Beißvorfälle von Hunden im eigenen Haushalt

Ursachen, Prävention und Maßnahmen bei Beißvorfällen im eigenen Zuhause

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Zuletzt aktualisiert am: 22.8.2024

Ein kleiner schwarz-brauner Hund reißt das Maul und die Augen weit auf und wehrt eine Menschenhand mit seiner Pfote ab.jpg

Das Wichtigste in Kürze

  • Häufigkeit von Beißvorfällen im eigenen Haushalt: Die meisten Beißvorfälle mit Hunden passieren im eigenen Haushalt. Häufige Auslöser sind organische Beschwerden, neurologische Krankheiten oder mangelnde Distanz zwischen Hund und Mensch.
  • Ursachen für Beißverhalten: Häufiges menschliches Fehlverhalten führt zu Beißvorfällen. Hunde fühlen sich bedroht, wenn ihre Kommunikationssignale ignoriert werden.
  • Kommunikation und Missverständnisse: Hunde kommunizieren subtil und feinsinnig. Ein direkter Augenkontakt oder Umarmen kann als Bedrohung wahrgenommen werden. Missverständnisse sind oft vorprogrammiert.
  • Wichtige Signale des Hundes erkennen: Wichtige Warnsignale, dass ein Hund sich unwohl fühlt, sind Zähneblecken, Knurren, Einfrieren des Körpers und Abwenden des Kopfes. Diese sollten ernst genommen werden, um Beißvorfälle zu vermeiden.
  • Kinder und Hundebisse: Kinder sind häufiger von Hundebissen betroffen, oft durch unangemessenes Verhalten wie Umarmen oder Ziehen am Schwanz. Hunde sollten nie unbeaufsichtigt mit Kindern gelassen werden.
  • Nach einem Beißvorfall handeln: Nach einem Beißvorfall sollte der Vorfall analysiert und entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden. Tierärzte, Hundetrainer und Verhaltenstherapeuten können helfen, die Ursachen zu ermitteln und Lösungen zu finden.
  • Prävention durch richtiges Verhalten: Ein respektvoller Umgang und das Verständnis der Bedürfnisse und Kommunikationssignale des Hundes sind essenziell. Regelmäßige Schulungen und das Wissen über hundespezifisches Verhalten können viele Beißvorfälle verhindern.

Durch das enge Zusammenleben von Menschen und Hunden kommt es aus verschiedenen Gründen im gemeinsamen Alltag hier und da zu unerwünschten Beißvorfällen. Ein Großteil der Beißvorfälle ereignen sich im eigenen Haushalt mit dem eigenen Hund. Vielfältige Umstände führen dazu, dass der Hund seine Bezugspersonen beißt, ob Herrchen, Frauchen oder die Kinder. So können u.a. organische Beschwerden, neurologische Krankheiten oder mangelnde Distanz Motivationsauslöser für das Beißverhalten des Hundes gegenüber seinen häuslichen Sozialpartnern sein.

Kommt es tatsächlich dazu, dass der Hund ein „Rudelmitglied“ der Sozialgemeinschaft Zuhause gebissen hat, muss man genau hinschauen und den Beißvorfall gründlich analysieren und entsprechende Maßnahmen einleiten. Um den Beißvorfall mit dem Hund aus allen Blickwinkeln zu untersuchen, sollte eine umfassende Anamnese des Beißereignis mit Hilfe vom Tierarzt, Hundetrainer und Verhaltenstherapeut vorgenommen werden.

Häufig liegen die Ursachen für Beißvorfälle mit Hunden in menschlichen Fehlverhalten, da er sich bedrängt und bedroht gefühlt hat. Hunde sind sehr feinsinnige Wesen, die es seit ihrer Domestikation bestens verstanden haben, ihre Menschen zu beobachten und deren Kommunikationsformen zu studieren, anzunehmen und zu verstehen. Damit sind sie bestens gerüstet, um mit ihren menschlichen Pendants zu kommunizieren und interagieren. Auf der anderen Seite müssen auch wir Menschen unseren Hunden ausreichend Aufmerksamkeit im Hundealltag schenken und das nötige Wissen aufbauen, die Bedürfnisse, Kommunikation und das damit verbundene Ausdrucksverhalten mit Körpersprache, Mimik, Gestik und Lautäußerungsverhalten mit Bellen, Knurren und Fiepen wahrzunehmen und situativ richtig einschätzen zu können. Denn der Hund sendet uns zur Verständigung stets eindeutige Signale. Leider gibt es aber diesbezüglich noch große Defizite, die dann u.a. auch zu Beißvorfällen im Haushalt mit dem geliebten Vierbeiner führen können. Besonders legen wir unerfahrenen Hundeanfängern als Hundehalter ans Herz, sich die erforderlichen Kompetenzen für den richtigen Umgang mit Hunden durch die Unterstützung von Hundeprofis zuzulegen.

