Prägung

Was ist Prägung und was bedeutet sie für Hundeerziehung, Hundehalter und Züchter?

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Zuletzt aktualisiert am: 18.9.2024

Gaense laufen einer Frau hinterher und ein Vorder Collie begleitet sie.jpg
Synonyme
  • Reizprägung
  • Verhaltensprägung

Prägung ist ein artspezifischer Lernvorgang, durch den auch Hunde sowohl bestimmte Reaktionen als auch Schlüsselreize lernen. Prägung kann aber nur während der meist in frühester Jugend liegenden sensiblen Prägephase erfolgen. Prägung erfolgt im Gegensatz zu anderen Lernarten unabhängig von Konsequenzen wie Belohnung und Strafe.

Historisches

Bereits der englische Rechtsanwalt, Politiker und Lordkanzler unter König Heinrich VIII., Sir Thomas Morus Februar 1478 bis 06.07.1535), beschrieb in seinem Text „Von der besten Verfassung des Staates und von der neuen Insel Utopia“ das Phänomen der Prägung anhand der auf der Insel Utopia üblichen Praxis, Eier ohne Hennen ausbrüten zu lassen. Die dort geschlüpften Küken, die nie eine Henne, sondern nur Menschen zu Gesicht bekamen, folgten den Menschen, als seien diese ihre Hennen.

1873 bezeichnete der um 1840 in London in einfachen Verhältnissen geborene und 1877 gestorbene Douglas Alexander Spalding in einem Artikel in Macmillan´s Magazine den Vorgang als „stamping in“, also als „einprägen“. 

In Deutschland war Oskar Heinroth (01.03.1871-31.05.1945) der erste, der den Prozess der Prägung untersuchte und den Begriff in Deutschland einführte. Seine Forschung wurde später von Konrad Lorenz aufgenommen und weitergeführt. Für seine Erforschung des Zusammenhangs zwischen Nachfolgeprägung und sexueller Prägung erhielt Lorenz 1973 den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin. Er gilt daher fälschlicherweise häufig als der Entdecker der Prägung. Seine Forschung inspirierte aber weitere Wissenschaftlicher, andere Prägungsformen zu erforschen.

Die Bedeutung der Prägung für Hunde wurde vor allen Dingen von Eberhard Trumler und Heinz Weidt erforscht. 

Generelle Beschreibung der Prägung

In der Verhaltensforschung bezeichnet der Begriff der Prägung einen besonderen Lernvorgang, der nur in einer bestimmten, recht kurzen Lebensphase stattfinden kann und daher nicht nachholbar ist. Diese Zeitspanne wird als sensible Phase oder Prägungsphase bezeichnet und liegt in frühester Jugend, wobei sich dennoch der genaue Beginn und die Dauer sowohl von Art zu Art als auch für die unterschiedlichen Prägungen unterscheidet. Auch kommen unterschiedliche Prägungen bei den unterschiedlichen Arten vor und nicht jede Prägungsart bei jeder Tierart.

Die Prägung stellt dabei eine Art zu lernen dar, die nicht in die üblichen Lerntheorien passt: Es wird kein Vorbild nachgeahmt wie beim Modelllernen und die Konsequenzen Belohnung und Strafe des Lernens am Erfolg oder der operanten Konditionierung sind auch irrelevant. Allerdings ist der Umfang des durch Prägung erlernbaren begrenzt: Bestimmte Merkmale eines Reizes oder einer Umweltsituation (Objektprägung) sowie eine bestimmte Verhaltensweise (motorische Prägung) sind erlernbar. Dafür erfolgt der Lernvorgang sehr schnell, effektiv und nachhaltig: Einmal Gelerntes behält seine Bedeutung ein Leben lang. Das ist auch deswegen wichtig, weil, wie bei der sexuellen Prägung, das Gelernte erst in einer viel späteren Lebensphase eine Rolle spielen und das erlernte Verhalten zum Zeitpunkt der Prägung noch gar nicht gezeigt werden kann.

Beispiel Nachfolgeprägung 

Die Nachfolgeprägung ist die eine der bekanntesten Prägungen. Konrad Lorenz gliederte die Prägung in seine Instinkttheorie ein, der zufolge einige angeborenen Bewegungsabläufe, die von Instinktbewegungen genannt wurden, nicht erlernt werden müssen. Diese Bewegungen werden ausgeführt, wenn eine Handlungsbereitschaft vorliegt und ein Schlüsselreiz auf das Lebewesen einwirkt. Durch die Nachfolgeprägung wird nun die Beschaffenheit des Schlüsselreizes geprägt, was sie zu einer Objektprägung macht: Wem oder was soll das Küken folgen? 

