Führung - Freifolge - Hund-Mensch-Bindung, der sichere Rückruf & die Konditionierung – wie hängt das alles zusammen?

Worauf basiert die Hund-Mensch-Bindung, die eine Freifolge und einen sicheren Rückruf möglich macht?

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Zuletzt aktualisiert am: 18.10.2021

Ehepaar geht mit braun weissem Hund im Wald spazieren.jpg

Einige denken, Führung bedeute, der Chef sei gottgegeben und jeder und vor allem der Hund habe diesem von Amts wegen blind zu folgen. Diese Ansicht stimmt mit der lange üblichen Definition von Dominanz überein, die aber heute auf Grund von Forschungen in freilbenden Wolfrudeln als überholt gilt. Denn in diesen Familienverbänden leitet sich der dominante Führungsanspruch der Elterntiere gegeüber der Jungen aus der elterlichen verantwortungsbewussten und vorausschauenden Fürsorge ab. Erfüllen können die Alttiere diese Führungsaufgabe auch auf Grund ihrer Erfahrung. Die Jungtiere orientieren sich an den Alttieren, weil deren Führung Sicherheit und die Deckung aller Bedürfnisse bedeutet.

Nach diesem Verständnis soll der Hundemensch durch sein führendes Handeln dem Hund ebenfalls ein Gefühl der Sicherheit vermitteln und ihm die Deckung aller Bedürfnisse bieten. In dem Fall kann der Hund seine Führung akzeptiert und sich an ihm orientieren, sodass von guter Bindung des Hundes an seinen Menschen gesprochen werden kann. Diese Bindung ist eine der Grundvoraussetzungen für eine gute Freifolge und einen sicheren Rückruf. So gesehen sind Freifolge und Rückruf folge guter Führung.

Aber auch die beste Führung kann nicht immer verhindern, dass sich Dein Hund von Dir entfernt. Deshalb ist ein sicherer Rückruf immens wichtig. Dieser kann über Konditionierung etabliert werden. 

Grund genug, sich den Begriff der guten Führung und seine praktische Anwendung sowie die auf den Pawlowschen Hunde zurückgehende Technik der Konditionierung genauer anzusehen und zu beschreiben, wie sie sich für die Freifolge und den sicheren Rückruf verwenden lassen.

Gute Führung gibt Hund und Mensch Sicherheit

Eine gute Freifolge des Hundes ist das Ergebnis guter Führung, die dem geführten Hund Sicherheit vermittelt. Diese vom Hund mit seinem Menschen verbundene Sicherheit wiederum bindet den Hund an seinen Hundeführer und stattet diesen mit der notwendigen Autorität aus, die ihm seine unangefochtene Führungsrolle erst ermöglicht.

Guter Führung kommt also eine große immens wichtige Rolle zu. Sie findet natürlich nicht nur in Trainingsstunden oder auf Hundeplätzen statt, sondern muss im Alltag gelebt werden. Deshalb beschreibt dieser Block, worauf Du als Hundemensch im Alltag achten solltest.

Vorausschauendes Verhalten als Basis guter Führung

Führen bedeutet, voranzugehen. Um voranzugehen, musst Du sprichwörtlich Deinem Hund einen Schritt voraus sein. Wenn man das auf Ideen, Vorhaben und Bedürfnisse Deiner Fellnase bezieht, bedeutet dies, dass Du vorausschauend denken solltest, um vor ihr handeln zu können und die Führungsinitiative in der Hand zu behalten.

Vor allem wenn der Hund noch nicht lange bei Dir ist und Du seine speziellen Charaktereigenschaften und Vorlieben noch nicht kennst, kann es schwerfallen, die Ideen des Tieres vorauszuahnen. Bist Du ein sehr erfahrener Hundehalter und kennst Dich mit der Körpersprache der Hunde gut aus, erleichtert dieses Wissen sicherlich die gestellte Aufgabe. 