In dem nachfolgenden Artikel gibt uns unsere Expertin Veronika Linde, aktive Hundetrainerin und Verhaltenstherapeutin, einen tieferen Einblick mit möglichen Ursachen für Beißvorfälle mit Hunden, wichtigen Tipps und To-dos für alle Hundebesitzer.

Ein brauner Mischlingshund beißt in den Finger einer Menschenhand.

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Warum bei richtiger Kommunikation viele Missverständnisse und folglich Beißvorfälle mit dem eigenen Hund im Haushalt vermeidbar wären!

Zwei unterschiedliche Spezies mit unterschiedlichen Bedürfnissen und "andersartiger" Kommunikation.

Hunde als Lebensbegleiter des Menschen

Hunde bereichern unser Leben ungemein. Sie sind unser Arbeitskollege, Alltagsbegleiter, bester Freund, Schmusekumpane oder psychische und physische Stütze. Diese besondere Art des Zusammenlebens von Hund und Mensch besteht immerhin schon vielen zehntausenden Jahren und hat sich entsprechend auch verändert.

Der Mensch stammt vom Primaten ab

Leider vergessen wir Menschen aber dabei viel zu häufig, dass wir vom Primaten abstammen und der Stammvater des Hundes nun mal der Wolf ist – damit sich im Alltag zwei völlig verschiedene Spezies mit unterschiedlichen Bedürfnissen, Interessen, Neigungen, Kommunikationsweisen und kommunikativem Verhalten etc. gegenüberstehen. Die grundlegende Kommunikation zwischen diesen Tierarten ist also sehr unterschiedlich, ebenso das Bedürfnis von körperlicher Nähe und dem Verwenden der „Arme“. Wir sind auf Kommunikation durch Sprache und Laute geprägt, hinzu liebt es der Primat in uns etwas anzufassen, zu streicheln und in den Arm zu nehmen. Der tiefe Blick in die Augen signalisiert für uns Verbundenheit. Für den Wolf in unseren Hunden hingegen bedeutet diese Art der physischen Kommunikation etwas anderes als für uns. Ein direkter Augenkontakt ist unhöflich, kann sogar schnell zu einer Drohung werden, das Umarmen schränkt die Bewegungsfähigkeit ein und wird von unseren Hunden auch nicht unbedingt als angenehm empfunden.

Missverständnisse häufig vorprogrammiert

Wo können also Unterschiede und Gefahrenpotenziale in der Kommunikation zwischen uns Menschen und Hunden liegen? Wenn wir beispielsweise unseren Hunden zu nahekommen, sie knuddeln und ihnen auch noch von oben gebückt ein Küsschen auf den Kopf geben, dann bedeutet das in der natürlichen Kommunikation für den Hund, dass wir ihm drohen.

Die meisten Hunde haben gelernt, dass diese Drohungen von vertrauten Menschen „normal“ sind und lassen viele Grenzüberschreitungen von uns zu. Aber Hunde, die sehr ursprünglich sind, misshandelt wurden, über wenig Erfahrung mit Menschen verfügen oder einfach mal ihre Ruhe haben wollen, können sich damit schwertun. 

Hunde kommunizieren deutlich feiner, unhörbarer und subtiler als der Mensch. Ein Blick, eine Körperhaltung, eine Ohrbewegung - oftmals so schnell und ohne Vorkenntnisse kaum zu erkennen,  kommt es aus der Sicht des Menschen zu unvorhergesehenem Verhalten. Dabei „verstehen“ viele Menschen einfach schlecht, was unser Hund uns „sagen“ will. Leider gibt es wegen solcher Misskommunikation immer wieder schlimme Beißvorfälle im häuslichen Bereich. Nicht zu selten hängt der Hund „aus dem Nichts“ im Gesicht seines Menschen. Zurück bleiben tiefe äußerliche und innere Narben, manche für immer sichtbar, andere unsichtbar. Darunter leiden beide Seiten, der betroffene Mensch und der Hund. Der Hund beisst nicht aus Böswilligkeit, es ist eine Verteidigung, wenn die vorangegangenen Anzeichen und „Warnhinweise“ durch das gezeigte Ausdrucksverhalten des Hundes vom menschlichen Gegenüber ignoriert wurden.

