Dominanz vom Hund

Was versteht man unter Dominanz bei Hunden?

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Zuletzt aktualisiert am: 18.12.2023

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Synonyme
  • dominant
  • Dominanzverhalten

Das Nomen „Dominanz“ leitete sich vom lat. mit „beherrschen“ zu übersetzenden Verb „dominare“ ab. Dominante Hunde möchten also über das Rudel „herrschen“.

Besonders Hunde, die auch Menschen dominieren möchten, benötigen einen konsequent handelnden und mit modernen Trainingsmethoden erziehenden Menschen, der ihre Privilegien stärker einschränkt als das bei eher zur Unterordnung neigenden Hunden der Fall wäre. 

Dominanz in freien und gefangenen Wolfsrudeln

Einige Hundearten, so Wölfe, Afrikanische Wildhunde, asiatische Rothunde und amerikanische Waldhunde leben in Sozialverbänden, den Rudeln. Ein solches Zusammenleben setzt Sozialverhalten, zu dem auch Dominanz- und Unterordnungsverhalten zum Aufbau einer Hierarchie zählt, voraus. Diese Themen wurden für die Hundeartigen recht umfangreich anhand des Wolfes erforscht. 

Wissenschaftliche Beschreibungen des Sozialverhaltens von Wölfen ergeben sich aus Beobachtungen, die Verhaltensbiologen während des 20., aber auch in den ersten 20 Jahren des aktuellen Jahrhunderts machten. Wölfe leben in Revieren von 100 bis 1.000 Quadratkilometern, was Quadraten mit Kantenlängen von 10 bis 30 Kilometern entspricht, und ziehen in diesen umher. Daher ist es sehr schwierig, sie und die soziale Interaktion dauerhaft zu beobachten. Aus diesem Grund leiten sich die meisten Aussagen über das wölfische Sozial-, Unterordnungs- und Dominanzverhalten aus der Beobachtung von extra zu Forschungszwecken in Gehegen gesperrten und dort lebenden Wölfen ab. Da die Forscher zunächst davon ausgingen, dass große Wolfsrudel sich im Herbst und Winter aus fremden Wölfen bilden, um auch größere Beutetiere erjagen zu können, stellten sie ihre Forschungsrudel ebenfalls aus nicht verwandten Tieren zusammen. Erst mit David Mech, der noch 1970 den Begriff des Alpha-Wolfes in aller Munde brachte, erforschte gegen Ende des letzten Jahrhunderts die Struktur und die sozialen Interaktionen von in Freiheit lebenden Rudeln und stellte fest, dass es in Freiheit keine Alpha-Wölfe gibt und die Beobachtung von Gehege-Rudeln nicht das in der Natur übliche Sozialverhalten der Wölfe widerspiegelt. 

Bei in Freiheit lebenden Wölfen handelt es sich David Mech zu Folge bei den Leittieren in der Regel um die Eltern aller anderen Rudelmitglieder, bei denen es sich um Kinder unterschiedlichen Alters handelt. Aus der Elternrolle ergibt sich nicht nur bei Hundeartigen ein fürsorglicher und teilweise erzieherisch-maßregelnder Führungsanspruch den Nachkommen gegenüber. Daher steht das Elternpaar und vor allem der Wolfsvater an der Spitze der Hierarchie. Aus dem Alter leitet sich denn auch die übrige Hierarchie ab: Je älter ein Wolf ist, desto erfahrener ist er im Umgang mit der Umwelt und ihren Reizen, auf die bestmöglich zu reagieren er durch operante Konditionierung gelernt hat. Diese Erfahrung bringt er in die Aufzucht seiner jüngeren Geschwister ein, denen gegenüber er entsprechend dominant ist. Im Alter zwischen einem und zwei Jahren verlassen die nun geschlechtsreifen Jungwölfe allerdings das Rudel, um in einem anderen Landstrich ein eigenes Revier zu beanspruchen und dort mit einem zweiten Wolf des anderen Geschlechts ein eigenes Rudel zu gründen und auf diese Weise selbst elterlich-dominantes Leittier eines Rudels zu werden. Mech weist darauf hin, dass in besonders beutetierreichen Lebensräumen wie dem Yellowstone National Park kann sich das Abwandern soweit verzögern, dass schon geschlechtsreife Töchter selbst Welpen von rudelfremden Rüden bekommen. In dem Fall kann es dazu kommen, dass Mutter und Töchter um Ressourcen wie Futter für sich und ihre Welpen in Konkurrenz geraten. Eine sich aus dieser Konkurrenz ergebende Hierarchie nicht mehr durch Fürsorge und Verantwortungsübernahme gegenüber dem dominierten Wolf gekennzeichnet, sondern viel eher durch Konkurrenz- und Rangkämpfe. 

