Aufreiten bei Hunden
Was bedeutet das Aufreiten beim Hund?
Von:
Carsten Becker
Zuletzt aktualisiert am: 30.4.2024
- Begatten
- Rammeln
Aufreiten beim Hund ist zunächst einmal ein völlig normales Verhalten und demnach „standesgemäß“ also Bestandteil hündischen Verhaltens. Sprich, das Aufreiten des Hundes gehört zu dessen Normalverhalten und dient letztlich als körpersprachliches Kommunikationsmittel beim Interagieren mit seiner Umwelt.
Und wenn es zum Verhaltensmuster Aufreiten beim Hund kommt, kann dies die unterschiedlichsten Beweggründe haben, die ihn zu diesem Verhalten motivieren.
Das Aufreiten bringen mit großer Wahrscheinlichkeit viele Beobachter bei Hunden mit der Fortpflanzung, also dem sexuell motivierten Aufreiten in Verbindung. Häufig auch als Rammeln und Begatten bezeichnet. Folglich zu beobachten, wenn der Rüde bei einer läufigen Hündin an deren Hinterteil aufsteigt und beginnt zu rammeln, um seine Gene durch den Deckakt weiterzugeben, die Hündin möglichst zu befruchten und demnach für Nachkommen zu sorgen.
Allerdings ist diese Verhaltensweise nur eine unter zahlreich möglichen Ursachen, die den jeweiligen Hund dazu veranlasst, an Artgenossen, artfremde Tiere, Menschen oder Gegenständen aufzureiten. Beispielsweise kann das Aufreiten auch ein Auslassventil bei erhöhtem Stresslevel oder Geste bei Unterforderung sein.
Und im Übrigen ist das Aufreiten kein Privileg der männlichen Hunde, also Rüden. Sondern auch Hündinnen zeigen das Verhaltensmuster situativ je nach Motivation und Grund. Ebenso findet das Aufreiten nicht nur zwischen zwei unterschiedlichen Geschlechtern bei Hunden, sondern durchaus zwischen zwei Rüden oder zwei Hündinnen statt.
Das Aufreiten kann schon sehr früh beim fröhlichen und ausgelassenen Spielen und Toben der Welpen beim sozialen Miteinander beobachtet werden und ist damit ein Teil des Sozialverhaltens.
Reitet der Hund auf, so kann der Auslöser positiv oder negativ begründet sein – also freudig und angenehm empfundene Anlässe bis hin zu unangenehmen und störenden Emotionen das Verhalten verursachen, sowie situativ ok oder unpassend und deplaziert, folglich ein Einwirken angebracht sein.
Einige Gründe für Aufreiten des Hundes im Hundealltag:
- Verhaltensmuster, um Aufmerksamkeit zu erhalten
- Aufregung
- Erhöhtes Erregungslevel
- Stress
- Angst
- Frustration
- Nervosität
- Langeweile
- Dominanzverhalten / Dominanzgeste
- Konfliktsituation
- Übersprunghandlung / Übersprungverhalten
- Überforderung
- Unterforderung
- Sexuelle Motivation (Fortpflanzung)
- Spielen und demnach soziale Interaktion
Zeigen nur unkastrierte (intakte) Rüden das Aufreiten als Verhaltensmuster?
Nein. Aufreiten gehört zum Verhalten intakter Hunde, Hündinnen als auch kastrierter Rüden dazu, da es nicht ausschließlich sexueller Natur ist.
Ist Aufreiten beim Hund ein unerwünschtes Verhalten?
Das kommt völlig auf den jeweiligen Kontext und die Situation an, wann das Verhaltensmuster Aufreiten auftritt. Denn selbst im Rahmen des Fortpflanzungsprozess kann das Aufreiten beabsichtigt und gewollt, oder eben eine sexuell motivierte Handlung des Rüden bei einer läufigen Hündin sein, die weder dem einen noch anderen Halter passt. Ist die Hündin heiß und beide Besitzer streben eine gezielte Verpaarung an, so spricht nichts gegen das „Rammeln“ innerhalb eines beabsichtigten Liebesaktes um Nachzöglinge zu zeugen. Fällt ein Rüde allerdings über eine läufige Hündin her, die noch nicht in der Hitzephase ist, kann es durchaus sein, dass ihr das Aufreiten nicht passt, sie sich abwendet und mitunter dem Rüden dies unmissverständlich zeigt. Das sexuell getriebene Aufreiten muss also von Fall zu Fall bewertet werden.
Oder der Hund freut sich diebisch über den Besuch vertrauter Familienmitglieder oder enger Freunde, dreht förmlich durch die Aufregung und das gesteigerte Erregungslevel positiv bekloppt durch, so kann das gezeigte Aufreiten am Bein der Person oder an einem Gegenstand in direkter Nähe als Auslassventil zum Abbauen der überschäumenden Freude sein.
Wird das Aufreiten nicht zu einer unangemessenen und unangebrachten situativen Gewohnheit, tritt also primär in Einzelfällen und eher selten auf, oder ist bei heranwachsenden Hunden im Spiel mit Artgenossen kurz zu beobachten, kann sollte man auch den Hund einfach mal Hund sein lassen. Und selbst beim „spielerischen“ Aufreiten sollte man als verantwortlicher Halter das Treiben aufmerksam beobachten, denn so kann intensives Spielen auch gröber werden und aus purem Spiel, sich Unbehagen für einen der beteiligten Hunde daraus entwickeln und zu einer Konfliktsituation ausarten.
Aufreiten beim Hund ist aber auf keinen Fall ein Alarmzeichen, um unverzüglich seinen Hund kastrieren zu lassen, wie es leider hier und da empfohlen wird. Denn wie wir gelernt haben, ist Aufreiten kein Verhaltensmuster, das ausschließlich durch eine sexuelle Motivation erzeugt wird. Wird also hier voreilig zum „Messer“ gegriffen und eine Kastration als empfohlenes Allerheilmittel gegen das Aufreiten angestrebt, so können wir nur vor Schnellschüssen warnen. Denn dies mag u.U. bei Hypersexualität eine denkbare Möglichkeit sein, um das ständige sexuell motivierte Aufreiten effektiv zu minimieren, liegt aber die Ursache in einem anderen Kontext, wird der operative Eingriff das Ziel verfehlen und selbst bei kastrierten Hunden weiterhin auftreten. Und ein irreversibles Kastrieren sollte stets wohlüberlegt sein, da es vielleicht auch sinnvollere Alternativen wie einen Hormonchip und Kastration auf Zeit oder Sterilisation gibt.
Je nach Ursache des Aufreitens kann dieses auf angemessene und wirkungsvolle Weise unterbunden werden. Ist z.B. Langeweile oder Unterforderung der Grund für das Aufreiten, so kann dem aufreitenden Hund eine Alternativbeschäftigung angeboten werden, die ihn physisch und kognitiv fordert, damit das Verhalten vermieden wird. Sinnvolle Aktivitäten helfen hier weiter, bei einer Überforderung oder erhöhtem Stress hilft das Gegenteil – gezielte Entspannung und Ruhe.
Prinzipiell muss also erst einmal die Ursache und Bedeutung des situativen Aufreitens ergründet werden, um mit hilfreichen Maßnahmen auf den Hund ggf. einwirken zu können.
Je nach Ausmaß und Hintergrund des Aufreitens, ist es nie ein schlechter Ansatz, einen erfahrenen Hundetrainer, Verhaltenstherapeuten oder Tierarzt für Verhaltenstherapie hinzuzuziehen.
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