Sollte das aber nicht der Fall sein, wäre der erste Schritt, sich die 5 wesentlichen Bedürfnisse Deines Hundes klarzumachen und diese zu erfüllen, bevor er sie sich in Eigeninitiative erfüllt:

  1. Lösen und Nässen, also Kacka und Pipi
  2. Ernährung, also Futter und Wasser
  3. Spiel, Spaß, Auslastung und Erziehung
  4. Körperpflege und Zuwendung
  5. Ruhe und Schlaf

Diese Reihenfolge ist nicht zufällig gewählt, sondern orientiert sich in etwa an der zeitlichen Abfolge ab dem Moment, in dem Dein Hund aufwacht. Gerade Welpen müssen, wenn sie aufwachen und sich zu bewegen beginnen, bald schon ihr Geschäft verrichten. Um zu erreichen, dass Dein Welpe stubenrein wird, könntest Du wie in diesem Artikel zur Stubenreinheit beschrieben vorgehen. Auch bei erwachsenen Hunden ist es aber so, dass sie nach längeren Ruhephasen wie der Nachtruhe bald raus müssen.

Danach haben sie häufig Durst und Hunger. Natürlich sorgst Du dafür, dass stets genügend Wasser im Wassernapf ist. Zur Frage der Futtergabe gibt es natürlich viele Ansätze. Einige sind der Meinung, dass Futter zu festen Zeiten gegeben werden soll, andere argumentieren, dass wildlebende Hunde und Hundeartige auch nicht zu festen Zeiten fressen. Was die Aufteilung der Tagesration auf Einzelportionen angeht, existieren ebenfalls verschiedene Philosophien. Beide Aspekte hängen auch von der Antwort auf die Frage ab, ob Du einen Teil der Tagesration aus der Hand verfüttern möchtest. Das habe ich für mich bejaht, weil Liebe durch den Magen geht und man die Hand, die einen füttert, nicht beißt: Ich will damit sagen, dass die Fütterung aus der Hand grundsätzlich die Bindung steigert und außerdem als Belohnung oder Verstärker (wie es in den auf Konditionierung beruhenden Trainingsmethoden heißt) im Training verwendet werden kann, wie wir es im Artikel "Allgemeine Tipps zum Aufbau von Hundetrainings" beschrieben ist. Ob und wie Du die Tagesration genau aufteilst, bleibt natürlich Dir überlassen. Ich teile sie so auf, dass mein Beagle Max eine Kleinigkeit seines Trockenfutters als Frühstück bekommt. Den Rest der Tagesration habe ich bei jeder Aktion mit ihm bei mir und setzte sie als Belohnung ein. Was abends noch übrig ist, bekommt er in den Napf, aus dem er erst nach meiner Freigabe zu fressen beginnt, was es mir gestattet, in Ruhe ohne Belagerung durch ihn seinen Napf zu füllen. Diese Aufteilung der Tagesration erlaubt auch die Basis für einen, im Falle des Beagles immer nur halbwegs, sicheren Rückruf über Futternapf zu legen, wie Du weiter unten lesen kannst.

Sicherlich hättest Du Dir keinen Hund zugelegt, wenn Du nicht auch mit ihm gemeinsam etwas unternehmen und erleben wollen würdest. Und an der Stelle triffst Du auch das Bedürfnis Deines Tieres, das sich nicht zu Tode langweilen, sondern etwas erleben möchte. Eine Aufforderung, gemeinsam aktiv zu werden, sollte generelle von Dir ausgehen, was wiederum bedeutet, dass Du früh genug auffordern musst, nämlich, bevor es Dein Hund tut. Natürlich würde Dein Hund am liebsten nur die Dinge tun, die ihm Spaß machen, also spielen im weitesten Sinne. Von seinem speziellen Charakter, der zu einem gewissen Maß auch von der Rasse abhängt, wird bestimmt, welche Spiele das sind und ob er beim Spielen auf Dich fixiert ist oder mit anderen Hunden oder gar mit Wild Fangen spielen will. Wichtig ist nun, dass Du einerseits die Vorlieben Deines Tieres geschickt nutzt: Tust Du das, wird jede gemeinsame Aktion für Deinen Hund spannend, ist aber aus Deiner Sicht eine Möglichkeit, den Hund zu erziehen, ob nun in einer Trainingseineheit oder einem kontrollierten Spiel, das auf die Impulskontrolle Deines Hundes einzahlt.

