Timing in der Hundehaltung
Welche Bedeutungen hat das Timing im Hundealltag, im Hundetraining und der Hundeerziehung?
Von:
Ulf Weber
Zuletzt aktualisiert am: 30.10.2024
- Zeitgefühl
Das richtige Timing, also etwas zum richtigen Zeitpunkt zu tun, ist im Umgang mit Hunden omnipräsent. Auf positiver Verstärkung basisiernde Trainingsmethoden erwarten, dass erwünschtes Verhalten zeitnah belohnt wird. Trainingseinheiten dürfen nicht zu lange dauern und auch bei der Befriedigung von Bedürfnissen von Fressen bis Gassirunde ist Zeit ein Faktor.
Timing in der Hundeerziehung
Im Zusammenhang mit der Hundeerziehung fällt der Begriff des richtigen Timings zu Recht immer wieder. Denn das Entstehen von Verhalten lässt sich hervorragend mit der von Skinner experimentell erforschten und entwickelten operanten Konditionierung erklären. Diese sagt aus, dass die Folge, im Experiment waren das Reize, eines Verhaltens eine Auswirkung auf das künftige Auftreten des Verhaltens hat. Gemäß Skinners Kontingenzschema existieren vier Arten, von denen zwei ein Verhalten verstärken, also künftig häufiger auftreten lassen und zwei stellen Strafen dar, die das Verhalten künftig seltener auftreten lassen.
Da Hundeerziehung darauf abzielt, dass der Hund auf ein menschliches Signal hin ein bestimmtes, mit dem Signal verknüpftes Verhalten zeigt, kommen zum Einsatz in einem Hundetraining nur die beiden verhaltensverstärkend wirkenden Folgen in Frage, von denen vorsätzlich in einem Training aber nur die umgangssprachlich mit der Belohnung gleichgesetzte positive Verstärkung angewendet werden kann. Die negative Verstärkung setzt voraus, dass ein unangenehmer oder gar schmerzhafter Reiz dauerhaft vorhanden ist und auf Grund eines Verhaltens wegfällt. Daher müsste der Hund im Training bewusst einem solchen Reiz ausgesetzt werden, was nicht nur unethisch wäre, sondern neben einer möglichen Senkung der Lerngeschwindigkeit noch weitere Risiken bergen, die in diesem Abschnitt des ersten Teils unserer dreiteiligen Artikelserie über die wissenschaftliche Entwicklung der Lerntheorien und ihre praktische Anwendung im Hundetraining beschrieben sind.
Ungeachtet all dessen spielt aber die Kontiguität genannte und Timing meinende zeitliche Nähe zwischen Verhalten und Verhaltenskonsequenz eine wesentliche Rolle für die Lerngeschwindigkeit. Eine Verhaltensfolge, die später als eine Sekunde nach dem entsprechenden Verhalten eintritt, wird erst nach deutlich mehr Wiederholungen mit dem entsprechenden Verhalten verknüpft, als eine Folge, die innerhalb einer Sekunde auftritt. Ein Grund könnte darin liegen, dass die Konsequenz primär dem zuletzt gezeigten Verhalten zugeordnet wird. Kommt es zwischen Verhalten und Konsequenz zu Verzögerungen, während derer schon andere Verhaltensweisen gezeigt werden, wird die Konsequenz auf das falsche Verhalten bezogen. Allerdings ist die zeitliche Nähe von Verhalten und Folgereiz nur ein Vehikel, den Zusammenhang oder das Muster schneller zu erkennen. Der Begriff Muster beinhaltet schon einen weiteren Aspekt, denn dem Verhalten muss eine Vorhersagekraft innewohnen: Immer, wenn es gezeigt wird, muss dieselbe Verhaltensfolge erwartbar sein. Daher ist Konsequenz im Umgang mit Hunden extrem wichtig.