Lorenz erkannte anhand seiner Versuche mit Gänsen, dass die Küken nach dem Schlüpfen noch keine Vorstellung haben, wie die Mutter aussieht. Infolgedessen versuchen sie in ihren ersten Lebensstunden zu allen Objekten Körperkontakt aufzunehmen, die sich bewegen und Geräusche machen. Im Normalfall werden sie so auf den brütenden Elternteil stoßen und sich dessen Beschaffenheit einprägen. Lorenz stellte aber fest, dass die Küken sowohl auf Gegenstände als auch andere Lebewesen geprägt werden können, die in der Nähe der Küken platziert werden und dabei Bewegungen und Geräusche machen. Einmal geprägt, folgen die Küken diesen Objekten überallhin. 

Beispiel sexuelle Prägung

Auch die sexuelle Prägung ist eine Objektprägung. Sie stellt eine der Prägungen dar, deren Auswirkungen erst mit großer Verzögerung nach der Prägephase zum Tragen kommt. Ein bekanntes Beispiel einer sexuellen Fehlprägung stellt ein im Dezember 1950 im Nürnberger Tiergarten geborener Eisbär dar. Er wurde von seiner Mutter getrennt gehalten, sobald er entwöhnt war. Da es keine weiteren Eisbären in Nürnberg gab, ließ man ihn dort mit einem Braunbären leben. Ab 1951 lebte der Eisbär im Berliner Zoo, wo er gemeinsam mit einem Eisbärenweibchen gehalten wurde. Es stellte sich heraus, dass er das Weibchen ignorierte, wenn es brunftig war, während er die benachbarte Braunbärin begatten wollte.

Beispiel Gesangsprägung

Die Gesangsprägung ist eine motorische Prägung, da hier nicht ein Reiz, sondern ein Bewegungsablauf, der eine bestimmte Lautäußerung zur Folge hat, geprägt wird. Der Ausdruck bezieht sich auf Singvögel, deren arttypischer Gesang ein Ergebnis der Prägung ist: Nur, wenn die Jungvögel in der sensiblen Phase ausreichend Beispiele des Gesangs hören können, werden sie als Erwachsene Tiere diese Tonfolgen singen können. 

Neurologische Grundlage der Prägung

Die sensible Phase für eine Prägung ist von Lorenz auf Grund der Beobachtung von Küken identifiziert worden, ohne dass die inneren Vorgänge zu jener Zeit schon hätten belegt werden können. Heute kann mit modernen Diagnosetechniken die Entwicklung des zentralen Nervensystems, zu dem auch das Gehirn gehört, weit detaillierter dokumentiert werden. 

So werden viele Tiere zwar mit der vollen Zahl an Gehirnzellen geboren, diese sind aber noch nicht stark miteinander vernetzt. Gerade in diesen Vernetzungen liegen aber die Grundlagen des Lernens: Sie ändern sich, wenn gelernt wird. Voraussetzung für das Entstehen der Vernetzung sind äußere Reize, die auf das ZNS einwirken und in Form der Vernetzungen gespeichert werden. Prägephasen können also erst dann auftreten, wenn die Sinnesorgane so weit entwickelt sind, dass sie diese Reize wahrnehmen und an das Gehirn weiterleiten.

In genetisch festgelegten Zeiten entstehen besonders viele dieser Vernetzungen, teilweise in unterschiedlichen Regionen des Gehirns, beispielsweise im Sehzentrum. In diesen Phasen verarbeitet das Lebewesen entsprechende Reize besonders schnell und lernt viel und nachhaltig. Das sind die Phasen, die man als sensible Phasen für Prägungen bezeichnen kann. 

Prägung und Prägungsphase des Hundes

Bei Hunden konnten zunächst für den Vorgang der Prägung keine so klare Versuchsergebnisse geliefert werden, wie sie beispielsweise für die Nachfolgeprägung diverser Vogelarten möglich waren. Auf Hunde spezialisierte Verhaltensforscher, wie die Doktoren Menzel, sprachen daher vornehmlich von der Sozialisierungsphase, die Ende der dritten Lebenswoche beginnt und bis zur zwölften dauert. In dieser Zeit lernen Welpen, Rudelmitglieder und Artgenossen zu identifizieren und sich unter den Rudelmitgliedern zu bewegen.

