Bedürfnisorientiertes Hundetraining: Definitiv die beste Art mit seinem Hund zu trainieren!

Ratgeber, Tipps und praktische To-dos zum bedürfnisorientieren Hundetraining vom Hundeprofi

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Zuletzt aktualisiert am: 25.10.2023

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Das Wichtigste in Kürze

  • Was versteht man unter bedürfnisorientiertem Hundetraining?
  • Wie lernt der Hund?
  • Operante Konditionierung
  • Die 4 Quadranten der operanten Konditionierung (Quelle: Skinner)
  • Fair und gewaltfrei Grenzen setzen

Bedürfnisorientiertes Hundetraining ist Training mit dem Hund unter Berücksichtigung seiner natürlichen und individuellen Bedürfnisse, was voraussetzt, diese von Haus aus erst einmal zu kennen und während der gemeinsamen Interaktion wahrzunehmen, um angemessen darauf eingehen zu können. Sprich, der Hundetrainer oder verantwortliche Bezugsmensch, der mit seinem Hundeliebling trainiert, geht feinfühlig und einfühlsam auf seinen Hund und dessen Bedürfnisse beim Training ein, um einerseits erwünschte Lerninhalte zu vermitteln und anvisierte Trainingsziele zu erreichen, gleichzeitig dabei aber mit erhöhter Aufmerksamkeit auf die ausgesendeten Signale und Emotionen seines Hundes zu achten, den Hund in seinem Tun zu bestärken und motivieren, mit respektvollem und hundgerechten Umgang das Training zu leiten und moderieren, wodurch ein harmonisches Miteinander entsteht, was wiederum positiven Einfluss auf die Bindung und eine intakte Beziehung nimmt - der Schlüssel zum Erfolg liegt beim bedürfnisorientierten Hundetraining in der positiven Bestärkung erwünschten Verhaltens, sodass bei diesem Trainingsansatz und -philosophie, Bestrafungen keinen Raum erhalten.

Das heißt mit Nichten, dass der Hund machen kann was er will. Beim bedürfnisorientierten Training mit Hunden soll eine positive Atmosphäre und angenehmes Lernumfeld das Zusammenwirken prägen, wo der Hund und dessen individuellen Bedürfnisse im Mittelpunkt stehen, er ein hohes Maß an Freiheiten und Entfaltungsmöglichkeiten eingeräumt bekommt, dennoch Regeln und Grenzen aufgestellt und gelebt werden, aber nicht durch harte Hand, sondern mit Köpfchen und Verstand gemäß dem autoritativen Erziehungs- und Trainingsansatz, Anwendung finden. Es geht um vertrauensvolle und kommunikative Teamarbeit, wo der Hund sich wohl und mit all seinen individuellen "Mitbringsel" abgeholt fühlt.

Nun aber genug Vorwort!

Wir wollen nun gemeinsam uns den nachfolgenden Artikel unserer mitwirkenden dogondo-Hundetrainerin, Lisa Ringelstein, widmen. Denn Sie bringt es ganz genau in Sachen "bedürfnisorientiertes Hundetraining" auf den Punkt. Und liefert uns einen verständlichen Überblick, mit vielen Informationen, Beispielen, praktischen Tipps und To-dos. Viel Freude beim Lesen!

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Was ist eigentlich bedürfnisorientiertes Hundetraining?

Wenn in der Hundeschule mit dem Hundetrainer/Hundetrainerin oder Herrchen/Frauchen in Eigenregie, das Training unter Einbezug der Bedürfnisse des Hundeindividums erfolgt.

Bedürfnisorientiertes Hundetraining: Achtsamkeit, Bedürfnisse, Respekt stehen u.a. im Fokus

Es beruht darauf, dass ein Hund mit seinen ganz individuellen Bedürfnissen gesehen und betrachtet wird. Es geht darum, achtsam und einfühlsam mit dem Hund umzugehen und darauf zu achten, dass seine Bedürfnisse erkannt und befriedigt werden. Es geht dabei nicht nur um die Grundbedürfnisse, wie Nahrung und Wasser, sondern auch Sicherheitsbedürfnisse, Soziale Bedürfnisse, Selbstwirksamkeit uvm. Der Hund soll sich beim Haltenden sicher und geborgen fühlen, weshalb im bedürfnisorientierten Hundetraining niemals physisch oder psychisch gestraft wird. Stattdessen wird die positive Verstärkung eingesetzt. Was genau das ist, erfährst du in diesem Beitrag. Leider arbeiten noch viele Hundetrainer:innen mit veralteten, strafbasierten Methoden, die nicht nur nicht nachhaltig sind, da sie meist Folgeschäden mit sich bringen, sondern vor allem auch die Bindung zwischen Hund und Haltenden zerstört, das Vertrauen des Hunden in den Menschen wird gestört.