Timing beim Umgang mit unerwünschtem Verhalten
Grundsätzlich bestehen drei Möglichkeiten, mit unerwünschtem Verhalten umzugehen. Bei der Verhaltenslöschung kommt es nicht auf Timing, sondern auf absolute Kenntnis, Kontrolle und konsequenten Entzug der verhaltensverstärkenden Faktoren an: Denn ein Verhalten wird nur gelöscht, wenn ihm konsequent nie wieder eine belohnende Verstärkung mehr folgt. Unerwünschtes Verhalten kann auch, trotz der im oben benannten Artikel beschriebenen Risiken, bestraft werden. Eben wegen der mit Strafen verbundenen Risiken wird häufig geraten, ein unerwünschtes Verhalten durch den Abruf eines gewünschten, vorher nach allen Regeln der Kunst konditionierten, auch unter Ablenkung noch abrufbaren Alternativverhaltens abzubrechen. Sowohl die Bestrafung als auch das Training eines solchen Alternativverhaltens basieren auf der oben beschriebenen operanten Konditionierung, für die Timing außerordentlich wichtig ist.
Aber auch der Abruf eines solchen Alternativverhaltens unterliegt häufig einem bestimmten Timing. Denn das unerwünschte Verhalten wird im Normalfall durch eine Ablenkung ausgelöst: Erst, wenn der Hund Wild wahrnimmt, wird er ihm folgen. Erst, wenn er spielende Artgenossen wahrnimmt, wird er zu ihnen laufen etc. Um solche unerwünschten Verhaltensweisen mit einem Alternativverhalten zu unterbrechen, muss das Alternativverhalten unter starker Signalkontrolle stehen, was ein umfangreiches Training beispielsweise nach der 300-Pick-Methode voraussetzt. Bis allerdings dieses Trainingsziel erreicht ist, bleibt dem Hundemenschen Voraussicht, Lesen der hündischen Körpersprache und Timing: Denn bevor der Hund auf einen solchen Ablenkungsreiz reagiert und unkontrollierbar wird, bleibt ein minimales Zeitfenster, das im Rahmen der in diesem Artikel besschriebenen Steigerung der Impulskontrolle vergrößert werden kann, in dem er den Reiz verarbeitet und noch abrufbar ist.
Timing und die Bedürfnisbefriedigung
Die Bedürfnisse eines Hundes sind vielfältig und es liegt in der Verantwortung der Hundebesitzer, diese Bedürfnisse als Teil der artgerechten Hundehaltung vorausschauend zu befriedigen. Hierzu besteht nicht nur aus tierschutzrechtlichen Gründen Notwendigkeit, sondern durch die belohnende Wirkung der Bedürfnisbefriedigung kann sie als Verhaltensverstärker in der Hundeerziehung eingesetzt werden. Außerdem setzt die Bedürfnisbefriedigung den Zugang zu den notwendigen Ressourcen voraus. Aus dem Privileg des Zugriffs auf die Ressourcen und den fürsorglichen Umgang mit diesen leitet sich die Dominanz und in ihrer Folge die Rangordnung und auch die Bindung des Hundes an den Menschen ab.
Das Timing kommt nun im Alltag bei der Befriedigung der hündischen Bedürfnisse deshalb zum Tragen, weil Hunde vom menschlichen Rudelchef erwarten, dass er die Initiative ergreift und dadurch die Führung übernimmt: Er soll in der Regel bestimmen, wann Gassi gegangen, gefressen und morgens aufgestanden wird, ohne dabei die Bedürfnisse seines Tieres zu vernachlässigen, sondern ihnen gewissermaßen vorauszueilen. Dazu muss der Mensch die Bedürfnisse seines Hundes und dessen innere Uhr kennen. Andererseits sollte er lernen, seinen Hund und dessen Lautäußerungen und seine Körpersprache so zu lesen, dass er beispielsweise erkennt, ob der Hund nachts dringend raus muss, weil er beispielsweise Durchfall hat, oder ob er raus will, weil er mal kurz im „Revier“ Garten nach dem Rechten sehen will.
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