In den 1960er Jahren führte der amerikanische Forscher M. W. Fox, der ebenfalls von der Sozialisierungsphase sprach, Experimente mit Chihuahua-Welpen durch. Er teilte die Wurfgeschwister während der Sozialisierungsphase folgendermaßen auf: Eine Kontrollgruppe beließ er in dieser Phase bei der Mutter, während die Welpen der Versuchsgruppe jeweils einzeln einer Katzenmutter mit einem in etwa gleichaltrigen Katzenwurf überlassen wurden. Die kleinen Welpen integrierten sich gut in die Katzenfamilie. Im Ergebnis erkannten die bei den Katzen lebenden Hunde weder in ihrem eigenen Spiegelbild noch in ihren Geschwistern Artgenossen. Sie zeigten sich diesen gegenüber unsicher und zogen, wenn sie die Wahl hatten, die Katzen als Kameraden vor. Fox variierte das Experiment, bis er die Zeitspanne, in der die beschriebenen Auswirkungen am größten waren, bestimmen konnte. Offensichtlich lernten die Tiere in der Zeit ab Ende ihrer dritten Lebenswoche bis Ende der achten Lebenswoche für ihr gesamtes Leben, wie sie selbst und ihre Artgenossen aussehen.

Der österreichischen Verhaltensforscher Eberhard Trumler, der mit Konrad Lorenz zusammenarbeitete und daher bestens mit den Eigenheiten der Prägung vertraut war, führte den Begriff auch für Hunde ein, nachdem er von den Ergebnissen der Experimente von Fox erfuhr. Er erkannte, dass der nun experimentell bewiesene Vorgang dem entspricht oder wenigstens nahekommt, was Lorenz beim Geflügel als Nachfolgeprägung bezeichnete. Daher teilte von der Sozialisierungsphase die Lebenswochen ab Ende der dritten bis Ende der achten ab und bezeichnete sie als „Prägungsphase“. 

Für Trumler war damit also belegt, dass auch Hundewelpen eine sensible Phase für Prägungen durchlaufen und seinen Beobachtungen nach dabei nicht nur die Merkmale der Artgenossen und Rudelmitglieder als Basis für ihr späteres Sozialverhalten speichern, sondern auch eine Nahrungsprägung durchlaufen: Er beobachtete, dass Hunde, die während der genannten Lebenswochen nicht mit rohem Fleisch gefüttert wurden, dies auch im späteren Leben selbst unter viel Gewöhnungsaufwand nur teilweise als Futter akzeptieren. Gleichzeitig bedauerte er, dass wissenschaftlich nicht ausreichend erforscht sei, in welche „Unterphasen“ diese Zeit zu unterteilen sei und für welche Art von Reizen und Lerninhalten die Welpen in diesen Phasen sensibel seien.

Urs A. Luescher berichtet von einem weiteren Experiment, dass dieser Forderung entsprach und sich mit der sensiblen Phase zur Speicherung von Hinweis- oder Schlüsselreizen beschäftigte, die Angstreaktionen auslösen. Hierzu ließ man Beagle-Welpen in unterschiedlichen Lebenswochen auf eine Person zulaufen und bestrafte sie dafür mit leichten Elektroschocks, auf die die Welpen immer eine Angstreaktion zeigten. Allerdings liefen Welpen in der 6. Lebenswoche wiederholt auf die Person zu und scheinen daher die Person nicht als Schlüsselreiz für den Schock gespeichert zu haben, während acht bis neun Wochen alte Welpen eine andauernde Angst vor der Person entwickelten, die bei Welpen ab einem Alter von 12 Wochen schwächer ausfiel. Auch wenn das Experiment klar der operanten Konditionierung unter Verwendung der positiven Strafe entspricht und bekannt ist, dass eine der vielen in diesem Abschnitt des ersten Teils unserer dreiteiligen Artikelserie von den wissenschaftlichen Hintergründen zu praktischen Trainingsmethoden genannten Risiken der positiven Strafe in allen Altersklassen in der Entwicklung von Angst vor den falschen Reizen ist, zeigt die unterschiedlich nachhaltige angstauslösende Wirkung der Strafe im Welpenalter doch, dass es eine sensible Phase für angstauslösende Reize zu geben scheint. Luescher erklärt weiter, dass angsteinflößende Erfahrungen in dieser Phase einen lebenslangen, schwer oder gar nicht mehr änderbaren Einfluss auf die Gefühlswelt, Nervorsität, Furchtsamkeit, Aggressivität usw. haben und deshalb solche Erfahrungen in der Präge- und vor allem der Angstphase zu vermeiden sind. 

Nun könnte man die Dauer von Trumlers „Prägephase“ auf Basis dieses Wissens um weitere zwei Wochen ausweiten.