Auch wenn Dein Hund kein sehr kuschelbedürftiges Tier ist, das auch bei gemeinsamen Aktivitäten mit Streicheleinheiten besser als mit Futter oder gemeinsamem Spiel belohnt werden kann, wird es im Normalfall irgendwann, und bei geistig anstrengenden Aktivitäten schneller als Du denkst, ausgepowert sein und wieder eine Ruhephase haben wollen. In dieser ist er besonders empfänglich für Streicheleinheiten und körperliche Zuwendung. Einer der tieferen Sinne in der Natur dieser körperlichen Zuwendung ist die gegenseitige Pflege, beispielsweise das Absuchen nach Parasiten. So kannst auch Du diese Phase nutzen, Deinen Hund zu streicheln und dabei Übungen zum Medical Training machen oder ihn beispielsweise nach Zecken absuchen, auf ruhige Art zu entfernen und somit erste Schritte für ein Medical Training unternehmen.

Wenn er dann endgültig wieder eine Ruhephase mit Schlaf verbringen möchte und soll, ist es an Dir dafür zu sorgen, dass er das auch ungestört von anderen Familienmitgliedern kann. Solltest Du für Deinen Hund einen festen Platz wie eine Decke, ein Körbchen oder ein Kissen haben und er nicht aufs Sofa dürfen, solltest Du darauf achten, dass dieser Platz sein Refugium ist, in dem ihn nichts und niemand stört: Es soll sein Hort der Sicherheit sein und er wird merken, wenn Du diesen Platz für ihn verteidigst und auf diese Weise für seine Sicherheit sorgst.

Risikomanagement als Führungselement

Vorausschauendes Beobachten, Denken und Handeln ist vor allem außerhalb der eigenen vier Wände oder des eigenen Gartens auf Spaziergängen oder Hundeplätzen wichtig, um für die Sicherheit Deines Hundes und der Allgemeinheit zu sorgen: Je früher Du eine risikoträchtige Situation erkennst, desto einfacher lässt sie sich beherrschen. 

Allgemein ausgedrückt sind solche Situationen risikoreich für Deinen Hund, die aus Reizen bestehen, die im Hund als Schlüsselreiz oder Hinweisreiz ein schwer abzuwendendes oder zu unterbrechendes aber sehr impulsives Verhalten auslösen. Die Kunst des Risikomanagements wirft die Fragen auf, welche Situationen und Reize bei dem speziellen Hund potenziell für ihn oder auch andere gefährliche Impulse auslösen und wie wir mit diesen Reizen umgehen können. 

Besonders in der Frühphase, also wenn Du den Hund noch nicht gut kennst, kannst Du nur erahnen, welche Reize ihn besonders interessieren und stark impulsives Verhalten in ihm auslösen. Kennst Du zu einem späteren Zeitpunkt die wesentlichen Reize, kannst Du ein auf diese Ablenkungen abgestimmtes Impulskontrolltraining machen. Daher solltest Du Deinen Hund in der eben dieser Frühphase Eurer Beziehung sehr intensiv beobachten, um seine Vorlieben und Charaktereigenschaften zu erkennen, die nicht zwingend „rassetypisch“ und damit angeboren oder insitinktiv sein müssen.

Bis dahin musst Du Dich einerseits auf Dein Wissen um hundetypisches Verhalten, andererseits auf Dein Wissen um rassetypisches Verhalten verlassen. So sind Hunde aller Rassen meist an anderen Hunden interessiert und suchen zu diesen von sich aus Kontakt. Andererseits wird ein Hund einer Jagdhunderasse eher auf Wild mit seinem Beutefangverhalten reagieren, als der Vertreter einer Hütehunde-Rasse. 

Damit wären die ersten zwei Beispiele genannt, auf die wir intensiver eingehen möchten. 

Hundebegegnungen sollten immer aus Risikoaspekten heraus gemanagt werden. Ziel ist, dass sich die Hunde nicht ohne Freigabe ihrer Menschen kontaktieren, schließlich sind nicht alle Hunde untereinander verträglich. Daher sollte es Dir möglich sein, Deinen Hund entweder früh genug abzurufen und unter Kontrolle zu bringen oder ihn an der Leine zu führen, wobei, wie in unseren Lernkarten zur Leinenführigkeit dargestellt, sich die Leine nicht straffen sollte. 

Wenn Ihr einem anderen Hundehalter mit seinem gar nicht oder mit einer sehr langen Leine angeleinten Vierbeiner begegnet, solltest Du Deinen Hund bei Dir halten und darauf achten, dass Du wie ein Schutzwall zwischen dem anderen Hund stehst. Sollte sich Euch der andere Hund nähern, machst Du Dich groß und signalisierst dem sich nähernden Hund über Deine abblockende Geste, dass er sich nicht nähern soll. Damit signalisierst Du Deinem Hund, dass Du immer zwischen einer möglichen Gefahr und ihm stehen wirst und gibst ihm so Sicherheit. 