Ein Schäferhund beißt in den Arm eines Menschen mit einem rot-schwarz-karierten Flanellhemd.

Was passiert danach?

Die Folgen von Beißunfällen sind für die zubeißenden Hunde oft drastisch. Viele Hunde müssen nach solchen Vorfällen ihr Zuhause verlassen, kommen ins Tierheim und sind quasi nicht mehr vermittelbar oder werden sogar eingeschläfert. Natürlich kann ein solcher Vorfall nicht als Lappalie abgetan oder ignoriert werden. Aber es sollten sich alle beteiligten Menschen ehrlich die Frage stellen, wie das passiert ist und ob es wirklich keine Vorwarnung gab.

Zum Beispiel sollten folgende Fragen geklärt werden: War mein Hund in seinem eigenen Bett und ich habe mich ungeschickt und zu nah „dazugelegt“? Hat mein Hund mich mit einem ernsten Blick angeguckt? Oder sogar geknurrt? Vielleicht sogar Zähne gezeigt? Oder hat mein Hund geschlafen? Habe ich mich ohne Grund über ihn gebeugt? Hat er sich vielleicht erschrocken? Wollte ich ihn unbedingt knuddeln, weil er so, so süß in seinem Hundekörbchen lag?

Wenn auch nur eine dieser Fragen mit einem „Ja“ beantwortet werden muss, hat der Mensch mutmaßlich einen Beitrag dazu geleistet, dass sein Hund ihn attackiert hat.

Es ist für Halter und Halterinnen nicht leicht sich einzugestehen, dass sie die Warnungen und Kommunikation ihres Hundes ignoriert haben und somit die natürlichen Grenzen des Hundes überschritten wurden.

Der Mythos um das „Alphatier“

Noch schwerer wird es, wenn der Mensch der Meinung ist, dass sich der eigene Hund alles gefallen lassen muss. Denn der Mensch wähnt sich in der falschen Sicherheit im veralteten Begriff des „Alphatieres“ und meint, „der Hund muss nach meinen Regeln leben und wenn ICH ihn aus dem Schlaf reiße, dann muss er es gefälligst auch akzeptieren“.

Diese Meinung ist gleich mehrfach falsch. Dank neuerer Forschung wissen wir mittlerweile, dass es im Hunderudel keine Alphatiere gibt, sondern Leittiere. Diese Rolle wird nicht durch Druck, Zwang und Aggressivität durchgesetzt. Sondern sie zeichnet sich durch Souveränität, Ruhe und einem ausgeprägten Teamgeist aus. Das Leittier lotet mögliche Gefahren aus und stellt die Gesundheit aller Mitglieder sicher. Das Leittier beginnt keine Auseinandersetzungen um einen Schlafplatz, denn es weiß, dass nur ein Rudel, dessen Grundbedürfnisse gestillt sind, auch ein gutes Rudel ist. 

Grundbedürfnisse: Wasser, Futter, Territorium und Schlaf

Welche Rolle nimmt dann dieser Mensch ein, der meint, die Grundbedürfnisse seines Hundes bestimmen zu wollen? Und wenn es dann Protest seitens des Hundes gibt, dieser negativ gewertet wird, „weil der Hund angeblich seine Rangposition streitig macht“?

Dabei möchten unsere Hunde uns vertrauen, denn sie leben in unserer Welt, der Menschenwelt. Aber dieses Vertrauen müssen wir uns erarbeiten und das funktioniert nur, indem wir sie auch als Individuen anerkennen und Mitglieder eines Rudels, dessen Grundbedürfnisse und die Erfüllung an erster Stelle stehen.

Das Thema Statusaggressionen ist hier ausgeklammert und sollte von einer professionellen Fachkraft begleitet werden.

Das Recht zu schlafen, wenn man müde ist; zu (fr-)essen, wenn man hungrig ist und zu trinken, wenn man durstig ist, steht nunmal bei allen Lebewesen an erster Stelle und somit vor der Moral.

Ein alter weiß-brauner Hund liegt geduckt und verschreckt auf einem weißen Untergrund und schaut hoch zu einer über ihm befindlichen Menschenhand.

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Beißvorfälle im Haushalt: Welche Anzeichen des Hundes signalisieren eine Grenzüberschreitung?

