Chaining im Training mit Hund
Wie können Verhaltensketten über Chaining im Hundetraining aufgebaut werden?
Von:
Ulf Weber
Zuletzt aktualisiert am: 24.5.2024
- Backward-Chaining
- Forward-Chaining
- Rückwärtsverkettung
- Verhaltenskette
- Verhaltensverkettung
- Vorwärtsverkettung
Der englische Begriff Chaining kann mit Verkettung übersetzt werden. Als Trainingsmethode dient er dem Aufbau komplexer Verhaltensweisen aus einzelnen Reiz-Reaktion-Konsequenz-Kopplungen durch positive Verstärkung.
Das Chaining geht auf die Lerntheorie des B. F. Skinner zurück. Er beschrieb Verhalten innerhalb der operanten Konditionierung als Reiz-Reaktion-Konsequenz-Kopplung. Die operante Konditionierung ist vom Begriff der Prägung zu unterscheiden und kann Verhalten und seine Entstehung weitgehend ohne Annahmen über Instinkte und andere innere Vorgänge erklären. Komplexeres Verhalten kann im Modell der operanten Konditionierung als eine Kette mehrerer solcher aufeinanderfolgender Kopplungen dargestellt werden. Solche Verhaltensketten können durch Vorwärtsverkettung oder Rückwärtsverkettung im Hundetraining gezielt aufgebaut werden.
Daneben spielen Verhaltensketten auch in der als wissenschaftlich überholt geltenden Instinkttheorie des österreichischen Verhaltensforschers Konrad Lorenz eine Rolle.
Einordnung der Verhaltensketten
Skinner beschrieb Verhalten als die Verknüpfung eines Hinweisreizes mit einer Reaktion und einer Konsequenz, die wiederum ein Reiz. Die Konsequenz, die der Reaktion folgt, kann eine von vier möglichen, im Kontingenzschema dargestellten Ausprägungen annehmen. Eine davon ist die positive Verstärkung, die belohnend wirkt und das vorher gezeigte Verhalten künftig häufiger auftrete lässt. Die Funktion des Hinweisreizes liegt darin, dass er anzeigt, dass ein bestimmtes Verhalten zu einer bestimmten Konsequenz führt oder sich, im Falle der positiven Verstärkung, lohnt.
So kann ein „einfaches“ Verhalten wie das Fressen grob wie folgt dargestellt werden:
1. Die Wahrnehmung eines leckeren Schweineohrs in unmittelbarer Nähe (Hinweisreiz), führt zur Reaktion „Fressen“ mit der angenehmen Folge, einen vollen Bauch zu spüren (Folgereiz)
Das Verhalten „Fressen“ kann aber auch wesentlich detaillierter als Verhaltenskette beschrieben werden:
1. Die Wahrnehmung eines leckeren Schweineohrs in unmittelbarer Nähe (Hinweisreiz), führt zur Reaktion „Ohr ins Maul nehmen“ mit der Folge, den angenehmen Reiz des leckeren Ohrs auf der Zunge und die Größe des Ohrs wahrzunehmen.
Damit ist aber im Grunde der Vorgang des Fressens nicht abgeschlossen: Das Futter ist ja noch nicht im Magen. Nun dient der Reiz, der in Schritt 1 als belohnende Verstärkung diente, im nächsten Schritt als Hinweisreiz für die nächste Reaktion:
2. Großes, leckeres Futter im Maul (Hinweisreiz) lässt den Hund kauen (Reaktion). Das zerkaute Ohr fühlt sich nun breiiger an und verströmt mehr Geschmack im Maul, was wiederum ein angenehmer und somit belohnender Reiz ist.
Nun dient wieder der belohnende und verstärkende Reiz aus dem letzten Schritt als Hinweisreiz für den folgenden.
3. Breiiges, leckeres Futter im Maul (Hinweisreiz) führt zur Reaktion „Herunterschlucken“ und das wiederum zum angenehmen Reiz eines vollen Bauchs.
Wenn also schon ein einfaches Verhalten wie das Fressen als Verhaltenskette dargestellt werden kann, wird klar, dass komplexe Abfolgen wie das Jagdverhalten ebenfalls Verhaltensketten darstellen, die mit der Wahrnehmung einer Wildfährte beginnt und mit einem vollen Bauch endet.
Wahrnehmung von Verhaltensketten im Training
Jedes Hundetraining sollte aus Gründen, die im letzten Teil unserer dreiteiligen Serie zur Lerntheorie detailliert beschrieben sind, so aufgebaut sein, dass Hund und Trainer viele Erfolgserlebnisse haben und ein „Versagen“ in dem Sinne, dass keine oder zu geringe Fortschritte erzielt werden, vermieden wird. Vor diesem Hintergrund hilft die Darstellung eines Verhaltens als Reiz-Reaktion-Konsequenz-Kopplung hervorragend weiter, denn sie hilft, ein Gesamtverhalten in kleinste Teilschritte zu unterteilen. Hier muss nur immer wieder gefragt werden, wann eine Reaktion zu einem neuen Reiz führt, der eine weitere Reaktion auslöst. Das o. a. Beispiel über Fressverhalten verdeutlicht diesen Ansatz.
