Ganzheitliche Tiermedizin – Allgemein & im Kontext Hund

Was ist unter der Ganzheitlichen Tiermedizin zu verstehen und ist sie für den Hund sinnvoll?

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Zuletzt aktualisiert am: 30.12.2022

Beiger Hund bekommt den Blutdruck gemessen und der Arzt sitzt mit Stift und Block daneben.jpg

Wie auch in der Humanmedizin bei uns Menschen, trifft man in der Tiermedizin verstärkt auf einen formulierten "Ganzheitlichen Betrachtungsansatz" im Hinblick auf die Untersuchung, Diagnostik, Behandlung und Therapie von Hund, Katze, Pferd & Co.

Was bedeutet aber generell die damit beschriebene Ganzheitliche Tiermedizin, auf welche Therapieformen trifft man dabei, wie sieht die Wissenschaft den Ansatz und die damit verbundenen Methoden? Wird die Ganzheitliche Medizin nicht so oder so in der Tiermedizin tagtäglich praktisch angewendet, wo grenzen sich manche Therapien von der wissenschaflichen Hochschulmedizin ab? 

Muss es immer Schwarz oder Weiß sein, also Schulmedizin oder Ganzheitliche Tiermedizin, oder liegen Chancen in der Kombination beider "Welten"?

Letztlich will doch jeder Hundebesitzer, dass sein Hund gesund ist, es ihm gutgehrt und er wohlauf ist. Der Vierbeiner soll körperlich und geistig fit bleiben, möglichst lange von einer stabilen Konstitution zehren können und eine hohe Lebensqualität haben. Im Falle von Erkrankungen, Verletzungen etc. wünschen sich doch alle Hundehalter, mit den richtigen Behandlungsmethoden eine Besserung oder idealerweise Genesung herbeizuführen.

Wir wollen in unseren weiteren Ausführungen der Ganzheitlichen Tiermedizin auf die Spur gehen, aus Sicht einer Hochschulmedizinerin offen betrachten und wertvolle Tipps für den Alltag mit einem Hund auf den Weg geben. Viel Freude bei der Lektüre!

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Was ist Ganzheitliche Tiermedizin & macht die Anwendung beim Hund Sinn?

Ein ganzheitlicher Betrachtungsansatz zum Wohle des Hundes.

Die Ganzheitliche Tiermedizin - Definition, Anwendung, Ratschläge und Tipps

Immer häufiger hört oder liest man von sogenannter „ganzheitlicher Medizin“. Meist in Zusammenhang mit Erfolgsgeschichten von langersehnter Heilung oder zumindest Linderung quälender Krankheiten. Das Konzept der ganzheitlichen Medizin beruht darauf, den Patienten nicht nur als isoliertes Individuum zu betrachten, sondern als Organismus, der mit seiner Umwelt in ständiger Interaktion steht. Untersucht wird deshalb nicht nur der Patient an sich, sondern auch seine Lebensweise, seine Verbindungen zu Natur und Technik sowie spirituelle Aspekte.

Diese Vorgehensweise findet man auch in der Tiermedizin wieder, wobei die spirituellen Ansätze hier weitestgehend ausgeklammert sind. Man betrachtet das Tier an sich (allgemeine körperliche und psychische Verfassung), die Sozialkontakte des Tieres (Besitzer, Partnertier, andere Tiere/Menschen in direkter oder indirekter Umgebung), seine Unterbringung bzw. Lebensweise (Haus/Hof, Stadt/Land, Klima), technische Einflüsse (Strahlung, Lärm, Stromflüsse) und einiges mehr.

Ziel der umfassenden Betrachtung ist es, herauszufinden, ob diese sozialen, natürlichen und künstlichen Einflüsse einen positiven oder negativen Effekt auf die Erkrankung des Tieres haben oder eventuell sogar dessen Ursache sind. Entsprechend wird versucht diese Einflüsse zu fördern, zu ändern oder auszuschalten. Vornehmlich kommen dabei Naturheilverfahren zum Einsatz. 