In der Regel zeigt der Hund eindeutige Warnzeichen anhand seines Ausdrucksverhaltens, bevor er seine Menschen beißt.

Signale mit denen Hunde zeigen, dass Grenzen überschritten werden

  • Drohen mit Zähneblecken oder Nasenrücken kräuseln
  • Knurren und zurückgestellte oder nach vorne gerichtete Ohren
  • „Einfrieren“: der ganze Körper wird kurz ganz starr (oft bei Umarmungen)
  • Zuckt etwas zurück oder duckt sich, wenn die Hand/Gesicht nah an den Kopf kommt
  • Abwenden des Kopfes in die entgegengesetzte Richtung
  • Geduckte Körperhaltung und verkriechen in unerreichbare Ecken
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Ursachen für Beißvorfälle bei Hunden im Haushalt auf einen Blick

Bedrohung, Fehlverhalten, Ressourcenverteidigung etc. führen dazu, dass der eigene Hund Herrchen, Frauchen oder die Kinder beißt.

Diese Gründe können zu Beißvorfällen mit dem eigenen Hund und seinen Bezugsmenschen im Haushalt führen

  • Der Hund fühlt sich durch das Verhalten des erwachsenen Menschen oder Kindes bedroht
  • Krankheiten wie Cocker Wut, idiopathische Aggression, Schilddrüsenunterfunktion können zu Beißvorfällen führen
  • Missverständnisse in Sachen Kommunikation zwischen Hund und Hundebesitzer
  • Ignorieren von Konflikten zwischen Hund und Mensch
  • Gestörtes und belastetes Vertrauensverhältnis
  • Fehlverhalten des Hundehalters und/oder Kinder bei der Interaktion mit dem Hund
  • Unsicherheit, Angst, Stress führen zu Selbstschutz und Beißen durch den Hund
  • Eingeprägte schlechte Erfahrungen führen zu Beißvorfällen (z.B. Vorgeschichte bei Tierschutzhunden)
  • Ressourcenverteidigung (Futter oder Schlafplatz wird verteidigt)
  • Mutterinstinkte: Verteidigung der Welpen
  • Besucher übertreten individuellen Grenzen des Hundes
  • Territorialverhalten: Der Hund will sein Revier, Hab und Gut oder gar „Rudelmitglieder“ verteidigen
  • Mangelnde Sozialisierung (z.B. Hund kennt das Zusammenleben und Interagieren mit Kindern nicht)
  • Verhaltensveränderung durch Kastration (Frühkastration)
  • Mangelnde Stress- und Frustrationstoleranz
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Warum werden Kinder häufiger von Hunden im Haushalt gebissen als Erwachsene?

Unangemessenes Verhalten und Kommunikationsmissverständnisse zwischen Kindern und Hunden sorgen erwiesenermaßen zu zahlreichen Beißunfällen im Haushalt.

Hund beißt Kind - warum?

Viele Beißvorfälle passieren mit dem eigenen Hund im Haushalt mit den Kindern der Familie. Zahlreiche Hundebisse entstehen dabei beim Zusammenwirken an den Händen und Armen, sowie am Kopf des Kindes. Denn die meisten Beißunfälle mit dem vierbeinigen Familienmitglied sind die Folge unangemessenen kindischen Verhaltens dem Hund gegenüber. Der Hund wird bei den gutgemeinten Schmuseattacken vom Kind umarmt, geliebkost und geküsst, als sei er ein Kuscheltier. Oder aber der Hund wird zu hart angefasst, am Schwanz gezogen oder sogar geschlagen. In allen Fällen kann die Nähe und das Fehlverhalten des Kindes dazu führen, dass sich der Hund belästigt oder gar bedroht fühlt und er sich durch das Zubeißen zur Wehr setzen will. Bestenfalls sucht der Hund je nach individueller Reizschwelle nur das Weite, schlimmstenfalls schnappt der Hund nach dem Kind und es kommt zu einem unerwünschten Beißvorfall.

