf das Verhalten des erwachsenen Hundes hat.

Im Laufe seiner Forschungen entwickelte er sein Modell zu einer Reiz-Reaktions-Reiz-Kopplung weiter. Der erste Reiz dient nun als Hinweisreiz (z. B. Futter wahrnehmen) und zeigt an, dass eine bestimmte Reaktion bzw. ein bestimmtes Verhalten (z. B. Futter fressen) zu einem angenehm-belohnenden Reiz (z. B. Futter schmecken) also einem einem Verhaltensverstärker führt, der die Konsequenz der Reaktion ist. 

Die Betrachtung eines Verhaltens als Reiz-Reaktion-Reiz-Kopplung bietet auch die Möglichkeit, komplexeres Verhalten als Verhaltenskette aus einzelnen Teilschritten zu beschreiben. So könnte das Beutefangverhalten, das sich zwischen der Wahrnehmung einer Hasenspur und dem Fressen des Hasen abspielt als eine Kette solcher Kopplungen beschrieben werden, wobei den Reizen, die zwischen den einzelnen Reaktionen liegen, eine Doppelrolle zukommt: Sie sind sowohl Hinweis- für das folgende Verhalten, als auch verhaltensverstärkender Reiz für das vorangegangene Verhalten. Hier die vereinfachte Verhaltenskette: 

Reiz: Riechen einer Hasenfährte. Reaktion: Der Fährte folgen. Reiz: Hase sehen. Reaktion: Hase hetzen. Reiz: Hase in Bissreichweite. Reaktion: Hase reißen. Reiz: Hase liegt erlegt vor dem Raubtier. Reaktion: Hase auffressen. Reiz: Leckeres Futter im Fang. Reaktion: kauen. Reiz: Brei im Fang. Reaktion: Schlucken Reiz: voller Bauch

Insgesamt lässt sich also ableiten, dass ein Lebewesen ein bestimmtes Verhalten auf Grund eines Hinweisreizes dann häufiger zeigt, wenn sich dieses Verhalten im Ergebnis für das Lebewesen lohnt und ein Verhalten dann seltener zeigt, wenn es sich nicht lohnt oder gar unangenehme Folgen hat. 

Werden solche Kopplungen aus Reizen und Reizen oder Reizen und Reaktionen erstellt oder angepasst, wird dies Akquisition genannt und entspricht dem Vorgang des Lernens. Dies kann durch eigenes Ausprobieren im Rahmen der Konditionierung oder durch die Beobachtung des Verhaltens anderer, also dem Modelllernen, bewerkstelligt werden. Allerdings lässt sich diese Akquisition in einem nur wenige Reize bietenden Labor leichter und somit schneller bewerkstelligen als in einer komplexen Umwelt, die zu jedem Zeitpunkt eine Vielzahl von Reizen gleichzeitig aussendet. Dort liegt die Schwierigkeit darin, in einer aus vielen Reizen bestehenden Situation, den entscheidenden Hinweisreiz zu identifizieren und mit dem entsprechenden Verhalten und dem folgenden Konsequenz-Reiz zu koppeln. 

Auch die Ausführung oder Performance einer solchen Reiz-Reaktion-Reiz-Kopplung ist im Labor aus demselben Grund einfacher. In der komplexen Umwelt können zeitgleich widersprüchliche Hinweisreize auftreten, sodass eine Entscheidung darüber zu treffen ist, welches Verhalten ausgeführt werden kann oder soll: Dort spielen ein paar Tiere, hier riecht es nach Wild als Beute. Ob nun zu den spielenden Tieren hin- oder hinter dem Wildstück hergelaufen wird, hängt unter anderem von der aktuellen inneren Bedürfnisstruktur ab, aus der sich eine Hierarchie ergibt, welche vom Hinweisreiz angezeigten belohnenden und verhaltensverstärkenden Reize zu einem gegebenen Zeitpunkt angenehmer sind: Ein satter Wolf wird vielleicht lieber spielen, als neues Futter zu erjagen.

Bezogen auf Hunde bedeutet das, dass sie sich Verhaltensweisen von anderen Tieren und auch Menschen abschauen oder selbst ausprobieren und dann diejenigen häufiger zeigen werden, die sich für sie als erfolgreich oder lohnend erwiesen haben. Ob ein Mensch sein Verhalten als gehorsam, angenehm, wünschenswert, als Fehlverhalten oder Alternativverhalten bezeichnet ist aus Hundesicht zunächst unerheblich: Für einen Hund zählt nur, ob er damit seine Bedürfnisse erfolgreich befriedigen kann. 

Einfluss auf das Verhalten eines Hundes kann also nur jemand nehmen, der die Bedürfnisse des Tieres kennt und sie planvoll befriedigen kann. Planvoll bedeutet in diesem Zusammenhang, dass ein möglichst großer Teil der Bedürfnisbefriedigung im Rahmen der gewünschten Reiz-Reaktion-Reiz-Kopplungen, bestehend jeweils aus dem entsprechenden Signal als Hinweisreiz(z. B. das Wort „Sitz“ in Verbindung mit einer entsprechenden Geste), dem entsprechenden Verhalten und dem belohnend-verhaltensverstärkenden Reiz (z. B. ein in der offenen Hand vor das Maul des Hundes gehaltenes Leckerchen oder Trockenfutterstück bzw. ein werthaltiges Lob) erfolgt. 

Der Aufbau solcher Kopplungen erfolgt unter Verwendung moderner Trainingsmethoden, die dann nach einem Trainingsplan so gefestigt werden sollten, dass sie auch in der an weiteren und den Hund ablenkenden Hinweis- und belohnenden Reizen reichen Umwelt noch ausgeführt werden. So kann von uns unerwünschtes Verhalten mit dem Abruf eines Alternativverhaltens verhindert  und unterbrochen werden: Macht der Hund sitz, kann er nicht weglaufen. Um ein Verhalten aufzubauen, damit es als Alternativverhalten unter größter Ablenkung noch abrufbar ist und das Auftreten gänzlich unerwünschten Verhaltens verhindert oder unterbricht, ist ein wenig Hintergrundwissen erforderlich. Über solches sollte ein erfahrener Trainer verfügen. Alternativ kannst Du es Dir aber auch in unserer dreitiligen Reihe über die wissenschaftliche Entwicklung der Lerntheorien und ihre praktische Anwendung im Hundetraining nachlesen.

Lerntheorie I: Die wissenschaftlichen Grundlagen modernen Hundetrainings – Pawlow, Skinner & Co

Lerntheorie II: Clicker- & Targettraining, Shaping & Chaining, Capturing & Co als angewandte Wissenschaft

Lerntheorie III: Der Kurzüberblick über die Trainingsmethoden der modernen Hundeerziehung

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