Leben Wölfe hingegen in Tierparks oder Zoos und somit Gefangenschaft, ist die Abwanderung geschlechtsreifer Jungtiere, die durch Gründung eines eigenen Rudels Dominanz aufbauen und ausleben könnten, nicht möglich. Hin und wieder werden mit dem Bestandsrudel nicht verwandte „Neuzugänge“ in das Gatter gegeben, beispielsweise um die genetische Basis zu verbreitern oder Verluste auszugleichen. Diese Neuzugänge müssen sich nun in das Rudel integrieren und ihren Platz in der Hierarchie finden. Insgesamt kann über längere Zeit so eine Rudelstruktur entstehen, die kaum mehr der in Freiheit beobachtbaren Eltern-Kind-Struktur ähnelt, sondern ein „zusammengewürfeltes“ Rudel aus teilweise nicht verwandten, aber gleichaltrigen Tieren darstellt, die in freier Wildbahn ihr eigenes Revier gegen viele der anderen Mitglieder dieser Zwangsrudel verteidigen würden, was einem Kampf um Ressourcen, also einem Konkurrenzkampf, entspricht.

Die Hierarchie solcher, in Gefangenschaft lebender Rudel ergibt sich also nur noch sehr begrenzt aus der fürsorglichen Dominanz der Eltern über ihre Nachkommen sowie der ebenso fürsorglichen Dominanz der älteren über die jüngeren Geschwister, denn solche Familienbande sind nur ein kleiner Teil des Gesamtrudels. Hinzu kommt, dass die geschlechtsreifen Nachkommen nicht abwandern können, sodass die von Mech beschriebene Konkurrenz um Ressourcen zwischen Eltern und erwachsenen Nachfahren zu Kämpfen und entsprechend motivierten Hierarchien führen können. 

Letzteres gilt für fremde Wölfe, die gewöhnlich und instinktiv ihr Revier vor fremden Artgenossen verteidigen, in gesteigertem Maß. 

Daher ergibt sich eine komplexere Hierarchie, die nicht nur auf verantwortlicher Fürsorge, sondern auch auf Konkurrenz und Kampf basiert und die sich im Laufe der Zeit auf Grund zu- oder abnehmender Kräfte und Erfahrung der einzelnen Individuen ändern kann. Die mit den Änderungen verbundenen Auf- und Abstiege in der Hierarchie sind dabei nur in letzter Konsequenz das Ergebnis von Rangkämpfen im engeren Sinne, denn sie können sich auch auf ruhigere Weise eher schleichend vollziehen, indem ein bisher untergeordneter Wolf gegenüber dem Übergeordneten seltener Unterwürfigkeitsgesten zeigt und schrittweise dazu übergeht, selbst Dominanzverhalten zu zeigen. Ein solches Vorantasten führt dann zu einem Rangfolgekampf, wenn beide Tiere auf ihrer Dominanz bestehen und sich keiner freiwillig unterordnet.

Zur Beschreibung der Hierarchie eines in Gefangenschaft lebenden Rudels sind folglich mit Kampf und Konkurrenz assoziierte Begriffe wie Alpha-Wolf und Omega-Wolf nötig geworden, die in der Hierarchie wild lebender Wolfsrudel keine die biologischen Grundlagen sinnvoll beschreibenden Ausdrücke darstellen.

Dominanz im Rudel von Familien- und Haushunden liegt beim Menschen

Die Ergebnisse der Verhaltensforschung an in Gefangenschaft lebenden Wölfen werden häufig als Basis zur Erklärung des Verhaltens unserer Haushunde verwendet. 