Gerade im Hinblick auf ein harmonisches Zusammenleben von Hunden und Kindern in einem Haushalt, müssen einige wesentliche Punkte beachtet werden. Denn damit das tägliche Miteinander funktioniert, müssen die individuellen Bedürfnisse aller berücksichtigt und in Einklang gebracht werden, wofür letztlich der verantwortliche Hundebesitzer als „Moderator“ und „Kapitän“ des Teams zuständig ist. Die Basis bilden klar aufgestellte Regeln und Grenzen für ein respektvolles Miteinander. Dabei darf der Hund nicht vermenschlicht oder gar als Spielzeug angesehen werden. Ebenso müssen individuelle Faktoren beachtet werden. Bei der Anschaffung eines Welpen gehört eine umfassende Sozialisierung zum Pflichtprogramm, damit der heranwachsende Hund das Verhalten der Kinder studieren und erlernen kann, um bestmöglich auf das Zusammenleben mit den Jüngsten im Haushalt vorbereitet zu sein. Zieht ein Baby ins Haus ein, so wird der Hund mit einer unbekannten Situation konfrontiert, auf die ebenso es einzugehen gilt. Bei Tierschutzhunden mit Vorgeschichte stehen wiederum andere Themen im Fokus, da bisherige Erlebnisse und Erfahrungen im Hundeleben die Persönlichkeit und das Verhalten des Hundes beeinflusst und geformt haben. Positiv wie negativ, wodurch es situativ zu unberechenbaren Handlungen und Verhaltensweisen den eigenen Familienangehörigen kommen kann. Ferner können jederzeit weitere Faktoren wie Krankheiten, Schmerzen oder sonstige Umwelteinflüsse das bisher „bekannte“ Verhalten des Hundes verändern. 

Vorsichtsmaßnahmen
Die Kinder sollten möglichst nie unbeaufsichtigt mit dem Hund bleiben und interagieren, um im Ernstfall aktiv einwirken zu können. Hier lautet die Devise: Aufpassen, aufpassen und nochmals aufpassen. Zudem braucht es die richtige Bildung und definierte Umgangsregeln für das artgerechte Handling der Kinder mit dem Hund.

 

Ein Kind hält ein Welpe im Arm und die Hünding steht vor ihm und schaut zu.

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Welche Auswirkungen haben Beißvorfälle auf die Bindung und Beziehung Hund und Mensch?

Kommt es zu einem Beißvorfall mit dem eigenen Hund, kann dies mehr oder minder starke Spuren bei Hund und Mensch hinterlassen.

Folgen und Konsequenzen von Beißvorfällen mit dem eigenen Hund auf die Bindung und Hund-Mensch-Beziehung

Wie es die Statistiken zeigen, kommt es immer wieder zu Beißvorfällen mit dem eigenen Hund direkt Zuhause im Wohnraum oder unterwegs beim Interagieren während der gemeinsamen Aktivitäten. Natürlich ruft den verantwortlichen Hundebesitzern, Eltern und Kindern schon beim Gedanken, dass der Hund nach einem Familienmitglied schnappt, ein beklemmendes Gefühl hervor. Mögliche äußerliche und seelische Verletzungen haben auch mehr oder minder starken Einfluss auf die Bindung und Beziehung Hund und Mensch.

Was, wenn der eigene Hund tatsächlich nach einem Familienmitglied schnappt oder zubeißt?

Nachdem der Hund einmal zugebissen hat, sind die direkten Folgen nicht sofort abschätzbar. Die Reaktion war aus Sicht des Hundes notwendig, um eine gewünschte Distanz zwischen sich und dem Menschen zu bringen oder um den Menschen in seinem Handeln zu stoppen. Für ein Leben im sozialen Verband steht jedoch für Hunde ein harmonisches Miteinander an erster Stelle. So nimmt sich jedes Mitglied auch mal zurück und provoziert in der Regel keine Auseinandersetzungen, da sonst ein Ausschluss aus dem Verband drohen könnte. Für Tiere, die im Rudel oder sozialen Verbänden führen ist das rein instinktiv ein Todesurteil.

Jedoch wird von den Mitgliedern eines Verbandes auch erwartet, dass die individuellen Grenzen geachtet werden und zwar auf beiden Seiten. Das ermöglicht ebenfalls Harmonie und stärkt das Bindungsgefühl zueinander. Da hündisches Aggressionsverhalten zum normalen Kommunikationsrepertoire gehört und Grenzen signalisiert, ist ein Drohen zunächst nichts Schlimmes und völlig normal. Wird das Signal vom Gegenüber nicht akzeptiert, wird die nächste Stufe eingeleitet, falls hier wieder kein Ergebnis erreicht wird, geht es zur nächsten Stufe…

Insofern hat der Biss und somit die höchste Eskalationsstufe auch für unsere Hunde Auswirkungen. Es entsteht ein Vertrauensverlust zum Menschen, weil dieser vorangegangene Signale ignoriert hat. Der Hund fühlt sich gewissermaßen im „Stich“ gelassen, kann mitunter auch unsicher werden, weil er nicht weiß, ob seine Grenzen in Zukunft berücksichtigt werden. Ein weiterer Faktor kann sein, dass der Hund in dem Moment abspeichert, dass Zubeißen der einzige Ausweg ist sich verständlich zu machen. Folgend zeigt er dieses Verhalten schneller.

