Negative Verstärkung im Hundetraining

Was ist negative Verstärkung in der Hundeerziehung?

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Zuletzt aktualisiert am: 5.9.2024

Hundehalter mit seinem Rhodesian Ridgeback unterwegs.jpg
Synonyme
  • Negative Belohnung

Die negative Verstärkung stellt eine Art der Belohnung dar, die allerdings mit den Strafen zusammen die "Aversive Verhaltenskontrolle" bildet und im Hundetraining nicht planvoll einzusetzen ist. In der von Skinner entwickelten operanten Konditionierung ist sie eine der vier im Kontingenzschema dargestellten Verhaltenskonsequenzen. Diese Konsequenzen beeinflussen die Auftretenswahrscheinlichkeit von Verhalten. Die negative Verstärkung steigert diese Wahrscheinlichkeit indem sie in Folge des Verhaltens einen unangehmen Reiz entfernt. Das wirkt zwar belohnend, ist aber zur Verwendung in der Hundeerziehung nicht geeignet, da der unangehme Reiz zunächst vom Trainer planvoll zugefügt werden muss.

Die operante Konditionierung ist eine Lerntheorie des Behaviorismus, die von B. F. Skinner in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelt wurde. Skinner vertrat als radikaler Behaviorist die Auffassung, dass die Verhaltenspsychologie nur dann als Wissenschaft zu betrachten sei, wenn sie ausschließlich messbare Ereignisse in Theorien einfließen lässt und nicht beweisbare Annahmen über innere Vorgänge, beispielsweise zu Instinkten unterlässt. Messbar und in Experimenten erforschbar sind die Wechselwirkungen zwischen Reizen und Reaktionen in beliebiger Reihenfolge. Skinner erforschte zunächst, wie sich Reize, die als Konsequenz auf ein zufällig gezeigtes Verhalten folgen, auf das Verhalten auswirken.

Im Falle der negativen Verstärkung handelt es sich um einen in Folge eines Reaktion genannten Verhaltens endenden Reiz. Dessen verschwinden erhöht die Auftretenswahrscheinlichkeit des gezeigten Verhaltens, das Verhalten wird also verstärkt. Das Wort „negativ“ wird hier mathematisch verwendet und bedeutet, dass ein Reiz endet oder verschwindet. Die Tatsache, dass ein in Folge eines Verhaltens endender oder verschwindender Reiz dieses Verhalten künftig öfter auftreten lässt, lässt den Schluss zu, dass dieser Reiz als unangenehm empfunden wurde. 

Den möglichen Aufbau und Ablauf samt Erkenntnissen von Versuchen in der Skinner Box beschreiben wir in diesem Abschnitt des ersten Teils unserer dreiteiligen Artikelserie über die wissenschaftlichen Grundlagen und deren praktische Anwendung in den modernen Trainingsmethoden. Als Ergebnis kann festgehalten werden, dass über die negative Verstärkung konditionierten Verhaltensweisen als Fluchtverhalten bezeichnet werden können. Erfolgt Fluchtverhalten in „vorauseilendem Gehorsam“, also vor Auftreten des durch das Verhalten beendbaren unangenehmen Reizes, stellt es Vermeidungsverhalten dar, da es das Auftreten des unangenehmen Reizes vermeidet. Solches Vermeidungsverhalten ist kaum abbaubar und entsprechend resistent gegenüber Löschung. Unter Löschung wird in der operanten Konditionierung die Verringerung der Auftrittswahrscheinlichkeit eines Verhaltens durch den dauerhaften Wegfall des Verhaltensverstärkers verstanden: Da Vermeidungsverhalten gezeigt wird, bevor der unangenehme Reiz auftritt, kann das Individuum nicht feststellen, dass der Reiz auch ohne das Verhalten nicht mehr auftritt. Es vermeidet dann etwas, was nicht mehr vermieden werden muss. 

Das würde bedeuten, dass ein negativ konditioniertes Verhalten auch dann noch gezeigt wird, wenn es nicht mehr „belohnt“ wird, was einen Traum mancher Hundehalter darstellt: Der Hund würde auch ohne Belohnung hören. Dieser theoretische Vorteil der negativen gegenüber der positiven Verstärkung wird über die Verwendung verschiedener Verstärkerpläne in den auf positiver Verstärkung basierenden Trainingsplänen ausgeglichen.

Die Tatsache, dass sich die negative Verstärkung dadurch auszeichnet, dass ein bestimmtes Verhalten einen unangenehmen Reiz enden lässt, setzt voraus, dass dieser unangenehme Reiz zunächst vorhanden ist. Für Trainingssituationen bedeutet das, dass Du Deinem Hund willentlich und planvoll einen unangenehmen und dauerhaften Reiz zufügen musst, bevor Du ihn in Folge eines Verhaltens beenden kannst.

In diesem Abschnitt des ersten Teils der o. a. Artikelserie werden einige Versuche an Hunden dargestellt, die detailliert begründen, welche Risiken die Verabreichung unangenehmer Reize bei der negative Verstärkung und der positive Strafe mit sich bringen. Dazu gehört unter anderem die ungünstigen Auswirkungen der Angst vor diesen Reizen. Einerseits kann Deine Anwesenheit und damit Du selbst zum klassisch konditionierten Reiz für den unangenehmen Reiz werden, was sich auf die Beziehung zwischen Dir und Deinem Hund nicht positiv auswirken wird. Angst kann außerdem die Lernfähigkeit Deines Hundes verringern, was sich bis zur gelernten Hilflosigkeit steigern kann. 

Dennoch kann als harmloseres, aber im Grund überflüssiges Beispiel für die negative Verstärkung das Ausüben eines leichten Drucks mit der Hand auf die Kruppe des Hundes als unangenehmen Reiz dienen. Der Hund wird als Fluchtreaktion den Rücken in Richtung Boden bewegen und so ins Sitz gehen, um dem unangenehmen Druck nachzugeben. Da die druckausübende Hand nicht folgt, entfällt der unangenehme Druck-Reiz, was das Sitz negativ verstärkt. Dass allerdings dasselbe Ergebnis auch über die Locktechnik oder das Caputring mit anschließender positiver Verstärkung ohne aversive Reize erfolgen kann, macht die aversive Technik hierfür überflüssig. 

Im Zusammenleben mit dem Hund ergeben sich jedoch immer wieder ungeplante Möglichkeiten, eine Verhaltensweise negativ zu verstärken. Das passiert immer dann, wenn wir dem Hund beispielsweise einen Dorn aus der Pfote ziehen. Dann wäre der vom Dorn verursachte Schmerz der unangenehme Reiz, das Pfötchen-Geben die Reaktion, der nachlassende Schmerz nach der Entfernung des Dorns der belohnende Verstärker für das Pfötchen-Geben.

Einen Überblick über die akutellen Trainingsmethoden gibt der dritte Teil der o. a. Artikelserie. Wer wissen möchte, welche wissenschafttlichen Hintergründe die jeweilige Methode und das dazugehörende Anwendungsgebiet begründet, sollte den zweiten Teil lesen.

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