Ist der andere Hund aber kurz angeleint, entweder in Folge Deiner freundlichen Bitte an seinen Halter oder von Anfang an, kannst Du mit dem anderen Hundehalter abklären, ob die Chancen gutstehen, dass die beiden sich verstehen. Eine Rolle kann hier die Größe, das Alter und das Geschlecht ebenso spielen wie die Erfahrungen und Charaktereigenschaften der beiden Hunde. 

In einem nächsten Schritt kann eine kontrollierte Zusammenführung erfolgen: Hierzu wird beiden Hunden eine Freigabe erteilt, sie bleiben aber zunächst an der Leine, wobei sich die Leinen weder spannen dürfen, noch verheddern dürfen. Würde sich die Leine spannen, lernt Dein Hund, dass Du ihm bei gestraffter Leine folgst, was das Risiko steigert, dass er künftig versucht, Dich an der Leine in Richtung jedes seiner Ziele zu ziehen. Würden sich die Leinen verheddern und die Stimmung zwischen den Tieren ins Aggressive kippen, könnte keiner der beiden flüchten und Du könntest Deinen Hund nicht an der Leine zurückziehen, um ihn von dem anderen Tier zu trennen. Um zu verhindern, dass sich die Leinen verheddern müssen die Menschen am Ende der Leinen in Bewegung bleiben: Wenn beide Gespanne sich in einer geraden Linie aufeinander zubewegen und die Hunde dann beginnen, sich umeinander zu drehen, müssen die Menschen darauf achten, dass sie mit den Leinen immer noch eine gerade Linie bilden und sich entsprechend bewegen. 

Begegnungen mit anderen unbekannten Verkehrsteilnehmern können ebenfalls Risiken darstellen: Kennt Dein Hund keine Jogger, Fahrradfahrer, Landmaschinen, Autos oder was auch immer, kann es sein, dass er unerwartet reagiert. Er könnte in ein Jagdverhalten verfallen, aus Angst aggressiv reagieren und Jogger oder Radfahrer verfolgen. Um angstgetriebene Aggression zu vermeiden, kann hier ähnlich vorgegangen werden, wie bei einer Hundebegegnung. Du klärst mit dem anderen Verkehrsteilnehmer ab, ob Du gemeinsam mit Deinem Hund erste Erfahrungen sammeln darfst. Wenn ja, gehst Du in aller Ruhe zu dem neuen Gegenstand und lässt Deinen Hund schnüffeln um ihn an den Gegenstand zu gewöhnen. Sollte Dein Hund seine Jagdleidenschaft auf diese Verkehrsgeräte projizieren, kommt wieder das Thema Impulskontrolle zum Tragen. 

Wildbegegnungen gehören sicherlich ebenfalls, vor allem aber bei weitem nicht nur für Halter von Hunden aus zu Jagdzwecken gezüchteten Rassen, zu den wesentlichen Risikofaktoren: Die Jagd birgt immer ein hohes Verletzungsrisiko, einerseits durch wehrhaftes Wild, dass sich dem Hund zum Kampf stellt. Aber auch das ungestüme überqueren von Straßen, das sich-Verlaufen und, vor allem bei kleinen Hunden, das Verschüttet gehen in einem Erdbau von Kaninchen, Fuchs oder Dachs stellen große Risiken dar. 

Dabei haben wir noch gar nicht über die rechtlichen Risiken und die Gefahren für andere gesprochen: Ein Hund, der außerhalb der regulären Jagd dem Wild nachstellt, wildert. Das wiederum ist ein Straftatbestand, der unangenehme Folgen für Hund und Halter bergen kann. Auch darf nicht vernachlässigt werden, dass im Falle eines durch Deinen Hund verursachten Verkehrsunfall Du für alle Schäden haften wirst. Natürlich ist hier auch noch der ökologische Aspekt zu bedenken: Wird ein Reh im der futtarmen Zeit des Winters mehrfach gehetzt, ist es ihm kaum möglich, die hierbei verbrauchte Energie wieder auszugleichen. Im Sommer sind vor allem die jungen Wildtiere, Kitze allen voran, immer wieder Opfer von Hunden.