Aber auch für den Menschen findet ein Vertrauensverlust statt. Die Situation nicht richtig eingeschätzt, unter Umständen eine Verletzung davongetragen, weiß er nicht mehr genau wie er mit seinem Hund umgehen soll. Ständig kommt die Frage auf, ob und wann er es wieder tut. Er „kennt“ seinen Hund auf einmal nicht mehr, kann sein Verhalten nicht einschätzen, interpretiert vielleicht negative „Blicke“ oder bemerkt eine Zurückhaltung bei seinem Hund.

Da Menschen und Hunde gleichermaßen Gefühle beim anderen bemerken, entsteht hier schnell ein Teufelskreis, bei dem Misstrauen und ein Unwohlsein zunehmen können. Es wäre nicht richtig, einen Beißvorfall zu ignorieren und zum „normalen“ Alltag überzugehen. Dafür ist auf beiden Seiten zu viel passiert. Jedoch kann das Vertrauen wieder aufgebaut werden. In jedem Fall sollte professionelle Hilfe in Anspruch genommen werden, um zunächst eine neutrale Ebene herzustellen von der aus die Bindung wieder aufgebaut werden kann.

Ein Mensch versucht einem Beagle einen gelben Gummivogel aus dem Maul zu entreißen.

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Wichtige Tipps, To-dos und Vorbeugung rund um Beißvorfälle mit Hund im eigenen Haushalt

Wertvolle, praktische und hilfreiche Ratschläge der Expertin für den Ernstfall und zur Vermeidung von Beißvorfällen mit dem eigenen Hund.

Was tun, wenn es zu Beißvorfällen mit Hund im Haushalt kommt?

  • Möglichst Ruhe bewahren und deeskalieren
  • Verletzte Personen versorgen und zum Arzt
  • Beißvorfall analysieren: Geschehensablauf und Begleitumstände für weitere Bewertung des Beißvorfalls mit Hundeexperten notieren
  • Selbstreflexion: Eigenes Verhalten oder das beteiligter Personen selbstkritisch auf „hundgerechten“ Umgang mit dem Hund hinterfragen
  • Es besteht konkreter Handlungsbedarf, damit es nicht zum Wiederholungsfall kommt sich das situative Beißverhalten als Problemlöser beim Hund verfestigt. 
  • Beim Tierarzt mögliche gesundheitliche Auslöser für den Beißvorfall abklären und
  • Hundetrainer und/oder Verhaltenstherapeut für verhaltensseitige „Behandlung“ einschalten

No-Gos nach Beißvorfällen mit dem Hund im eigenen Haushalt

  • Handgreiflichkeiten und Misshandlungen
  • Unangemessene Ansprache
  • Mentale Einschüchterung und gezielter psychischer Stress
  • Ignorieren des Hundes, Verwehren von sozialem Kontakt bis hin zur Isolation

Prävention: Experten-Tipps von der Hundetrainerin und Verhaltenstherapeutin

  • Grundlage: Hundewissen und Sachkunde zum Halten und Führen von Hunden ist zwingend für ein gutes und verständnisvolles Miteinander nötig
  • Ausdrucksverhalten (Körpersprache, Mimik, Gestik etc.) beachten, verstehen und sich angemessen verhalten
  • Normalverhalten von Hunden achten
  • Auf rassespezifische Eigenschaften wie Wesen, Charakter, Temperament und verankertes Verhalten eingehen
  • Individualdistanz des Hundes respektieren
  • Kind und Hund: Für Aufklärung und Management als Eltern sorgen
  • Kinder nie unbeaufsichtigt mit dem Hund lassen
  • Klare Umgangsregeln und Grenzen für Kinder fürs Zusammenleben und Handling mit Hunden (Hund-Kind-Kurs in Hundeschule?)
  • Respektvoller Umgang mit dem Hund
  • Bedürfnisse des Hundes berücksichtigen
  • Basis für ein harmonisches Miteinander: Respekt, Vertrauen und Empathie
  • Bei Aggressions- und Beißverhalten sofort Hundetrainer:in oder Verhaltenstherapeut:in kontaktieren

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