Weil der Begriff der „ganzheitlichen Tiermedizin“ (GTM) nur schwammig definiert ist und nicht nur wissenschaftlich anerkannte Therapieformen dazu zählen, sondern teils auch umstrittene Methoden zur Diagnostik und Behandlung angewandt werden, wird sie oft in die Sparte der Pseudowissenschaften geschoben. Da aber jeder gute Mediziner, egal ob Human- oder Tiermediziner, nicht nur Symptome bekämpft, sondern natürlich auch Ursachenforschung betreibt, um Rückfälle zu vermeiden und den Behandlungserfolg zu verbessern, wird ganzheitliche Medizin eigentlich überall angewandt. Allein die Art und Weise sowie der Umfang unterscheiden sich. Und selten wird dabei von ganzheitlicher Medizin gesprochen, sondern diese Betrachtung schlicht als gute medizinische Praxis angesehen, um dem Patienten bestmöglich zu helfen.  

Hier einige Beispiele:

Bei einem Patienten mit Bauchspeicheldrüsenentzündung wird der Tierarzt nicht nur Medikamente auswählen, die symptomatisch wirken (z.B. Erbrechen verhindern) oder die Funktion der Bauchspeicheldrüse unterstützen (z.B. Enzyme), sondern sich natürlich auch fragen, ob eine bakterielle Infektion dahintersteckt und dementsprechend ein Antibiotikum gegeben werden muss. Genauso wird er sich die Fütterung des Tieres genauer ansehen, um herauszufinden, ob zu fettreich gefüttert wird und dadurch Leber und Bauchspeicheldrüse übermäßig belastet werden, was den Therapieerfolg negativ beeinflusst. Nicht selten ist hierbei auch „die Oma“ ein entscheidender Faktor, da ältere Damen dazu neigen, ihre Lieblinge, entgegen ärztlichen Rates, mit Leckereien zu verwöhnen. Da können Herrchen oder Frauchen noch so gut auf die Ernährung achten, wenn Oma im Hintergrund heimlich Leberwurstbrot füttert, wird es schwierig mit der Regeneration. Eine Betrachtung aller möglichen Kontaktpersonen und deren Einfluss auf den Patienten ist also immer wichtig.

Ähnliches gilt auch bei einem Kreuzbandriss. Hier entscheidet nicht die Vorlieben des Tierarztes über die Therapieform (konservativ vs. OP), sondern ein Abwägen aller direkten und indirekten Faktoren. Welche Rasse und welches Gewicht hat der Patient? Ein zierlicher Chihuahua wird ohne Operation gut mit seinem Bänderriss zurechtkommen, ein fettleibiger Labrador eher nicht. Kann der Besitzer eine Operation mit hoher einmaliger Summe bezahlen oder ist eine reine physiotherapeutische Behandlung sinnvoller, da hierbei die Beträge zwar häufiger gezahlt werden müssen, aber in kleineren Summen anfallen? Können vielleicht Tierschutzvereine bei der Bezahlung unterstützend helfen und so eine Operation ermöglichen? Wird das Tier im Hundesport geführt und soll dort auch weiter aktiv sein? Dann ist ein schnelleres und umfassenderes Therapieprogramm nötig, als bei einem reinen Familienhund, der nur kleine Runden um den Block dreht. Usw.

Auch Juckreizpatienten müssen natürlich allumfassend betrachtet werden. Was bekommt der Hund zu fressen? Könnte eine Futtermittelallergie die Ursache sein? Zeigt der Besitzer auch Symptome wie Juckreiz oder Pusteln? Dann ist ein Parasitenproblem wahrscheinlich. Hat das Tier weitere Symptome, wie Verhaltensänderungen, stumpfes Fell oder Gewichtszunahme, könnte eine Schilddrüsenerkrankung dahinterstecken. Gibt es Veränderungen im häuslichen Umfeld oder im Tagesablauf, liegt vermutlich hier die Ursache und es handelt sich um stressbedingten Juckreiz. Vom Versterben einer Bezugsperson, über unbeliebtes Pflegepersonal für den kränkelnden Opa, bis zu neuem Nachbarshund oder Unverträglichkeiten des geänderten Waschmittels ist alles möglich. 

Genauso spielt natürlich auch bei jeder Erkrankung die Magen-Darm-Funktion eine wichtige Rolle. Denn nur ein gesunder Darm kann Krankheiterreger bekämpfen und Nährstoffe oder Medikamente, die mit dem Futter gegeben werden, optimal aufnehmen und weiter transportieren.  

