Glanzmann Thrombasthenie (GT) beim Hund
Eine erblich bedingte Blutgerinnungsstörung bei Hunden
Von:
Vanessa Lässig
Zuletzt aktualisiert am: 12.2.2025

Das Wichtigste in Kürze zur Glanzmann-Thrombasthenie (GT) beim Hund |
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Die Glanzmann-Thrombasthenie (GT) ist eine seltene, genetisch bedingte Blutgerinnungsstörung, benannt nach einem Schweizer Kinderarzt, der die Erkrankung erstmals beschrieb und den Begriff „Thrombasthenie“ („Thrombozytenschwäche“) prägte. Sie kommt nicht nur bei Menschen und Pferden, sondern auch bei Hunden vor. Dabei zeigt sie sich in zwei Formen: Typ I, die schwerere Variante, und Typ II, die milder ausgeprägte Form. Beide Typen sind durch eine eingeschränkte Funktion der Blutplättchen (Thrombozyten) gekennzeichnet, was zu verstärkten Blutungen und einer verlängerten Blutungszeit führt. Besonders betroffen sind Pyrenäen-Berghunde und Otterhunde, bei denen die Krankheit durch eine Mutation im ITGA2B-Gen verursacht wird. Eine frühzeitige Diagnose und ein gezieltes Management können das Leben betroffener Hunde deutlich verbessern
Lateinischer Name | - |
Englischer Name | Glanzmann thrombasthenia |
Synonyme |
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Meldepflicht | - |
Anzeigepflicht | - |
Zoonose | Nein |
Was ist die Glanzmann-Thrombasthenie (GT) beim Hund?
Erklärung
Die Glanzmann-Thrombasthenie ist eine angeborene Erkrankung, die durch eine Funktionsstörung des Glykoproteins IIb/IIIa auf der Oberfläche der Blutplättchen verursacht wird. Dieses Protein ist essentiell für die Bindung von Thrombozyten an Fibrinogen, was für die Blutgerinnung erforderlich ist. Ohne diese Funktion können sich keine stabilen Blutgerinnsel bilden, was die Blutungsneigung erhöht. Die Glanzmann-Thrombasthenie gehört damit zu den Thrombozytopathien (Erkrankungen der Blutplättchen), die zu einer Blutgerinnungsstörung führt, obwohl ausreichend Thrombozyten vorhanden sind. Diese können lediglich ihre Funktionen nicht ausreichend ausführen. Die Glanzmann-Thrombasthenie ist damit u.a. „verwandt“ mit der bekannten von-Willebrand-Erkrankung (Gerinnungsstörung durch Mangel an „Von-Willebrand-Faktor“), die ebenfalls zu den Thrombozytopathien zählt.
Thrombozytopathien (pathos = Krankheit) sind Funktionsstörungen der Blutplättchen (Thrombozyten). Sie sind abzugrenzen von anderen Thrombozytenerkrankungen wie Thrombozytosen (Erkrankungen mit erhöhter Thrombozytenzahl) und Thrombozytopenien (Erkrankungen mit erniedrigter Thrombozytenzahl), da bei Ihnen die Anzahl der Blutplättchen im Blut im Normalbereich liegt und darüber hinaus äußerlich keine Auffälligkeiten bestehen. Die Blutplättchen bei Thrombozytopathien unterscheiden sich also nicht in ihrer Menge oder ihrem Aussehen von Blutplättchen gesunder Individuen, sondern lediglich hinsichtlich ihrer Funktionsleistung. Daher hat der Entdecker der Glanzmann-Thrombozytopathie, der Schweizer Kinderarzt Eduard Glanzmann, ihr den Namen „Thrombasthenie“ verliehen, was so viel wie „Thrombozytenschwäche“ bedeutet. Er wusste damals zwar noch nicht, was genau die Ursache der Funktionsschwäche war, aber hatte schon korrekt erkannt, dass es weder an der Menge noch am Aussehen der Plättchen lag, sondern eine funktionelle Störung vorliegen musste, die bei betroffenen Neugeborenen eine erhöhte Blutungsneigung hervorrief.
Glanzmann-Thrombasthenien wurden bislang bei Menschen, Pferden und Hunden nachgewiesen. Bei Hunden sind v.a. Otterhunde und Pyrenäenberghunde betroffen.
Ursachen und Risiken der Glanzmann-Thrombasthenie (GT) beim Hund
Risikofaktoren
Durch genetische Mutationen kommt es zu Defekten bestimmter Membranproteine (Integrine) in der Zellmembran der Blutplättchen (Thrombozyten). Diese Proteine ermöglichen die Bindung von Fibrin bzw. Fibrinogen an die Plättchen und sind damit essentiell für die Bildung von Blutgerinnseln (Blutgerinnsel = Thrombus = „Verklumpungen“ von Blutplättchen und Fibrin).