Daher sollte es nicht passieren, dass Dein Hund es schafft, wildern zu gehen. Neben den Risiken, die dem Hund nicht klar sind, ist diese Beschäftigung für ihn in hohem Maße selbstbelohnend, auch ohne tatsächlich Beute zu machen. Das Gefühl von Spannung und Adrenalin wird Dein Hund nach wenigen solcher Erlebnisse nicht mehr vergessen und es immer wieder erleben wollen. Es wird dann sehr anstrengend, ihn in solchen Situationen wieder kontrollierbar zu machen. 

Daher solltest Du mit Deinem Hund anfangs in wildarmer Umgebung den Grundgehorsam trainieren. Springt dennoch ein Wildtier über den Weg, den Ihr gerade lauft, ist Achtung geboten. Wenn Du Deinen Hund an der Leine hast, kannst Du hier gut prüfen, wie stark die Reize auf Deinen Hund wirken. Hat er das Wild gesehen und will hinterher? Hat er es nicht gesehen, nimmt aber mit der Nase sofort die Fährte auf und will dann hinterher?  Hieraus kannst Du erste Erkenntnisse für das Training zur Impulskontrolle gewinnen.

Die Futteraufnahme ist ebenfalls meist ein Thema, nicht nur bei Hunden, die als verfressen gelten und nicht nur in Gegenden, die für Giftköder bekannt sind. Es existiert eine Vielzahl von für Hunde gefährlichen Stoffen, auch bei Dir zu Hause. Beispielsweise steht mein Beagle auf Trauben, die es bei uns daheim gibt und die für Hunde giftige Stoffe enthalten. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, Lebensmittel möglichst hundesicher unterzubringen und zu versuchen, den Fressimpuls Deines Hundes kontrollierbar zu machen, damit er Dir die Möglichkeit lässt zu entscheiden, ob er etwas Spezielles fressen darf oder nicht.

Diese Beispiele sollen veranschaulichen, was unter Risikomanagement zu verstehen ist und entbinden Dich nicht, Dir selber weitere Gedanken zu machen, da jede Kombination aus Umgebung und Hund eigene Reize und Risiken begründet. 

Konsequentes Verhalten und Rituale als Zeichen guter Führung

Konsequentes Verhalten meint in diesem Sinne vor allem, dass Du Dich immer gleich verhältst, also Regeln aufstellst und darauf achtest, dass primär Du und in Folge Dein Hund sich an diese halten. Wie diese Regeln sein sollen, hängt einerseits vom Ausgang Deiner Überlegungen zum Risikomanagement und zu den Bedürfnissen Deines Tieres ab. 

Darüber hinaus sind Dein alltäglicher Tagesablauf in zeitlicher Hinsicht und Deine sonstigen Vorlieben Basis solcher Regeln.

Bei den sonstigen Vorlieben denke ich beispielsweise daran, ob Dein Hund auf die Couch oder ins Bett darf oder nicht. Hier sollen jetzt nicht die Vor- und Nachteile erörtert werden, da das einfach Deine Entscheidung beziehungsweise die Deiner Familie ist und sich daran meiner Meinung nach nicht entscheidet, ob ein Hund dominant ist oder nicht. Diese entscheidet sich eher daran, ob der Hund selbst entscheidet, was er darf und was nicht. Klar sollte deshalb sein, dass gute Führung konsequentes und ausnahmsloses Handeln verlangt. Das macht es notwendig, dass sich alle Familienmitglieder an die Absprache halten und sie immer gleich umsetzen: Der Hund wird nicht unterscheiden können, warum Du ihm etwas mal erlaubst und mal nicht oder warum er für ein und dasselbe Verhalten mal bestraft und mal gelobt wird.

Dasselbe gilt für den Einsatz der Kommandos aus dem Grundgehorsam im Alltag. So kannst Du beispielsweise Rituale schaffen für den Ablauf eines Spaziergangs: Erst Sitz, dann anleinen, dann kurz warten, dann aus dem Kofferraum nehmen, wieder Sitz, kurz warten, dann erst loslaufen. Oder den Hund Platz machen lassen, dann den Futternapf füllen, dann noch kurz abwarten und ihm dann eine Freigabe erteilen.