Auch der psychische Zustand des Patienten ist enorm wichtig. Denn, genauso wie wir Menschen, leiden auch Tiere unter Stress, Trauer, Langeweile u.v.m. Das kann von Schlafmangel, Rastlosigkeit und Konzentrationsschwäche, über Verdauungsstörungen und psychisch bedingtem Juckreiz bis hin zu Zwangsstörungen und Selbstverstümmelung führen. 

Sie sehen also, eine ganzheitliche Betrachtung des Patienten ist bei fast jeder Erkrankung wichtig und auch ein Standardvorgehen, um optimal therapieren zu können. 

Wie aber kommt es nun, dass extra ein Begriff dafür entstanden ist (ganzheitliche Tiermedizin) und dieser so viele Kontroversen mit sich bringt?

Hauptgrund der Entstehung einer eigenen Sparte „ganzheitlicher Tiermedizin“ (GTM) ist die Suche nach einem Konzept zur Heilung schwerkranker oder therapieresistenter Patienten. Denn nicht jede Erkrankung hält sich an das Lehrbuch und spricht auf die Standardtherapien an. Viele Patienten haben auch mehrere Erkrankungen, die sich gegenseitig beeinflussen, sodass bestimmte Therapieoptionen nicht in Frage kommen. So stoßen Tierärzte bei diesen Patienten an ihre Grenzen und können nur mehr symptomatisch/palliativ behandeln. Als Tierbesitzer fällt es natürlich schwer diesen Zustand zu akzeptieren und man macht sich auf die Suche nach Heilmethoden, die noch Hoffnung versprechen. Auch Tierärzten geht es nicht anders. Nichts ist frustrierender, als um die Gesundheit eines Patienten zu kämpfen und keinen Erfolg zu erkennen. So ist es nur verständlich, dass ständig neue Therapieansätze entwickelt, altertümliche Heilmethoden getestet oder umstrittene Behandlungen ausprobiert werden. Und das ist auch gut so. Sonst wären wohl viele Wirkstoffe oder Heilmethoden nie erfunden worden. 

Dieses Vorgehen birgt aber auch einige Gefahren. Denn es gibt natürlich einen Grund, warum bestimmte Medikamente und Therapieformen standardmäßig angewandt werden und andere nicht. Das Zauberwort hier nennt sich „Anwendungssicherheit“. Das heißt, ein Medikament oder eine Behandlungsart muss für den Patienten sicher sein, sollte ihn also nicht schädigen bzw. nur in einem gewissen Rahmen, wenn es für den Therapieerfolg essentiell ist (s. Nebenwirkungen Chemotherapie). 

Dies ist unter anderem im Tierschutzgesetz verankert: „Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.“ Und auch in der tierärztlichen Berufsordnung findet man den Satz „Der Tierarzt/die Tierärztin […] ist berufen, Leiden und Krankheiten der Tiere zu verhüten, zu lindern und zu heilen.“. 

Um eben diese Schmerzen, Leiden oder Schäden zu verhindern, werden Medikamente und Therapieformen im wahrsten Sinne des Wortes auf Herz und Nieren geprüft. Nur diejenigen, die in zahlreichen Vorversuchen bestehen, werden zu größeren Studien zugelassen und nur wer ebenfalls in mehreren dieser großen Studien Erfolge erzielt, ohne größere Nebenwirkungen oder gar Todesfälle zu verursachen, wird von der Europäischen Arzneimittelbehörde als Medikament zugelassen bzw. von Expertengremien in Leitlinien aufgenommen oder als gute und sichere Therapieoption anerkannt. Diese Anerkennungen/Zulassungen dauern mehrere Jahre bis Jahrzehnte, damit möglichst alle Fehlerquellen ausgeschlossen werden können und man ganz sicher sein kann, dass alles seine Richtigkeit hat. Die Anforderungen werden dabei natürlich laufend optimiert und an die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse angepasst. Insbesondere, damit Unglücksfälle, wie der Contergan-Skandal der 60er Jahre, nicht mehr auftreten. 