Dieses Vorgehen ist umstritten, obwohl der Haushund vom Wolf abstammt. Und der Haushund lebt, wie in Gehegen lebende Wölfe, in einem Rudel, das nicht nur aus seinen Eltern und Geschwistern besteht: Im Normalfall lebt ein Familienhund in einem Rudel, das er nicht selbst ausgesucht oder aufgebaut hat und das gar keine Verwandten, in vielen Fällen nicht mal andere Artgenossen beinhaltet. Eine weitere Parallele besteht darin, dass der Familienhund, wie die in Gefangenschaft lebenden Wölfe, nicht ohne weiteres abwandern und andernorts ein eigenes Rudel gründen kann.

Allerdings sollte die „Stimmung“ innerhalb des Hund-Mensch-Rudels eher der entsprechen, die in einer freilebenden Wolfsfamilie herrscht: Die menschlichen Rudelmitglieder konkurrieren schließlich nicht mit dem Hund um dessen Futter oder Wasser, sondern nehmen die Rolle der fürsorglichen Wolfeltern ein und stellen wie diese alle für den Hund notwendigen Ressourcen zur Verfügung und achten auf den Ausgleich aller Bedürfnisse des Tieres, von dem nach Nahrung und Beschäftigung bis zu dem nach Ruhe und Sicherheit. Aus der Erfüllung dieser Verantwortung leitet sich die menschliche Dominanz über den Hund ab. 

Damit auch der Hund den Zusammenhang sehen und verstehen kann, ist neben dem Kontakt zum Menschen während der Prägephase im Welpenalter auch wichtig, dass die Bedürfnisbefriedigung immer in einem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Menschen steht: Nur dann kann der Hund den Reiz, den beispielsweise Futter, ein Spielzeug oder ein Spiel, eine Gassirunde etc. bedeutet, mit dem Menschen koppeln, sodass über eine klassische Konditionierung der Mensch mit all den angenehmen Reizen verbunden ist. 

Darüber hinaus kann der Zugang zu diesen Ressourcen auch belohnend gewährt und so zur Hundeerziehung über die auf operanter Konditionierung basierenden und vielen modernen Trainingsmethoden verwendet werden. Hierdurch wird die Dominanz des Menschen über den Hund nochmals unterstrichen: Denn der Mensch knüpft hierdurch die Bedürfnisbefriedigung an bestimmtes, von ihm gewünschtes Verhalten.

Um all dies zu ermöglichen, kommt es darauf an, dass dem Hund eine begrenzte Anzahl von Privilegien (Link Lex) gewährt werden: Derjenige, der über diese Privilegien verfügt, hat in Hundeaugen die Führungsrolle inne.

Dominanzstreben des Hundes

Da jeder Hund hat einen eigenen Charakter hat, streben unterschiedliche Hunde unterschiedlich ausgeprägt nach Dominanz. Diese drückt sich primär darin aus, dass der Hund nach den mit der Dominanz verknüpften Privilegien strebt, denn natürlich besitzen diese eine angenehme und daher erstrebenswerte Wirkung auf den Hund. Er strebt als eigentlich gar nicht nach der Verantwortung, das Rudel zu führen und damit nach Dominanz. Vielmehr strebt er danach, frei zu entscheiden, wann er welches Bedürfnis befriedigen oder einem Impuls folgen kann. 

Dazu gehören mehr oder weniger aufdringliche Spielaufforderungen Mensch und Hund gegenüber ebenso wie der Wunsch nach einem möglichst angenehmen Ruheplätzchen oder die Befriedigung der Neugier durch freie Wahl der Laufrichtung mit oder ohne Leine. Die meisten dieser Themen lassen sich, wenigstens bezogen auf die Interaktion zwischen Hund und Mensch, durch bestimmte Trainingsmethoden in den Griff bekommen. Genau wie diese Trainingsmethoden, stellt auch die Interaktion von Hunden untereinander eine Art der operanten Konditionierung dar, sodass im Normalfall zwischen Hunden keine Probleme entstehen.

Treten allerdings aggressive Verhaltensweisen bei Hunden auf, egal ob untereinander oder im Umgang mit Menschen, ist selten Dominanz, sondern häufig Angst und Unsicherheit der Grund für Vermeidungsverhalten. Häufig ist auch Ressourcenverteidigung oder -eroberung ein Thema. Die Gründe für dieses Verhalten sollten durch einen erfahrenen Trainer analysiert werden, damit ein entsprechender Trainingsplan gegen solches Verhalten erstellt und unter Anleitung des Trainers und umgesetzt werden kann.

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