Sicherlich sind, bezogen auf die üblicherweise in der Hundeerziehung gewünschten Verhaltensweisen, einige nicht weiter zerlegbar: Sitz, Platz und Hier kann kaum als Verhaltenskette dargestellt werden. Allerdings stellt jede Kombination aus den an diesen Kommandos hängenden Reaktionen schon eine Verhaltenskette dar: Soll der Hund sich in seinen Korb legen, liegt eine Verhaltenskette dahinter, denn der Hund soll sich zum Korb bewegen (Reaktion 1) und sich dort hinlegen (Reaktion 2).
Komplexes Verhalten durch Backward-Chaining oder Rückwärtsverkettung aufbauen
Wie der Begriff schon vermuten lässt, wird die Verhaltenskette beim Rückwärtsverketten von hinten aufgebaut. Bezogen auf das Beispiel „Ablegen im Korb“ würde das bedeuten, dass zunächst die beiden notwendigen Verhaltensweisen bereits abrufbar sind: das Herankommen beispielsweise mit dem Signal „Hier“ und das Ablegen mit dem Signal „Ablegen“, beide Signale jeweils bestehend aus Geste und Wort.
Nun werden Gelegenheiten genutzt, zu denen der Hund sich schon in seinem Korb befindet, aber nicht liegt. Dort wird er vom Steh oder Sitz ausgehend unter Verwendung des Wortsignals „Ablegen in Deinem Korb“ in Kombination mit der entsprechenden Geste für „Ablegen“ ins „Platz“ gebracht und dafür mit einem Primärverstärker, beispielsweise mit einem Futterstückchen, belohnend verstärkt. Wurde auf diese Weise das neue Wortsignal als Hinweisreiz für das Ablegen auf dem Korb konditioniert und gekoppelt, wird das Herankommen zum Korb dem Ablegen vorangestellt. Dazu nutzt man Gelegenheiten, zu denen der Hund nicht auf seinem Platz weilt, stellt sich selbst aber nah an den Korb. Nun gibt man wieder das Wortsignal „Ablegen auf in Deinem Korb“ und kombiniert es mit dem Körpersignal für „Hier“, wobei der Hund aber nicht für das Herankommen, sondern nur für das Ablegen auf dem Korb verstärkt wird: Das Herankommen wird durch den Reiz „Korb unter den Pfoten“ verstärkt, denn dieser Reiz erst ermöglicht das Ablegen auf dem Korb und bedeutet daher, dass der Hund dem Primärverstärker „Futterstückchen“ näher gekommen ist. Dadurch wird der Reiz „Korb unter den Pfoten“ zum belohnenden Verstärker für das Herankommen.
Der Vorteil der Rückwärtsverkettung liegt genau in diesem Umstand: Nur die letzte Reaktion der Kette führt zu einem Primärverstärker, während alle vorgelagerten Reaktionen diese letzte erst ermöglichen. Die Resultate der vorgelagerten Reaktionen sind auch allesamt irgendwelche Reize, die aber ihre belohnende und verhaltensverstärkende Kraft nur dadurch gewinnen, dass sie die nächste notwendige Reaktion auf dem Weg zum Primärverstärker ermöglichen. Sie werden dadurch zum Sekundärverstärkter.
Komplexes Verhalten durch Forward-Chaining oder Vorwärtsverkettung aufbauen
Im Falle der Vorwärtsverkettung beginnt man mit dem Herankommen an den Korb. Hierfür würde auf das Köpersignal für „Hier“ zurückgegriffen, aber ein Wortsignal wie „auf Deinen Korb“ verwendet. Folgt der Hund, wird das Verhalten über ein Futterstückchen mit einem Primärverstärker belohnt. Ist die neue Reiz-Reaktion-Verstärker-Kopplung fest konditioniert, wird der nächste Schritt angehangen: Nun wird der Hund zum Korb geholt, aber erst mit dem Primärverstärker Futter belohnt, wenn er liegt.
Der Nachteil der Vorwärtsverkettung im Gegensatz zur Rückwärtsverkettung liegt darin, dass das Risiko für Frustration auf Seiten des Hundes größer ist, wenn eine Reaktion, die bisher einen Primärverstärker zur Folge hatte, diesen nun nicht mehr zur Folge hat, sondern eine weitere Reaktion gefordert wird.
Komplexes Verhalten durch Mischungen von Forward- und Backward-Chaining aufbauen
Komplexe Verhaltensweisen, die, wie das Apportieren, eine Abfolge aus Vorsitzen, Suchen, Aufnehmen, Zurückkehren, Vorsitzen und Übergabe des Apportels bestehen, werden in der Praxis häufig in einer Mischung aus beiden Verkettungstechniken trainiert.
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