Diese Anwendungssicherheit ist Ausgangspunkt der Diskussionen um die ganzheitliche Tiermedizin. Denn einige der oft zur GTM zählenden Behandlungsformen, inklusive Medikamente, sind wissenschaftlich nicht anerkannt. So befürchten viele Tierärzte, dass Patienten an Schäden durch die Behandlung selbst oder durch ausbleibende Wirkung der GTM-Behandlung versterben könnten. Leider sind diese Befürchtungen nicht unbegründet, denn einige Tierhalter vertrauen allein auf die fragliche Wirkung bestimmter Methoden und die Selbstheilungskräfte ihres Tieres und ignorieren oder übersehen dabei offensichtliche Schmerzen und Leiden. So kann es auch sein, dass das Stadium einer Erkrankung, in dem ein anerkanntes Medikament Heilung oder zumindest Erkrankungsstopp hätte erreichen können, ungenutzt vorbeistreicht und die Rettung des Tieres ausbleibt, weil der Besitzer es nicht besser wusste und auf sanfte Methoden, ohne Rücksprache mit dem behandelnden Tierarzt, blind vertraut hat. Gut meinen und gut machen sind leider nicht unbedingt das Gleiche. 

Anwender dieser Heilmethoden argumentieren gegen diese Bedenken mit „Der Erfolg gibt uns Recht“ und „Unglücksfälle kann es bei jeder Behandlung geben“. Vom Prinzip her ist das natürlich richtig. Jede Behandlung kann einmal fehlschlagen, jeder Tierarzt kann sich irren und bei jeder Erkrankung können Schmerzen übersehen werden, wenn die Kommunikation zwischen Patient, Tierhalter und Tierarzt nicht optimal verläuft. Die bewiesene Anwendungssicherheit einer anerkannten Therapie bietet aber den Vorteil, dass man weiß, wie etwas wirkt, welche Nebenwirkungen auftreten können, welche Ursache diese Nebenwirkungen haben und wie man entsprechend darauf reagieren kann. Bei allen nicht-anerkannten Methoden fehlt uns dieses Wissen. Wie wirkt die Methode? Welche Wechselwirkungen gibt es mit anderen Medikamenten/Therapien? Gibt es Situationen, in denen man diese Methode keinesfalls anwenden sollte? Gibt es ein Gegenmittel? Birgt es Gefahren bei der Trächtigkeit? Antworten auf diese Fragen gibt es meist nicht oder sie stützen sich rein auf Erfahrungswerte ohne Gegenproben oder Tests. Natürlich gibt es auch einige Studien zu GTM-Methoden. Da diese Studien bis jetzt aber noch keine oder zu wenig eindeutige Beweise für deren Wirksamkeit erbringen konnten, wurden sie noch nicht anerkannt oder zugelassen. Das Vertrauen auf eine unsichere Sache ist für viele Tierhalter der Strohhalm, an den sie sich klammern, um ihrem Tier zu helfen, aber eben auch der Grund für viele Tierärzte diese Methoden abzulehnen. Denn niemand möchte einen Contergan-Skandal in der Tiermedizin oder Leidensfälle durch möglicherweise wirkungslose Therapien.

Es wenden sich aber nicht nur Tierhalter schwerkranker Tiere an GTM-praktizierende Tierärzte, sondern auch für Routinebehandlungen oder bei kleineren Problemen wird gerne auf die sognannten „sanften Heilmethoden“ vertraut. Warum ist das so? 

Zum einen möchte jeder Tierhalter natürlich nur das Beste für seinen Liebling und ihm möglichst jegliche Art Unwohlsein ersparen. Dazu zählt man häufig auch Schmerzen durch Spritzengabe oder jegliche Organbeeinträchtigung durch Medikamentenverstoffwechselung. Da liegt es nahe, zunächst pflanzliche Präparate, Akupunktur oder Homöopathie anzuwenden. Denn wenn es damit funktioniert, hat man sich Spritzenschmerz und synthetische Medikamente gespart. 

Dieser Gedankengang ist gut nachzuvollziehen. Auch bei uns selbst startet ja meist jede Erkältungsbehandlung zunächst mit Tee, Hustenbonbons und Co., bevor wir zum Arzt gehen. Genauso versuchen wir Kopfschmerzen in der Regel eine Zeit lang mit Ruhe und Entspannung zu lindern, bevor wir zur Tablette greifen. Das funktioniert bei vielen Dingen auch beim Hund sehr gut und nicht bei jeder Kleinigkeit muss sofort mit Tabletten oder Spritzen behandelt werden. Dennoch sind hier einige grundlegende Dinge zu beachten:

1. Der Behandler sollte ein Tierarzt sein oder ein Tierheilpraktiker mit wirklich guter (!) Ausbildung. Sonst werden schnell Dinge übersehen, falsche Diagnosen gestellt oder Zusammenhänge sowie Wechselwirkungen mit anderen Erkrankungen nicht erkannt, was wiederum zu Nebenwirkungen oder Schädigung des Tieres führt.