In zeitlicher Hinsicht kannst Du gar nicht früh genug anfangen, Dein neues Familienmitglied an Deinen oder Euren Rhythmus zu gewöhnen: Nimmst Du beispielsweise Urlaub, um den Welpen in der Gewöhnungsphase zu betreuen, kannst Du, wie in den Trainingskarten für Stubenreinheit beschrieben, mit einer Transportbox arbeiten, um Deinen Welpen in den Zeiten, in denen Du normalerweise keine Zeit haben wirst, Ruhephasen zu verordnen. Natürlich kommst Du nicht auf die Idee, Dir einen Hund anzuschaffen, wenn Du üblicherweise arbeitsbedingt keine Zeit für ihn hast. Aber selbst, wenn Du Deinen Hund mit zur Arbeit nehmen kannst, die beispielsweise um 9 Uhr beginnt, solltest Du ihn nicht daran gewöhnen, dass ab 9 Uhr eine Stunde Action auf dem Programm steht, sondern daran, dass er dann erstmal eine seinem Alter angepasste Sendepause hat, die im Laufe seiner Altersentwicklung bis zu Deiner Frühstücks- oder Mittagspause ausdehnst.

Gute Führung führt zu einem Sicherheitsgefühl und guter Bindung

Wenn Dein Hund aufgrund der bisher angestellten und umgesetzten Überlegungen erkennt, dass Du ganz sicher seine Bedürfnisse nach Futter, Beschäftigung und Spaß, Pflege und Ruhe immer erfüllst; ihm in brenzligen Situationen hilfreich zur Seite stehst indem Du ihn nicht alleine in Gefahren laufen lässt die ihn überfordern, sondern Situationen für ihn abschätzt und ihn notwendigenfalls beschützt; er lernt, dass immer gleiches Verhalten belohnt und immer gleiches Verhalten zu keinem Lohn und Erfolg führt, wird Dein Hund sich immer sicher sein können, dass Du für ihn voll und ganz die Verantwortung übernommen hast und sich entsprechend an Dich binden und sich an Dir orientieren.

Eben weil Dein Hund das alles erst erkennen kann, wenn es über längere Zeit immer gleichbleibt, ist in dem Punkt Deine Geduld gefordert. Solltest Du einen Welpen haben, solltest Du nicht dem Irrtum verfallen, dass Du das alles nicht beherzigen musst, weil er Dir aktuell eh hinterherläuft und sich an Dir orientiert: Das macht er in dieser Entwicklungsphase, weil er sich durchaus bewusst ist, dass er noch sowas wie eine Mutter zum Überleben braucht. Später, wenn er pubertiert, wird Deine Geduld spätestens beansprucht und dann wird vieles einfacher, wenn Du diese Führungsprinzipien von Anfang an angewendet hast und Du an seiner Bindung zu Dir wie in unserem Leitartikel "Der Bindungsaufbau zwischen dem Welpen & Menschen" dargestellt.

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Führung & Freifolge

Wie Führung und Freifolge zusammenwirken und miteinander verbunden sind.

Der Einfluss der Führung auf die Freifolge

Einerseits zahlt also die Einhaltung der genannten Führungsprinzipien auf die Hund-Mensch-Bindung ein, die dafür sorgt, dass Dein Hund generell dazu neigt, sich an Dir zu orientieren. Andererseits spielen sie alle auch in einer spezialisierten Form beim „Training“ für die Freifolge, die auf einem guten Training zur Leinenführigkeit basieren kann, eine Rolle. Bei diesem Training geht es nämlich darum, dass Dein Hund zwar angeleint ist, Dir aber im Grunde freiwillig mit immer lockerer Leine folgt. Im Idealfal wird er sie gar nicht als Begrenzung seiner Bewegungsfreiheit bemerken, da die Leine immer locker und daher kaum wahrnehmbar ist und sich auch ohne Leine ähnlich verhalten.

Und dabei solltest Du auf die Bedürfnisse Deines Tieres achten: Hat er schon seinen Durst gelöscht, sich gelöst und hat er genässt? Vorher solltest Du mit keinerlei Training anfangen, da er von seinen Bedürfnissen abgelenkt und somit nicht sonderlich konzentrationsfähig sein wird. In der aktiven Phase des Hundes kannst Du seine Lust an Aktion auch für Lerninhalte nutzen, wenn Du sie geschickt mit Spiel und Spaß oder Futter als Belohnung verbindest und somit weitere Hundebedürfnisse befriedigst. Außerdem ist es wichitg, die Zeit im Auge zuhalten: Gönne Deinem Hund den Übergang in die Ruhephase und passe die Dauer eine Trainingseinheit an sein Alter an. Sie ist bei Welpen mit zwei bis drei Minuten deutlich kürzer als bei erwachsenen Hunden, die aber auch nicht länger als 10 Minuten am Stück trainiert werden können.

