Kontingenzschema im Hundetraining

Was bedeutet das Kontingenzschema für die Hundeerziehung?

Von:
Zuletzt aktualisiert am: 19.12.2023

Yorkshire Terrier beim Targettraining.jpg

Das Kontingenzschema beschreibt die vier möglichen Konsequenzen von Verhalten in der operanter Konditionierung, von denen die positive Verstärkung diejenige ist, auf der die modernen Trainingsmethoden für Hunde basieren, denn die Konsequenzen beeinflussen das Auftreten des Verhaltens in der Zukunft. Dieses Schema stellt eines der Fundeamente von Skinners operanter Konditionierung dar.

Die Lerntheorie der operanten Konditionierung, zeigt, dass das zukünftige Verhalten davon bestimmt, welcher Art die Konsequenz in Form eines Reizes desselben Verhaltens in der Vergangenheit war. Annahmen über innere Vorgänge, beispielsweise Instinkte benötigt die operante Konditionierung, die von der Prägung zu unterscheiden ist, nicht. Skinner stellt in seiner Lerntheorie Verhalten als Reaktion-Reiz-Kopplung dar und unterschied zunächst zwischen Reizen, die Reaktionen künftig häufiger auftreten ließen, den Verhaltensverstärkern, und solchen, die Verhalten künftig seltener auftreten ließen und die er den Strafen zuordnete. Andererseits konnten solche Reize in Folge des Verhaltens entweder beginnen, weshalb das Adjektiv „positiv“ beigefügt wird, oder sie enden, was mit dem Adjektiv „negativ“ ausgedrückt wird. Hieraus ergibt sich folgende Tabelle, die das Kontingenzschema darstellt:

Dem Verhalten folgender Reiz... Verhalten wird häufiger gezeigt Verhalten wird seltener gezeigt
...beginnt positiver Verstärker positive Strafe
...endet negativer Verstärker negative Strafe

 

Diese Darstellung entspricht Skinners streng wissenschaftlicher Herangehensweise, der zufolge nur messbare Ereignisse Beachtung finden, nicht jedoch Mutmaßungen. In seinen in der Skinner-Box durchgeführten Experimenten konnte er lediglich messen ob ein Reiz nach einem bestimmten Verhalten startete oder endete und ob das vorangehende Verhalten künftig häufiger oder seltener gezeigt wurde. Nicht direkt messbar war für ihn, ob ein Reiz als angenehm oder unangenehm empfunden wurde und somit verstärkend oder bestrafend wirkt. Um zu wissen, ob ein Reiz, der nach einem Verhalten auftritt, ein Verstärker oder eine Strafe ist, muss also die künftige Auftrittswahrscheinlichkeit des Verhaltens gemessen werden. Wenn ein Reiz also nach einem Verhalten beginnt und positiv verstärkend wirkt, und die Auftretenswahrscheinlichkeit des Verhaltens künftig zunimmt, wird er als angenehm empfunden. Umgekehrt kann für den positiv strafend wirkenden Reiz geschlossen werden, dass er als unangenehm empfunden wird. Aus dieser Überlegung ergibt sich folgende Tabelle:

Auf das Verhalten folgender Reiz... ...ist angenehm/appetitiv (Futtergabe) ...ist unangenehm/aversiv (Strom im Boden der Skinner-Box)
...beginnt positive Verstärkung, die klassische Belohnung positive Strafe
...endet oder beginnt erst gar nicht negative Verstärkung negative Strafe

 

Das Kontingenzschema stellt dar, wie die Umwelt mittels Konsequenzen in Form von Reizen auf das Verhalten eines Lebewesens rückwirkt und andererseits, wie ein Lebewesen durch die Bildung verschiedener Reaktions-Reiz-Kopplungen lernt. Im weiteren Verlauf der Forschung Skinners wurde aus der hier dargestellten zweier Kontingenz durch Hinzufügen eines Hinweisreizes, der dem Lebewesen anzeigt, welche Konsequenz einer bestimmten Reaktion folgt, die Dreier-Kontingenz: Hinweisreiz-Reaktion-Konsequenz.

Allerdings wirft es weitere Fragen auf, wenn diese Erkenntnisse nutzbar gemacht werden sollen, um Verhalten bewusst zu konditionieren, beispielsweise in der Hundeerziehung: In dem Fall müsste beispielsweise vorher bekannt sein, ob ein Reiz, der einem Hund verabreicht wird, von diesem als angenehm oder unangenehm empfunden wird. Skinner selbst löste das Problem, indem er seine Versuchstauben vor den Experimenten durch eine Diät auf 80 % ihres Normalgewichts brachte: So konnte er davon ausgehen, dass sie Futter als angenehm empfinden würden, ohne über innere Zustände und Bedürfnisse mutmaßen zu müssen. Um einen unangehmen Reiz zu verabreichen, rüstete er die Skinner Box mit einem stromleitenden Gitter aus. Durch das Picken von Tauben auf unterschiedliche Schaltflächen wurde entweder der Stromfluss oder ein automatischer Futterspender ausgelöst. 

Sicherlich hatte Skinner eine Erwartung, welchen der beiden Reize die Tauben als angenehm und welchen als unangenehm empfinden würden. Für eine wissenschaftliche Aussage musste die Erwartung aber experimentell unter Beweis gestellt werden, zumal eine allgemeine Erwartung bei einem speziellen Individuum nicht erfüllt werden muss. So kann zwar allgemein angenommen werden, dass ein Essensangebot als Folge eines Verhaltens auf unterernährte Lebewesen angenehm und somit verstärkend wirken müsste. Ob es sich aber beispielsweise bei einem magersüchtigen Menschen ebenso verhält, darf zumindest bezweifelt werden. 

Konkret stellt sich also die Frage, welche Arten von Verstärkern es gibt und wie diese belohnend in der Hundeerziehung eingesetzt werden können. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob und wie sich die positive und die negative Verstärkung, sowie die positive und die negative Strafe im Hundetraining und -alltag einsetzen lassen. Antworten liefert der zweite Teil unserer dreiteiligen Artikelserie über die wissenschaftlichen Grundlagen und deren praktische Anwendung in den modernen Trainingsmethoden.

Hat dir der Inhalt gefallen? Dann teile ihn doch auch mit anderen:

VGWort Zählpixel