2. Welche Therapieoption „sanft“ ist, hängt stark vom Patienten, der Erkrankung und dem Anwender ab. Wie beim Menschen auch, gibt es Tiere, die einen kurzen Spritzenschmerz lieber haben, als wochenlangen Stress bei der Eingabe von Tabletten, Kapseln, Globuli oder Tinkturen. Genauso andersherum. Ein scheuer, nicht Menschen-bezogener Hund wird von einer längeren Akupunktur- oder Chiropraktik-Sitzung wenig begeistert sein und der dadurch entstehende Stress seiner Genesung eventuell entgegenwirken oder er verletzt sich vielleicht sogar durch eine Abwehrbewegung.

3. „Natürlich“ bedeutet nicht „ohne Nebenwirkungen“. Denn genauso wie bei synthetisch hergestellten Medikamenten, können auch bei pflanzlichen Präparaten, Homöopathika oder Heilpilzen Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen mit anderen Substanzen auftreten. Auch allergische Reaktionen sind nicht selten. Ebenso müssen auch diese Mittel natürlich von Leber und Nieren umgewandelt oder abgebaut werden und können diese bei bestehenden Vorschädigungen übermäßig belasten. Daher ist bei der Einnahme jedes medizinischen Präparates, egal um welches es sich handelt, eine gute Absprache mit dem Haustierarzt oder behandelnden Tierarzt wichtig! Nur so kann im Notfall schnell und sicher gehandelt werden!

4. Nicht alles Pflanzliche ist gut und nicht alles Synthetische ist schlecht. Wie unter Punkt 3 schon erwähnt, können auch pflanzliche Präparate Nebenwirkungen, Wechselwirkungen oder allergische Reaktionen auslösen. Ebenso müssen auch diese vom Körper abgebaut und ausgeschleust werden. Man darf also nicht fälschlicherweise davon ausgehen, dass diese Präparate keine Wirkung auf Leber, Nieren oder andere Organe haben. Dies gilt insbesondere für ätherische Öle. Diese haben ein hohes allergisches Potential und sind besonders bei Leberpatienten mit Vorsicht einzusetzen, da die Leber essentiell am Leberstoffwechsel beteiligt ist. Außerdem verfügen Hunde über eine sogenannte Acetylierungsschwäche. Das heißt, sie können bestimmte Stoffe schlecht abbauen, da ihnen die nötigen Enzyme hierfür fehlen. Dies ist insbesondere zu beachten, wenn pflanzliche Humanpräparate verwendet werden. 

Betrachtet man nun die Vielzahl der synthetisch hergestellten Tierarzneimittel genauer, wird man folgendes feststellen: sie basieren zumeist auf einem pflanzlichen oder tierischen Vorbild und sind keineswegs künstliche Erfindungen. Die synthetische Herstellung bietet dabei folgende Vorteile: 

a) Es können in kürzerer Zeit mehr Präparate hergestellt werden, als aus den Pflanzen oder Tieren gewonnen werden können. So ist sichergestellt, dass zu jederzeit (fast) überall auf der Welt kranken Tieren mit diesen Medikamenten geholfen werden kann, ohne dass die benötigte Einstiegsmenge nicht vorrätig ist oder der Nachschub ausbleibt. 

b) In Tieren oder Pflanzen sind die heilenden Substanzen oft in Kombination mit anderen Substanzen vorhanden, die für den Patienten nicht gut wären. Durch synthetische Herstellung der heilenden Substanz, also Erhalt einer Reinsubstanz, erhält man meist weniger Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen, als beim Einsatz pflanzlicher oder tierischer Präparate. Auch das Allergierisiko kann damit gesenkt werden. Genauso kann die Anwendung dadurch verbessert werden. Denn eine Tablette mit 100% Reinsubstanz muss man natürlich nicht so häufig geben, wie eine Tablette mit nur 50% des eigentlichen Wirkstoffes und 50% anderen Substanzen. 

c) Durch synthetische Herstellung können die heilenden Substanzen bzw. Moleküle optimiert werden, sodass zum Beispiel ein Stoff, der normalerweise nicht durch die Darmschleimhaut eindringen könnte, nun genau dort aufgenommen werden oder ein Stoff bestimmte Abbauprozesse im Körper umgehen kann, um möglichst schnell und unbeschadet an seinen Einsatzort zu gelangen. 

