Aggression bei Hunden

Was versteht man unter Aggression bei Hunden?

Von:
Zuletzt aktualisiert am: 21.6.2024

Ein weisser spitzartiger Hund ist von der Seite mit gefletschten Zaehnen zu sehen.jpg

Aggression ist ein natürliches Verhalten von Hunden in für sie beängstigenden oder anderweitig bedrohlichen Situationen. Aggressionsverhalten dient dazu, die Distanz zum Gegenüber beizubehalten oder zu vergrößern, um die (vermeintliche) Gefahr auf Abstand zu halten.

Aggression wird in der Regel nur dann gezeigt, wenn andere Bewältigungsstrategien (Flight = Flucht, Fiddle = Beschwichtigung, Freeze = Einfrieren/Untätigkeit) nicht möglich sind oder keine Wirkung zeigen.

Dabei kommt es nicht sofort zu einem Angriff auf das Gegenüber, sondern zunächst zu Drohverhalten. Zeigt auch dieses keine Wirkung, greift der Hund an. Wobei auch dabei zunächst keine Verletzung des Gegenübers stattfinden muss.

Zum Drohverhalten zählt zum Beispiel Anschleichen, Erstarren, Fixieren des Gegenübers, Haare sträuben, Nase runzeln, Zähne zeigen und Knurren.

Aggressionsverhalten kann sich zum Beispiel in Form von Anrempeln, Aufreiten, Beißen oder Beißschütteln zeigen.

Offensive und gehemmte Aggression bei Hunden

Man kann grob unterscheiden:

  • Offensives Aggressionsverhalten (Angriff) vs. Defensives Aggressionsverhalten (Verteidigung)

    • gehemmt offensives Aggressionsverhalten
    • ungehemmt offensives Aggressionsverhalten
  • Gehemmtes Aggressionsverhalten (Kontakt zum Gegner, aber keine Verletzung des Gegners) vs. Ungehemmtes Aggressionsverhalten (Verletzung des Gegners beabsichtigt)

    • gehemmt defensives Aggressionsverhalten
    • ungehemmt defensives Aggressionsverhalten

-> jeweils mit oder ohne vorherigem Drohverhalten.

Dabei ist zu beachten, dass Hunde, die in der Vergangenheit keine Erfolge mit Drohverhalten hatten (z.B. Besitzer ignoriert das Drohen und nähert sich verängstigtem Hund weiter), bei zukünftigen bedrohlichen Situationen meist auf Drohen verzichten und sofort zum Angriff oder zur Verteidigung übergehen („beißt ohne Vorwarnung“).

Im Übrigen gehören die vorgenannten Ausprägungen von Aggression bei Hunden zum Sozialverhalten, das wir in einem umfassenden gesonderten Artikel beschrieben haben. 

Physiologische und pathologische Aggression bei Hunden

Weiterhin kann man physiologisches (=natürliches) von pathologischem (=unnatürlichem) Aggressionsverhalten unterscheiden. Ersteres gehört zum Normalverhalten eines Hundes und ist logisch / erklärbar. Letzteres tritt in übersteigertem Maße oder in unpassenden Situationen oder ohne verständlichen Auslöser auf und ist meist Folge einer körperlichen Grunderkrankung (z.B. Epilepsie, Hirntumor, Tollwut, Cockerwut, idiopathische Aggression) oder diverser Fehler in Aufzucht, Haltung und Erziehung.

Formen von Aggression beim Hund

Anhand des Auslösers kann man außerdem folgende Aggressionsformen unterscheiden:

  • Spielaggression: keine wirkliche Aggression, „Übung“ von Aggressionsverhalten durch Spielverhalten 
  • Schmerzaggression: Aggressionsverhalten aufgrund von Schmerzen
  • Angstaggression: Aggression aufgrund von Angst 
  • Territoriale Aggression: individuell unterschiedlich (was, wo, wie schnell, gegenüber wem), 
    i.d.R. Verteidigung des Grundstücks gegenüber Fremden (Territorialverhalten)
  • Ressourcenverteidigung: Aggressionsverhalten zur Verteidigung von Futter, Beute/Spielzeug o.Ä.
  • Maternale Aggression: Aggressionsverhalten der Hündin gegenüber Artgenossen oder Menschen, dient dem Schutz der Welpen, kann auch bei Scheinträchtigkeit gezeigt werden
  • Umgerichtete Aggression: gegen Unbeteiligte, da „Gegner“ außer Reichweite ist oder Hemmung besteht den Gegner direkt anzugreifen
  • Aggression gegenüber Menschen: aufgrund von Rangunsicherheit oder Angst
  • Aggression gegenüber Hunden: aufgrund von Rangunsicherheit oder Angst