Das bedürfnisorientierte Hundetraining hat nicht nur im Hinblick auf das Trainingsergebnis einen positiven Einfluss. Sondern es trägt auch in Sachen Stärkung der Bindung und zu einer harmonischen Beziehung positiv bei!

Beim bedürfnisorientierten Hundetraining wird Wert auf die individuelle Hundepersönlichkeit, dessen spezifischen Bedürfnisse, wechselseitige Kommunikation, achtsamen, respektvollen, empathischen, vertrauensvollen und fairen Umgang in einer entspannten Lernatmosphäre gelegt, um als Hund-Mensch-Team zu wachsen, dabei positiven Einfluss auf die Bindung zu nehmen und die erwünschten Trainingsziele gemeinsam durch positive Verstärkung von erwünschtem Verhalten des Hundes zu meistern.

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Wie lernt ein Hund?

Im Alltag und durch gezieltes Hundetraining lernt beispielsweise ein Hund!

Üben, Trainieren und Routinen durch Wiederholen aufbauen

Lernen dient der Optimierung eines Zustands. Im Hundetraining bedeutet das meist, dass unser Hund lernen soll, unerwünschtes Verhalten zu lassen und gewünschtes Verhalten zu zeigen.

Ein Hund lernt IMMER und ein Leben lang, es lässt sich nicht abschalten. Um Verhalten jedoch nachhaltig zu lernen und festigen, bedarf es viel Übung, Training und viele Wiederholungen im Alltag.

Es gibt verschiedene Formen des Lernens, im heutigen Beitrag fokussiere ich mich jedoch auf die Klassische und die Operante Konditionierung und stelle die vier Quadranten der operanten Konditionierung vor.

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Operante Konditionierung vs. Klassische Konditionierung

Lernen via Versuch & Irrtum vs. Lernen durch Verknüpfung.

Das ist der Unterschied zwischen operanter und klassischer Konditionierung im Hundetraining!

Bei der operanten Konditionierung lernt der Hund durch Versuch und Irrtum (Trial & Error). Das bedeutet, der Hund zeigt ein Verhalten und lernt aus den unmittelbaren Konsequenzen, ob er dieses Verhalten in Zukunft öfter oder seltener zeigt.

Sind die Folgen positiv, zeigt der Hund dieses Verhalten in Zukunft öfter, weil es sich für ihn lohnt. Dies passiert, wenn er zum Beispiel eine Belohnung bekommt. Sind sie unangenehm, zeigt er sie seltener, da es sich für den Hund nicht gut anfühlt.

Das Timing ist dabei enorm wichtig. Zwischen dem Verhalten des Hundes und der Konsequenz sollte das Zeitfenster 0,5-2 Sekunden nicht überschreiten, ansonsten wird der Hund das Verhalten nicht mehr mit der Konsequenz in Verbindung bringen.

Bei der klassischen Konditionierung handelt es sich um ein Lernen durch Verknüpfung. Das heißt, es wird eine Verbindung zwischen einem Reiz und einer Reaktion oder zwischen einem Reiz und einem anderen Reiz hergestellt. Etwas, das vorher keine Bedeutung hatte, bekommt durch den zeitlichen Zusammenhang (0,5-2 Sekunden) eine Bedeutung für den Hund. Die klassische Konditionierung findet immer statt.

Beispiel:

  • Du pfeifst und der Hund bekommt danach ein Stück Käse; er freut sich. Beim nächsten Mal freut er sich bereits, wenn er die Pfeife hört. Dann beim nächsten Mal speichelt er bereits beim Hören der Pfeife, OHNE, dass da Futter bei sein muss. Er verknüpft: Pfeife=Reiz wird mit Käse=anderer Reiz. Und löst eine natürliche Reaktion hervor=Freude (Speichelfluss). Dies passiert beim Hund unbewusst.
  • Das Gleiche passiert, wenn wir einen unangenehmen Reiz nutzen, z.B. ein Stromhalsband (Achtung: verboten!!!). Wenn statt einer Belohnung nach dem Pfiff ein Stromreiz ausgelöst wird, wird der Hund Lernen: Pfeife=unangenehm. Jedes Mal, wenn dann die Pfeife ertönt, wird dein Hund ein unangenehmes Gefühl haben, z.B. Angst.