Synthetische hergestellte Medikamente sind also keine kleinen Roboter, sondern meist lediglich Klone oder optimierte Versionen ihrer natürlichen Vorbilder.

5. Behandlungsversuche sollten immer mit dem Haustierarzt oder behandelnden Tierarzt abgesprochen werden. Wie schon unter Punkt 1, 3 und 4 erwähnt, können sonst schwere Nebenwirkungen die Folge sein. Dies gilt vor allem vor der Anwendung von Humanpräparaten. Denn was für den Menschen gut ist, ist nicht unbedingt auch für den Hund gut (s. Acetylierungsschwäche). Ebenso sind manche gut gemeinten Dinge kontraproduktiv, wie zum Beispiel die Anwendung von Kamille am Auge. 

Zurück zur Frage des „warum?“. Ein weiterer Grund für Tierhalter oder Tierärzte sich verschiedenen GTM-Methoden zuzuwenden ist, dass sie selbst gute Erfahrungen damit gemacht haben, meist bei der Behandlung chronischer Beschwerden. Das bringt uns wieder zu der Aussage „Der Erfolg gibt uns Recht!“. Viele Menschen schwören darauf, mit Homöopathie, Bioresonanz, Bachblütentherapie oder Akupunktur endlich die Lösung für ihre Probleme gefunden zu haben. Hier ein Erfahrungsbericht eines unserer Redakteure:

„Relativ früh, mit ungefähr 10 Jahren, fingen meine Augen saisonal stark an zu tränen und meine Nase lief permanent. Typische Anzeichen von Heuschnupfen. Leider wurde diesen Symptomen lange Zeit keine Beachtung geschenkt, wodurch sich das Krankheitsbild über die Jahre verschlimmerte und mit der Zeit die Allergie auf die Bronchien niederschlug – sprich es bildete sich ein Asthma Bronchiale aus. Dieses wurde in der Folge dann mit verschiedenen Kortisonpräparaten zum Inhalieren jahrelang behandelt, wodurch verschiedene Nebenwirkungen wie Aufschwemmen/Wassereinlagerung und Augentrockenheit bemerkbar machten. Ohne die verordneten Heuschnupfentabletten, täglichen Dosen der Dauermedikation mit Kortison zum Inhalieren und zwischenzeitlichen Sprüheinsätzen von Notfallsprays bei akuten Asthmaanfällen, waren die Sommermonate nicht zu ertragen. Aber auch mit all den chemischen Keulen war das Leben mitunter unerträglich, ich vegetierte auf dem Sofa, war ständig abgeschlagen und müde, konnte mich zu keinen Aktivitäten im Freien aufraffen. Es gab Tage die besser waren, aber auch Tage, die erneut den Einsatz des Notfallpräparats notwendig machten und das Gesamtbild dahingehend verschlimmerte, dass zu der Atemnot sich auch noch Herzrasen durch eine Unverträglichkeit des Notfallsprays gesellte. An diesem Punkt angelangt, hatte ich ein wegweisendes Erlebnis im Rahmen meiner Tätigkeit als Versicherungskaufmann. Bei einem Kundenbesuch in einer Tierarztpraxis stieß ich im Wartezimmer auf eine Informationsbroschüre eines speziellen Diagnose- und Therapieverfahren, das mir bis zu diesem Zeitpunkt völlig unbekannt war. Dabei handelte es sich um die Bioresonanztherapie, die auch von meinem Kunden, der der Inhaber einer großen Tierklinik war, erfolgreich bei Hund, Katze, Pferd etc. einsetzte und tolle tiermedizinische Ergebnisse erzielte. Mit der kurzen Informationseinführen fuhr ich zurück in heimatliche Gefilde und erkundigte mich, wer in unserer Kleinstadt oder näheren Umgebung, diese Leistungen zu diesem Zeitpunkt (ca. Anfang der 2000er Jahre) anbot. Wie der Zufall es so wollte, war einer der wenigen Anbieter ein sehr anerkannter und geschätzter Allgemeinmediziner, zu dem ich bereits einen persönlichen Draht durch eine bestehende Kundenverbindung hatte, aber selber kein Patient bis zu diesem Zeitpunkt bei ihm war. Ich griff sofort zum Hörer, vereinbarte einen Termin und ließ mich umfassend von ihm in Sachen Bioresonanztherapie beraten, nachdem ich ihm mein bisheriges Leiden geschildert und er eine detaillierte Anamnese aufgenommen hatte. Was hatte ich zu verlieren? Nichts. Ich vertraute mich einem allseits anerkannten Schulmediziner alter Schule an und war überzeugt, die Lösung meines Problems gefunden zu haben. Ja, ich glaubte von Anfang an diese moderne Form der Alternativmedizin und sukzessive verbesserte sich mein Krankheitsverlauf von Sitzung zu Sitzung. Durch das intensive Auseinandersetzen mit meiner Person, meinen Lebensumständen und meines Lebensumfeldes kristallisierten sich jede Menge Allergien und Unverträglichkeiten heraus, angefangen von verschiedenen Lebensmitteln, über Hygieneprodukte und Parfums, Spritzmitteln in der direkten Umgebung meines Zuhauses, verwendeter Baumaterialien im Haus, Kreuzallergien, bis hin zu „Altlasten“ im Darmbereich. Nach und nach therapierten wir diese Belastungen, wodurch nicht nur das jahrelange Krankheitsbild sich nach und nach verbesserte, sondern ich Kraft, Lebensenergie und Lebensfreude zurückerlangte, da sich vorhandene Entzündungen und Belastungsherde Stück für Stück verabschiedeten. Um es kurz zu machen: Heute bin ich nahezu geheilt, ab und an frische ich die Therapie Anfang des Jahres für ein paar Sitzungen zum eigenen Wohlbefinden und zur Stabilisierung meines Immunsystems und der eigenen Körperabwehr auf, hin und wieder nehme ich ein paar Galphimia Glauca und Euphrasia Globulies für Nase und Augen zur Unterstützung des Körpers gegen die Pollen bei Augentränen oder Naselaufen. Ansonsten kann ich inzwischen selbst in der Hochphase des Pollenflugs stunden im Freien unterwegs sein und mich körperlich betätigen, ohne dass mir die Luft durch die Belastung der Bronchien fehlen würde.“