Das umgangssprachliche Wort „Leinenaggression“ ist keine spezielle Aggressionsform an sich, sondern umschreibt nur den Umstand, dass einige Hunde beim Spaziergang aggressives Verhalten gegenüber Menschen, Artgenossen oder sich bewegenden Objekten zeigen. Dies hat primär nichts mit der Leine zu tun, sondern ist Folge unzureichender Sozialisation und Gewöhnung an Umweltreize und meist eine Form der Angstaggression.

Jagdverhalten, obwohl optisch aggressiv erscheinend und auch mit Beißen verbunden, zählt nicht zum Aggressionsverhalten, da es von anderen Hirnarealen ausgeht bzw. neuronal anders verschalten ist als Aggressionsverhalten und zudem eine andere spezifische Verhaltensabfolge innehat und zudem selbstbelohnend ist. 

Auslöser und Gründe für Aggression beim Hund

Ob ein Hund normales oder übersteigertes Aggressionsverhalten zeigt, hängt von verschiedenen Faktoren wie Genetik, Aufzucht-/Welpenphase, Haltung/Wohnumfeld, Kompetenz des Halters und diversen erfolgten positiven und negativen Erfahrungen ab. Wichtig ist hierbei vor allem die Welpenzeit. In den ersten zwei Lebenswochen lernen Welpen bereits viel hinsichtlich Frustration und Umgang mit Stress, wenn sie sich mit ihren Geschwistern um die Zitzen der Mutter streiten müssen. Was sie danach, in der Sozialisationsphase (3.-5. Lebenswoche), nicht als neutral oder positiv kennenlernen, kann später zu Ängsten und in Folge zu Angstaggression führen. Ab der 4. Lebenswoche wird zudem aktiv gelernt, wann und wie man Aggressionsverhalten korrekt anwendet, indem die Welpen mit Artgenossen spielen und toben. Ab der 8. Lebenswoche fällt die kindliche Neugierde langsam weg und neuen oder herausfordernden Situationen wird zunehmend mit den berühmten „4 F“ (Flight = Flucht, Fiddle = Beschwichtigung, Freeze = Einfrieren/Untätigkeit, Fight = Angriff) begegnet, die im Welpenspiel geübt wurden. Des Weiteren lernt ein Welpe bis spätestens 5./6. Lebensmonat die Beißhemmung, also wie stark er wann zubeißen darf. Hunde, die in dieser Lebensphase Defizite zeigen, lernen nicht wie sie mit Artgenossen, Menschen, verschiedenen Tierarten oder Umweltreizen adäquat umgehen müsse. Und sollte es zum Angriff kommen, zeigen sie meist heftiges Beißverhalten. Das heißt, wo andere Hunde nur kneifen würden, beißen sie schon mit starker Beschädigung zu.

Hilfe: Mögliche Ursachen für Aggression beim Hund abklären 

Besteht der Verdacht von übersteigertem bzw. pathologischem Aggressionsverhalten, sollte ein spezialisierter Hundetrainer und, insbesondere zum Ausschluss organischer Ursachen, ein Tierarzt, bestenfalls ein Verhaltenstierarzt zu Rate gezogen werden. Nur so kann die Art der Aggression und mögliche Ursachen bzw. Auslöser erkannt und entsprechend therapiert werden.

Behandlung und Therapie von Aggressionen bei Hunden

Wie die Therapie im Detail aussieht, hängt von individuellen Faktoren wie Art der Aggression, Ursache/Auslöser, Alter, Rasse und Gesundheitszustand des Hundes, Wohnumfeld, Kompetenz des Halters usw. ab. In der Regel handelt es sich um eine Mischung aus Sicherheitsmaßnahmen (z.B. Maulkorbtraining, Leinenzwang), Managementmaßnahmen (z.B. Umstellung der Alltagsroutine, Meidung von Auslösern zu Beginn des Trainings) und individuellem kleinschrittigen Trainingsplan (z.B. Impulskontrolle, geistige und körperliche Auslastung, verschiedene Übungen passend zur vorliegenden Aggressionsform) inklusive Schulung des Halters bezüglich hündischer Kommunikation und Umgang mit brenzligen Situationen.

Hat dir der Inhalt gefallen? Dann teile ihn doch auch mit anderen:

VGWort Zählpixel