Die besagten Membranproteine (auch Integrin αIIbβ3 genannt) bestehen aus den Glykoproteinen GPIIb und GPIIIa, welche zusammen den sogenannten GPIIb/GPIIIa-Glykoprotein-Komplex bilden. Dieser fungiert als Rezeptor, also Bindungsstelle, für Fibrin bzw. Fibrinogen.
Kommt es zu Mutationen der Gene, die für die Bildung von GPIIb und/oder GPIIIa codieren, führt dies zu molekularen Veränderungen im Glykoprotein-Komplex (qualitativer Defekt) oder aber der Komplex wird nur in geringem Maße oder gar nicht ausgebildet (quantitativer defekt).
Da verschiedenste Arten von Mutationen auftreten können, existiert nicht eine immer gleiche Art der Glanzmann-Thrombasthenie, sondern bei jedem Individuum kann eine andere Form auftreten (qualitativ oder quantitativ), wobei diese eine Form aber weitervererbt werden kann.
Man kann Glanzmann-Thrombasthenien zum Beispiel einteilen in:
- Typ 1 = fast keine Glykoproteine vorhanden (schwerer quantitativer Defekt)
- Typ 2 = deutliche Reduktion der Glykoproteine (quantitativer Defekt)
- Normaltyp = Anzahl der Glykoproteine im Normalbereich, aber funktionsgestört (qualitativer Defekt)
Bei Hunden wurden bislang nur Varianten mit Defekten des sogenannten ITGA2B-Gens festgestellt, welche eine Typ-1-Glanzmann-Thrombasthenie auslösen. Entsprechend besteht für Hunde betroffener Rassen (Otterhund, Pyrenäenberghund) die Möglichkeit einer genetischen Untersuchung auf diesen Gendefekt.
Der Defekt wird rezessiv vererbt, das heißt, es müssen beide Elterntiere Träger des defekten Gens sein, damit ein Welpe erkrankt. Genträger können aber symptomlos sein und das Gen unbekannt weitervererben. Aus diesem Grund ist es äußerst wichtig, gewissenhaft zu züchten und potentielle Elterntiere vor einer Verpaarung auf mögliche genetische Erkrankungen zu untersuchen. Nicht nur im Hinblick auf Gerinnungsstörungen, wie die Glanzmann-Thrombasthenie, sondern bezogen auf jegliche bekannten genetischen Erkrankungen der jeweiligen Rasse (z.B. Cerebelläre Ataxie, Cystinurie, Hämophilie A und Hämophilie B, Lafora-Epilepsie, Retina-Atrophie usw.).
Die zwei (drei) Typen der Glanzmann-Thrombasthenie im Überblick
Die Glanzmann-Thrombasthenie wird in zwei Haupttypen unterteilt, die sich durch den Schweregrad und die Konzentration des Glykoproteins IIb/IIIa unterscheiden (quantitativer Defekt):
- Typ I:
- Dies ist die schwerere Form der Krankheit, bei der weniger als 5 % der normalen Menge des Glykoproteins vorhanden sind.
- Typ I zeigt sich durch starke und langanhaltende Blutungen, z. B. an Zahnfleisch und Nase, sowie verlängerte Blutungszeiten nach Verletzungen.
- Betroffene Hunde haben ein deutlich erhöhtes Risiko für lebensbedrohliche Blutungen.
- Typ II:
- Hier ist die Konzentration des Glykoproteins moderat reduziert (5–20 % der normalen Werte).
- Die Blutungsneigung ist weniger ausgeprägt als bei Typ I, tritt jedoch dennoch bei Verletzungen oder Operationen auf.
Eine dritte Variante, der sogenannte „Normaltyp“, ist durch rein molekulare Veränderungen gekennzeichnet, ohne Änderung der Konzentration der Glykoproteine. Das heißt, es liegt ein qualitativer Defekt in Form einer Funktionsstörung vor, während die Anzahl der Glykoproteine im Normbereich liegt.
Symptome: Woran erkennt man die Glanzmann Thrombasthenie beim Hund?
Symptome & Krankheitsanzeichen
Typische Symptome der Glanzmann-Thrombasthenie (GT) beim Hund
Im Gegensatz zu erworbenen Gerinnungsstörungen (z.B. Infektionen, Lebererkrankungen, Aufnahme von Rattengift oder Aspirin), zeichnen sich angeborene Gerinnungsstörungen, wie die Glanzmann-Thrombasthenie, durch frühzeitige Symptome aus. Das heißt, betroffene Hunde zeigen bereits im Welpenalter eine erhöhte Blutungsneigung. Typisch sind zum Beispiel starke Blutungen während des Zahnwechsels oder häufiges Nasenbluten im Alter von 3-7 Monaten.
Symptome einer Glanzmann-Thrombasthenie bei Hunden können sein:
- Schleimhautblutungen: Langanhaltendes Zahnfleisch- oder Nasenbluten, oft nach dem Ausfall der Milchzähne.
- Petechien: Kleine, punktförmige Blutungen auf Haut und Schleimhäuten.