Wie passen nun solche Erfolgsgeschichten mit der schlechten Studienlage und fehlenden Anerkennung der ganzheitlichen Tiermedizin zusammen? Zunächst muss man sagen, dass nicht alle Therapiemethoden der GTM zu Pseudowissenschaften o.Ä. gezählt werden. Denn zum Beispiel für Akupunktur, Chiropraktik oder Phytotherapie gibt es mittlerweile zahlreiche Untersuchungen und Studien, die bestätigen, dass und wie diese Therapien wirken. Größere Diskussionen und fehlende Beweisbarkeit finden wir hingegen vor allem bei Homöopathie, Bachblütentherapie oder Bioresonanz. Welche weiteren Therapiemethoden ebenfalls zur GTM gezählt werden und was diese im Detail bieten, können Sie in unserem Lexikon oder auf der Homepage der Gesellschaft für Ganzheitliche Tiermedizin e.V. (GGTM) nachlesen. Dass bei diesen Behandlungsformen, trotz fehlender Beweisbarkeit, Erfolge erzielt werden, wird unter anderem mit dem Placebo- und Nocebo-Effekt erklärt, also mit der Kraft der Psyche. Ein weiterer Erklärungsversuch ist die Annahme, dass sich der Tierhalter durch Medikamentengabe (egal ob Tablette, Globuli oder Tinktur) oder die Anwendung verschiedener Therapieformen vermehrt mit seinem Tier beschäftigt und dadurch die Bindung gestärkt wird, was für die Psyche des Tieres gut ist und die Selbstheilungskräfte ankurbelt. Ein ebenfalls nicht zu unterschätzender Punkt ist die Heilung TROTZ und nicht AUFGRUND einer Therapie. Das bedeutet, dass manche Erkrankungen selbstlimitierend sind, also von selbst irgendwann ausheilen, ohne dass eine gezielte Therapie oder spezielle Wirkstoffe notwendig sind. Junghundpapillomatose ist so ein Beispiel. Würde man damit beginnen einem betroffenen Hund, kurz bevor seine Papillome von selbst abheilen, eine bestimmte Substanz zu füttern und sieht dann „plötzlich“ die Erkrankung verschwinden, könnte man davon ausgehen, dass die Substanz heilende Wirkung hat. In Wahrheit aber ist es einfach nur Zufall bzw. gutes Timing. 