Bedeutung der Prägephase und Prägung für den Haushund, Züchter und Halter

Die bisher bekannten sensiblen Phasen und Prägungsthemen 

  1. Prägung auf 
    • Artgenossen (gesamte Prägephase mit Fokus auf erste Hälfte)
    • Menschen (gesamte Prägephase mit Fokus auf zweite Hälfte)
  2. Nahrungsprägung (Fokus unbekannt, gesamte Prägephase)
  3. Angstprägung (Fokus neunte und zehnte Lebenswoche) 

sollten sich (künftige) Hundehalter und vor allen Dingen Züchter bewusst sein, denn das Wissen um die Lebensphasen eines Hundes und vor allem die Prägephase und der Umgang mit ihnen stellt ein Qualitätskriterium für einen Hundezüchter dar und wirkt sich auf den Charakter und das Wesen des Hundes aus.

Zunächst sollte die weitverbreitete Praxis, Welpen mit acht Wochen an die neuen Besitzer zu übergeben, überdacht werden. Denn einerseits fällt lt. Luescher so der Übergabezeitpunkt genau in die „Angstphase“, sodass der Stress, der für die Welpen mit dem Umzug verbunden ist (Trennung von Mutter, Geschwistern etc. sowie ggf. unsicheres und damit angstauslösendes Verhalten der neuen Besitzer) sich besonders nachhaltig auswirken kann.

Andererseits kann von einem Züchter erwartet werden, dass er im Umgang mit Welpen erfahrener oder wenigstens informierter ist als die neuen Besitzer. Vor diesem Hintergrund sollte der Züchter die Planung und Umsetzung eines „Prägungsprogramms“ für die Welpen in den ersten 12 Lebenswochen zu übernehmen. Ein solches Programm sollte den entsprechenden sensiblen Phasen, die Trumler und Luescher beschreiben, Rechnung tragen.

Geprägt werden kann, Trumler zu Folge, also einerseits das Nahrungsspektrum. Dies sollte vom Züchter breit aufgestellt werden und sollte neben Trocken- und Feuchtfutter auch rohes Fleisch enthalten, damit der künftige Hundebesitzer ohne prägungsbedingten Widerstand des Hundes entscheiden kann, ob er BARFen oder traditionell füttern will.

Wichtiger als die Nahrungsprägung erscheint aber der sozialisierende Teil der Prägung, die darüber entscheidet, welche Lebewesen der erwachsene Hund als Teil seines natürlichen sozialen Umfeldes ansieht. 

Trumler stellt hierzu fest, dass die Prägung auf andere Hunde und Menschen nur gelingen kann, wenn die Welpen während der gesamten Prägungsphase ausreichend Körperkontakt erhalten und so den Duft aufnehmen und sich einprägen können. Wird der Duft anderer Hunde vorenthalten, kann die fehlende Prägung mit Glück später teilweise ausgeglichen werden, wenn es dem nicht geprägten Hund gelingt, die Ähnlichkeit seines eigenen Körpergeruchs und der Artgenossen zu erkennen. Dies ist bei fehlender Prägung auf den Menschen nicht möglich. 

In der ersten Hälfte der Prägungsphase sollte der Fokus auf dem Umgang mit Artgenossen, erst der Mutter, dann auch mit dem Vater, später auch mit anderen Rudelmitgliedern liegen. Hundeeltern nehmen in dieser Zeit keine erzieherischen Maßnahmen vor, sondern schaffen mit schier endloser Geduld und viel Einsatz ein für die Welpen extrem sicheres und angenehmes Umfeld. Auf diese Weise entsteht eine positiv besetzte Verknüpfung: andere Hunde sind gut! Dennoch sollte den Welpen auch in dieser Zeit schon mehrfach täglich Körperkontakt erst mit dem züchtenden Menschen und später auch mit dessen Familienmitgliedern gewährt werden. Hierbei sollten sich die Menschen ähnlich geduldig verhalten, wie die erwachsenen Hunde.

Mit fortschreitender Zeit sollte der Fokus etwas mehr in Richtung Prägung auf Menschen gehen. Aus Sicht der natürlichen Entwicklung stellt die Prägung auf den Menschen eine ähnliche Fehlprägung dar, wie die auf Katzen. Vielleicht liegt darin der Grund, dass im Laufe der Prägungsphase die Welpen mit vielen verschiedene Arten von Menschen in Kontakt treten müssen, da sie als erwachsene Hunde sonst Kinder oder Menschen verschiedener Altersklassen oder solche mit unterschiedlichen Accessoires wie Fahrrädern, Gehhilfen, Rollstühlen, Nordic-Walking-Stöcken und in verschieden schnellen Bewegungsweisen nicht als ungefährliche und sichere Menschen oder einfach als einen Teil ihrer normalen Umwelt wahrnehmen. Auch hier gilt: Erschreckende oder unangenehme Erfahrungen mit Menschen sollten strickt vermieden werden, denn auch Menschen sollen mit Sicherheit und Güte verknüpft werden.

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