Achtung: Es kann immer zu Fehlverknüpfungen kommen. Wenn z.B. gerade, wenn du deinen Hund strafst, auf der anderen Straßenseite ein Kind spielt, kann dein Hund Kind=Reiz mit Strafe=Reiz verknüpfen und eine Aggression gegenüber Kindern aufbauen.

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Die vier Quadranten des Lernens nach Skinner

Positive & Negative Verstärkung, Positive & Negative Strafe.

So funktionieren die 4 Quadranten im Hundetraining

Bei den Konsequenzen im Training wird unterschieden zwischen: positiver und negativer Verstärkung und positiver und negativer Strafe. Dabei ist positiv und negativ wie in der Mathematik zu betrachten:

Es wird entweder etwas Angenehmes oder Unangenehmes hinzugefügt oder entfernt.

Die folgende Grafik gibt dir einen kleinen Überblick:


Leider trainieren noch viele Trainer:innen und Hundehaltende mit positiver Strafe. Das bedeutet, sie fügen ihrem Hund etwas Unangenehmes, physisch oder psychisch, zu. Die Folge davon ist Angst und Furcht. Diese Art des Trainings hat fatale Folgen für den Hund, aber auch für die Beziehung zwischen Mensch und Hund, da der Hund immer auch den Menschen mit dem unangenehmen Reiz verknüpft.

Weitere Nebenwirkungen von positiver Strafe sind: Vertrauensverlust, Stress, Fehlverknüpfungen, Gegenwehr (z.B. Aggression gegenüber dem Haltenden), uvm.. Dazu kommt, dass das Verhalten zwar für den Moment unterdrückt wird, der Hund jedoch dabei kein Alternativverhalten lernt und beim nächsten Mal nicht weiß, wie er dieser Strafe entfliehen kann. Ein weiterer Punkt ist, dass wir bei Strafen immer folgendes beachten müssen: Konsequenz, Intensität und das Timing müssen stimmen.

Und vor allem die Intensität ist selbst für Expert:innen schwierig zu beurteilen, denn der Hund entscheidet, was er als Strafe empfindet – nicht der Mensch! Und das ist höchst individuell.

Ja, man sieht bei der Anwendung von positiver Strafe „schnelle Ergebnisse“, jedoch kauft man sich damit auch jede Menge Folgeprobleme mit ein.

Neben der positiven Strafe gibt es noch die negative Strafe, bei der dem Hund etwas Angenehmes entzogen wird, z.B. Aufmerksamkeit. Diese ist wirksam bei forderndem Verhalten, wenn wir konsequent sind. Ein Vorteil ist, dass Fehler in der Umsetzung weniger gravierend sind als positive Strafen, trotzdem lernt der Hund dadurch nicht, was er tun soll, es kann zu Frust und Aggression kommen.

Bei der negativen Verstärkung wird etwas Unangenehmes entfernt, der Hund verspürt dabei eine Erleichterung. Um die negative Verstärkung anzuwenden, bedarf es vorher eine positive Strafe. Bsp: man drückt den Hund in ein Sitz (positive Strafe, nicht nachmachen!), um dann das Wegnehmen der Hand als negative Verstärkung zu nutzen. Auch diese Form des Lernens hat fatale Folgen bei falscher Anwendung, es besteht die Gefahr der Gegenkontrolle, Vertrauensverlust und Angst- und Aggressionsverhalten können ausgelöst werden.

Im bedürfnisorientierten Hundetraining ist deshalb die positive Verstärkung die erste Wahl. Denn sie ist sowohl für Anfänger als auch für Fortgeschrittene geeignet, Fehler beim Training wirken sich nur auf das Verhalten, jedoch nicht auf die Mensch-Hund-Beziehung aus und es werden nachhaltige Erfolge bei korrekter Anwendung erzielt. Neben dem Hund profitiert die Mensch-Hund-Bindung und außerdem legen wir dadurch den Fokus auf das Positive und erlangen nach und nach eine positive Grundhaltung – nicht nur im Zusammenleben mit unserem Hund!;)

Ideal für das bedürfnisorientierte Training mit dem Hund eignet sich ein Markersignal. Was genau das ist, welche unterschiedlichen Signale es gibt und wie man ein Markersignal aufbaut erfährst du im nächsten Beitrag.

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Solltet ihr an weiteren Informationen rund um das breite und komplexe Feld der Konditionierung und des Hundetrainings interessiert sein, legen wir euch gerne unseren umfassende 3-teilige Artikelserie über die Lerntheorie ans Herz, wo wir vom wissenschaftlichen Ansatz bis hin zum modernen Hundetraining, alle Facetten in epischer Breite abgehandelt haben:

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