- Verlängerte Blutungszeiten: Besonders nach Verletzungen oder chirurgischen Eingriffen.
- Schwäche oder Müdigkeit: Aufgrund von Blutverlust.
- Blut im Stuhl oder Urin: Als Zeichen „innerer“ Blutungen.
Glanzmann-Thrombasthenie beim Hund: Diagnose, Therapie & Prognose
Behandlung
Diagnose der Glanzmann-Thrombasthenie bei Hunden
Fallen Welpen und Junghunde durch erhöhte Blutungsneigung auf, sollte an eine angeborene Gerinnungsstörung, wie die Glanzmann-Thrombasthenie, gedacht werden.
Weiterführende Untersuchungen können den Verdacht bestätigen:
- Bluttests: Überprüfung der Thrombozytenzahl, Blutungszeit und Gerinnungsparameter.
- Spezielle Tests: Messung der Thrombozytenaggregation und des Glykoproteins IIb/IIIa.
- Gentests: Identifizierung der Mutation im ITGA2B-Gen, die die Krankheit beim Hund verursacht.
Die Diagnose basiert also auf einer Kombination aus klinischen Symptomen und Labortests.
Behandlung und Management der Glanzmann Thrombasthenie beim Hund
Da die Glanzmann-Thrombasthenie eine genetisch bedingte angeborene Erkrankung ist, gibt es keine Heilung. Aber die Symptome können durch gezielte Maßnahmen reduziert werden:
- Blutstillung: Bei Verletzungen oder Operationen müssen Blutungen sofort gestoppt werden, um größere Blutverluste zu vermeiden. Ein Notfall-Kit zur Blutstillung (Hundeapotheke) sollten Halter zu Hause parat haben und behandelnde Tierärzte vor jedem Eingriff über die Gerinnungsstörung informiert werden.
- Medikamente: Der Einsatz von blutstillenden Medikamenten, um die Gerinnung zu fördern, kann bei Verletzungen zu Hause oder bei geplanten Eingriffen in der Tierarztpraxis erfolgen. Substanzen/Medikamente, die eine Gerinnungsstörungen auslösen/verstärken können, sollten vom Hund ferngehalten werden (Mäuse-/Rattengift, Aspirin, NSAID, Acepromazin etc.).
- Bluttransfusionen: In schweren Fällen können Bluttransfusionen notwendig sein, um akute Blutverluste auszugleichen. Betroffene Hunde sollten daher bestenfalls einen Spenderhund als Back-Up haben oder zumindest sollte deren Blutgruppe schon vorab bekannt sein und dem Operationsteam mitgeteilt werden.
- Vermeidung von Verletzungen: Schutzmaßnahmen im Alltag, um das Risiko von Blutungen zu minimieren, sind anzuraten. Es sollte auf risikoreiche Hundesportarten (z.B. Agility, CaniCross) verzichtet und beim Toben mit anderen Hunden oder Spielen mit dem Halter Obacht gegeben werden (keine Stöckchen oder andere spitze/harte Spielgegenstände, freier Platz).
Prognose bei Erkrankung der Glanzmann Thrombasthenie (GT) beim Hund
Die Prognose hängt von der Schwere der Erkrankung und der Kompetenz des Halters ab. Wird die Erkrankung frühzeitig erkannt und konsequent auf Vorsorgemaßnahmen (Vermeidung von Verletzungen, Reduzierung operativer Eingriffe, Notfallmedikamente etc.) geachtet, können betroffene Hunde ein relativ normales Leben führen. Die Erkrankung bleibt allerdings ein lebenslanger Begleiter und kann jederzeit zu kleineren und größeren Problemen führen. Die Prognose ist daher vorsichtig als günstig zu formulieren.
Vorbeugung: Wie kann man der Glanzmann-Thrombasthenie (GT) beim Hund vorbeugen?
Vorbeugung
Präventive Maßnahmen und genetische Tests in Bezug auf die Glanzmann Thrombasthenie (GT) beim Hund
Da die Krankheit autosomal-rezessiv vererbt wird, ist ein genetisches Screening der beste Weg, um Welpen vor der Erkrankung der Glanzmann Thrombasthenie (GT) zu schützen. Züchter sollten potenzielle Träger des mutierten Gens identifizieren und von der Zucht ausschließen, um die Verbreitung der Erbkrankheit zu verhindern.
Wurde bei einem Hund Glanzmann-Thrombasthenie diagnostiziert sind Vorsorgenmaßnahmen (Vermeidung von Verletzungen, Reduzierung operativer Eingriffe, Notfallmedikamente etc.) essentiell, um die Lebensqualität des Hundes hoch zu halten und schwerwiegende, potentiell lebensgefährliche Blutungen zu vermeiden.
Quellen:
- Praktikum der Hundeklinik, Kohn/Schwarz, 12. Auflage, S. 296f
- Wikipedia
- EVG Mulekularna diagnostika
- orphanet
- Springer nature
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