Pawlowscher Hund

Was ist ein Pawlowscher Hund?

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Zuletzt aktualisiert am: 17.9.2024

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Der Begriff Pawlowscher Hund geht auf das bzw. die Versuchstiere Prof. Ivan Petrovic Pawlows (Prof. Iwan Petrowitsch Pawlow) zurück und bezeichnet einen Hund, an dem eine klassische Konditionierung beobachtet werden kann. Beispielsweise speichelte Pawlows Hund zunächst erst, wenn sein Futter vor ihm stand. Im Laufe der Zeit begann der Speichel aber schon zu fließen, wenn die Schritte des Tierpflegers zu hören waren, der immer das Futter brachte. Dann ist er ein Pawlowscher Hund.

Was ist der ursprüngliche Pawlowsche Hund?


Der berühmte russische Prof. und Physiologe Ivan Petrovic Pawlow forschte Ende des 19. Jahrhunderts zur Funktionsweise von Verdauungsdrüsen an Hunden. Diese wurden von einem Tierpfleger mit Futter versorgt.

Prof. Pawlow war ein guter Beobachter und er stellte fest, dass der Speichelfluss der Hunde einsetzte, wenn das Futter in ihre Reichweite gelangte. Bei Hunden, die schon länger bei ihm und seinem Team lebten, stellte er allerdings fest, dass deren Speichelfluss schon einsetzte, wenn sie hörten, dass sich der Tierpfleger mit dem Futter näherte.

Aus seiner Beobachtung schloss Pawlow, der auch ein großer Denker war, dass Reize Verhalten beeinflussen und auslösen können. Denn der von Futter ausgehende Reiz löste bei seinen Pawlowschen Hunden das Verhalten „speicheln“ aus. Da er diese Beobachtung wissenschaftlich beweisen wollte und sich außerdem fragte, wieso die „erfahreneren“ Hunde schon speichelten, wenn sie den Tierpfleger nur hörten, beschloss er, zu dem Thema ein Experiment durchzuführen, das ebenfalls unter dem Begriff „Pawlowscher Hund“ bekannt wurde.

Die Theorie der klassischen Konditionierung & das Pawlowscher-Hund-Experiment

Pawlow experimentierte nicht wild drauf los, sondern er hatte eine Idee, wie das „verfrühte“ Sabbern seiner Hunde erklärt werden kann. Unter Wissenschaftlern wird statt von einer Idee von einer Theorie gesprochen. Experimente dienen danach der Überprüfung der Theorie: Nur, wenn die von der Theorie gemachten Vorhersagen im Experiment eintreten, kann die Theorie von Bestand sein.

Pawlows Theorie, die (Achtung: Spoiler-Alarm) als klassische Konditionierung in die Wissenschaftsgeschichte der Psychologie eingegangen ist und die Grundlage vieler Lerntheorien bildet, kann wie folgt beschrieben werden:

Ein unbedingter Reiz (vom Futter ausgehend) löst eine unbedingte Reaktion (das Verhalten „Speicheln“) aus. Reiz und Reaktion sind unbedingt, da weder die Wahrnehmung noch die Reaktion gelernt werden müssen und beide reflexhaft verbunden sind. Pawlow nannte einen Reiz, der keine besondere und angeborene Reaktion auslöst, „neutraler Reiz“. In seinem Labor nahm diese Rolle das für einen Hund zunächst bedeutungslose Fußgetrappel des Pflegers ein.

Kern von Prof. Pawlows Theorie zur klassischen Konditionierung ist nun die Annahme, dass durch das gemeinsame Auftreten eines neutralen und eines unbedingten Reizes die „Bedeutung“ des unbedingten Reizes auf den neutralen Reiz übergehen kann. Somit kann auch ein ursprünglich neutraler und unbedeutender Reiz dieselbe Reaktion auslösen wie ein „wichtiger“ unbedingter Reiz. Passiert das, wird in Pawlows Fachwortschatz aus dem „neutralen“ ein „konditionierter“ Reiz und aus der unbedingten Reaktion eine „konditionierte“ Reaktion.

Pawlow überprüfte seine Theorie wieder mit Hunden und ihrer unbedingten Reaktion „Speicheln“ auf den unbedingten Reiz „Futter“. Als neutralen Reiz verwendete er eine Glocke.

Für jeden seiner Pawlowschen Hunde wurde zunächst sichergestellt, dass er auf den Reiz, den verfügbares Futter aussendet, mit Speichelfluss reagiert. Auch wurde sichergestellt, dass er auf das Geläut der Glocke nicht besonders interessiert reagiert.

Sodann sorgte Pawlow dafür, dass vor jeder Futtergabe der Glockenton ertönte und konnte schon bald feststellen, dass ausnahmslos bei allen Hunden irgendwann schon beim Glockenton der Speichelfluss einsetzte – seine Theorie war bestätigt: Lebewesen können Reize koppeln und auf unterschiedliche Reize dasselbe Verhalten zeigen.

Das als „Pawlowscher Hund“ bezeichnete Experiment war tatsächlich eine ganze Versuchsreihe, durch die Pawlow beispielsweise die Auswirkung der „Kontiguität“ genannten zeitlichen Anordnung der beiden Reize während der Konditionierung erforschte. Auch die Frage, ob eine konditionierte Reiz-Reiz-Kopplung wieder löschbar ist, wurde erforscht. Detailliert stellen wir diese Forschungen in unserem Artikel "Lerntheorie 1" dar.

Die Bedeutung der Pawlowschen Hunde für die Verhaltenspsychologie

Die Entwicklung des Pawlowschen Hundes und der klassischen Konditionierung stellte einen Meilenstein und Fundament in der Entwicklung der Verhaltens- und Lernpsychologie dar und findet heute noch Anwendung. Praktischen Nutzen hat die klassische Konditionierung für Hundemenschen noch heute, wenn der Hund beispielsweise an einen Clicker "gewöhnt" wird.

Die Bekanntheit der Theorie zeigt sich auch darin, dass noch heute viele Leute sabbernde Hunde als „Pawlowsche Hunde“ bezeichnen.

Sie kann aber auch menschliches Verhalten erklären. Bekannt sind traumatische Verhaltensweisen, die von ehemals „neutralen“ Reizen ausgelöst werden und als schwer löschbar gelten. Als Beispiel können Angstreaktionen von Erwachsenen auf Sirenenheulen gelten, die während des zweiten Weltkriegs regelmäßig lebensbedrohliche Bombenangriffe nach diesem Geräusch erlebten und entsprechend traumatisiert wurden.

Außerdem kann sie auch als Grundlage für die lerntheoretische Strömung des Behaviorismus gelten. Denn Prof. B. F. Skinner ließ sich von Pawlows Hund und der von Prof. Edward Lee Thorndike begründeten instrumentellen Konditionierung zu seiner operanten Konditionierung inspirieren, die die Basis fast aller heutigen Trainingsmethoden darstellt. Denn anders, als bei der klassischen Konditionierung werden hier keine Reize miteinander assoziiert zu einer Reiz-Reiz-Kopplung, sondern konditionierte Reiz-Reaktion-Reiz-Kopplungen erstellt.

Die Forschung Prof. Pawlows und seiner Nachfolger haben wir im ersten Teil unserer dreiteiligen Serie detailliert dargestellt, um im zweiten Teil zu zeigen, wie und warum die wissenschaftlichen Erkenntnisse in die Trainingsmethoden einfließen. Der dritte Teil der Serie stellt einen Überblick über die Trainingsmethoden und die anzustrebende Trainingsatmosphäre zur Verfügung.

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