Kontingenz in der Hundeerziehung

Was ist Kontingenz? Wie wirkt sie im Hundetraining und Hundeerziehung?

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Zuletzt aktualisiert am: 19.12.2023

Brauner Hund sitzt auf der Wiese und schaut den Betrachter erwartungsvoll an.jpg
Synonyme
  • Vorhersagekraft

Das spätlateinische „contingentia“, heute Kontingenz, kann mit Möglichkeit und Zufälligkeit übersetzt werden. Im Hundetraining ist damit gemeint, dass ein bestimmtes Hundeverhalten tendenziell dieselben Folgen für den Hund hat. In der Verhaltensforschung ist damit die durch eine hohe Wahrscheinlichkeit ausgedrückte Vorhersagekraft eines Reizes für einen anderen in der klassischen oder einer bestimmten Reaktion für eine bestimmte Konsequenz in der operanten Konditionierung gemeint.

Der Begriff geht auf die Forschung über die behavioristischen Lerntheorien der US-amerikanischen Psychologen Robert A. Rescorla und John Garcia in den 1960er Jahren zurück. Zu diesen Lerntheorien gehört die klassische Konditionierung, die reflexives Verhalten als eine Kopplung zweier Reize mit derselben Reaktion beschreibt, aber auch die operante sowie die instrumentelle Konditionierung, die Verhalten Assoziation einer bestimmten Reaktion und einer bestimmten Konsequenz, die ebenfalls ein Reiz sein kann, beschreiben. 

Da in allen genannten Theorien der Lernvorgang in der Entstehung dieser Kopplungen besteht, war es von wissenschaftlichem Interesse zu erforschen, welche Faktoren einen Einfluss auf das Entstehen dieser Kopplungen hat. Bis zu den Arbeiten von Rescorla und Garcia herrschte die Überzeugung vor, dass einzig die Kontiguität, also die zeitliche Nähe, ausschlaggebend sei. Aus den unabhängig voneinander durchgeführten Experimenten der beiden Forscher ergab sich aber, dass nicht die räumlich-zeitliche Nähe zwischen zwei Reizen oder einem Verhalten und seiner Konsequenz ausschlaggebend ist, sondern die Vorhersagekraft, die einem Reiz oder einem Verhalten innewohnen. Diese Vorhersagekraft wird Kontingenz genannt und spielt in der Hundeerziehung eine herausragende Rolle.

Um einen Hund auf den Clicker oder ein Marker- oder Lobwort klassisch zu konditionieren, muss die Kontingenz hoch sein: Folgt einem bestimmten Reiz (Klick-Geräusch) immer ein bestimmter weiterer Reiz (Futter vor den Fang), werden beide Reize sehr schnell assoziiert und der Hund wird auf das Klickgeräusch einen Verdauungsreflex (Sabbern) zeigen und wissen, dass es gleich etwas Leckeres gibt. Wie im ersten Abschnitt des ersten Teils unserer dreiteiligen Artikelserie zu den wissenschaftlichen Grunlagen der modernen Trainingsmethoden stellte dies Pawlow schon in seinen Experimenten zur klassischen Konditionierung fest.

Dasselbe Prinzip gilt in der von Skinner erforschten operanten Konditionierung, nur dass hier die Kontingenz eines Verhaltens hoch sein muss: Wenn dem Verhalten immer dieselbe Konsequenz folgt, ist die Kontingenz des Verhaltens hoch, es sagt also eine bestimmte Konsequenz vorher. Dadurch wird im Falle der positiven Verstärkung die Assoziation zwischen Verhalten (Sitz) und Konsequenz (Leckerchen vor den Fang oder Klick) schneller entstehen und somit den Lernprozess beschleunigt.

Aus diesem Grund wird zu Beginn eines Trainingsprogramms nach den meisten modernen Trainingsmethoden mit einem „Immerver-Verstärkung“ genannten Verstärkerplan belohnt.

Mangelnde Kontingenz bei der Verabreichung von Strafen birgt neben der verringerten Wirkung der Strafe und dem damit verbundenen Nicht-Abbau des unerwünschten Verhaltens das Risiko, dass der Hund eine gelernte Hilflosigkeit entwickelt.

Dass trotzdem die zeitliche Komponente der Kontiguität für eine wirksame Belohnung oder Strafe wichtig ist, kann aus den in diesem Abschnitt des ersten Teils unserer dreitiligen Reihe über die wissenschaftliche Entwicklung der Lerntheorien und ihre praktische Anwendung im Hundetraining nachgelesen werden.

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