Befürworter dieser Heilmethoden bringen oft zusätzlich das Argument an, dass auch bei vielen anderen Therapieformen lange nicht bekannt war ob und wie sie wirken, bis es schlussendlich doch bewiesen wurde. Das ist durchaus richtig. Allerdings wirft es kein gutes Licht auf Homöopathie und Co., dass in den letzten Jahrhunderten bis Jahrzehnten intensiver Forschung, die viele Erkenntnisse in der Medizin hervorgebracht und Therapieformen als wirksam erwiesen haben, immer noch kein ausschlaggebender Beweis für Homöopathie, Bioresonanz u.Ä. gefunden wurde. Obwohl genauso intensiv daran gearbeitet wird, wie an anderen medizinischen Fragestellungen. 

Letztendlich bleibt es wohl weiterhin eine Glaubensfrage. Denn genauso, wie man weder die Existenz noch die Nicht-Existenz einer Gottheit oder sonstiger übernatürlicher Wesen beweisen kann, wird man wohl noch einige Zeit lang auf Belege zur Wirksamkeit oder Nicht-Wirksamkeit dieser Therapiemethoden warten müssen. 

Was also tun? Ausprobieren oder Abstand halten?

Wenn Sie eine oder mehrere Therapieformen der ganzheitlichen Tiermedizin ausprobieren möchten, besprechen Sie dies bitte zunächst mit Ihrem Haustierarzt. Er kennt Sie und Ihr Tier, zumindest was medizinische Belange angeht, am besten. Er kann Ihnen sagen, welche dieser Therapien sinnvoll wären oder auf was Sie speziell bei Ihrem Tier achten müssen. 

Falls Ihr Tierarzt selbst keine GTM-Medikamente oder Therapien anbietet, kann er Ihnen sicherlich einen dahingehend praktizierenden Kollegen im Umkreis nennen. Ansonsten finden sie Tierärzte mit entsprechenden Weiterbildungen auch über die Suchfunktion auf den Homepages der verschiedenen Tierärztekammern oder unter www.ggtm.de.

Wichtig ist dabei, dass sie sich bei vielen Erkrankungen nicht ausschließlich auf eine dieser Methoden verlassen sollten, sondern sie möglichst in Kombination mit den anerkannten Standardtherapien anwenden, um keine Heilungschance zu verpassen (s. oben). Dies gilt insbesondere für Erkrankungen im Welpen-/Junghundalter, da sie sonst negative Folgen für das restliche Hundeleben mit sich bringen können, und für potentiell tödliche Erkrankungen (Tumoren, bestimmte Infektionskrankheiten, Nierenerkrankungen etc.).

Die ausschlaggebende Essenz für ein gesundes Hundeleben, egal ob es um Prophylaxe, Routineuntersuchungen, Standardtherapien oder GTM-Praktiken geht, ist und bleibt eine gute Kommunikation! Sowohl zwischen Ihnen und Ihrem Tier, als auch zwischen Ihnen und Ihrem Tierarzt. Denn nur, wenn man offen und ehrlich kommuniziert, können Missverständnisse und Fehler vermieden werden. Sie müssen lernen, Schmerz- und Krankheitsanzeichen Ihres Hundes zu erkennen, um keine Erkrankung zu übersehen. Genauso sollten Sie Ihrem Tierarzt gegenüber jede Veränderung ansprechen und bei einer Krankheitsaufarbeitung keine Details auslassen. Was für Sie vielleicht banal erscheint, zum Beispiel ein Kurzurlaub am Gardasee, die neue Pflegekraft Ihrer im selben Haushalt wohnenden Mutter oder die Östrogencreme Ihrer Tante, könnten das fehlende Puzzleteil sein, das über Erfolg und Misserfolg einer Therapie entscheidet. 

Beherzigen Sie alle im Artikel genannten Ratschläge, können Sie die Vorzüge der ganzheitlichen Tiermedizin in vollem Umfang ausschöpfen und Ihrem vierbeinigen Begleiter ein gesundes Hundeleben ermöglichen. Viel Erfolg!

https://www.gesetze-im-internet.de/tierschg/BJNR012770972.html

https://www.bltk.de/fileadmin/user_upload/Kammer/Berufsordnung_fuer_Tieraerzte.pdf

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