Freifolge eines Welpen und Junghundes fördern

Bei Welpen ist im Rahmen des Leinenführigkeitstrainings das natürlich vorhandene Verhalten zu fördern, Dir zu folgen. Wie oben schon gesagt, sollte das Ergebnis dieses Trainingsprogramms sein, dass Dein Welpe die Freifolge lernt, auch wenn er dabei angeleint ist. 

Wie in allen Trainingsprogrammen für ein bestimmtes Verhalten steigerst Du langsam den Schwierigkeitsgrad, indem Du von sehr reizarmen Trainingsorten ganz behutsam zu reizreicheren Orten wechselst. Nun kannst Du außerdem langsam dafür sorgen, dass Dein Hund bei Dir bleibt, ohne ständig motiviert zu werden.

Hier geht es nun im wörtlichen Sinne um das Vorangehen. Dabei spielt aber das Risikomanagement eine Rolle bei der Einschätzung, wie sehr sich Dein Hund schon an Dir orientiert und ob er sich tatsächlich ohne Leine genauso verhält, wie mit ihr. Um diese Risikoeinschätzung vorzunehmen, kannst Du erste Erfahrungen im eigenen Haus und Garten sammeln. Wie mit den Ergebnissen dieser Erfahrungen umgegangen werden kann, sehen wir weiter unten.

Nun kannst Du erste Spaziergänge auf Routen unternehmen, die wenig Ablenkung durch andere Passanten oder Wild verursachen, die aber Deinem Welpen nicht bekannt sind. Dort kannst Du zur Steigerung Deines Führungsanspruchs beginnen, vorauszugehen und Gefolgschaft gleichsam zu fordern: Du gehst voran, ohne offensichtlich darauf zu achten, ob Dein Hund sich weiter an Dir orientiert. Damit ist gemeint, dass Du natürlich auf Deinen Hund achtest, aber so, dass er nicht mitbekommt, dass Du ihn auf dem Radar hast: Schaust Du Dich nach ihm um, wird er das mitbekommen und daraus schließen, dass Du Dich nach ihm richtest. Daher musst Du versuchen, mit Deinem Gehör zu arbeiten. Dies kannst Du mit einem Glöckchen um seinen Hals, wie es Stöberhunde in einer Treibjagd mitunter tragen, erleichtern.

Kommt Dein Welpe nun freiwillig zu Dir oder nimmt Blickkontakt auf, lobst und belohnst Du ihn dafür.

Überholt Dich Dein Welpe, wechselst Du Deine Laufrichtung.

Achtet Dein Welpe nicht mehr auf Dich, kannst Du Dich in dem für ihn fremden Gelände hinter einem Baum oder ähnlichem verstecken und ihn vorsichtig beobachten. Irgendwann wird ihm auffallen, dass Du verschwunden bist. Lass ihm dann eine kurze Zeit den Schreck in die Glieder fahren, den er verspürt, weil er den Anschluss verloren hat und genau weiß, dass er alleine nicht zurecht kommen wird. Dadurch wird sein unaufmerksames Verhalten negativ bestraft: Der Reiz Deiner Sicherheit gebenden Anwesenheit wird entzogen. Dann passe einen Moment ab, in dem Du unbemerkt aus dem Versteck treten kannst. Erst dann kannst Du ihn auf Dich aufmerksam machen: Er soll nicht wissen, dass Du Dich nur versteckst, aber in der Nähe bist, da sich sonst die erschreckende Wirkung für die Zukunft abmindert. Kommt er dann ran, lobst und belohnst Du ihn.

Wenn Dein Hund diese Erfahrungen von Welpenbeinen an so gemacht hat, sollte die Freifolge bis zum Einsetzen der Pubertät immer besser klappen. Außerdem wird der Eindruck, den der Schrecken verursacht, auf weiter Flur alleine zu stehen, sich verfestigen. Die Chancen hierzu scheinen vor allen Dingen in der neunten und zehnten Lebenswoche hoch zu stehen, wie Erkenntnisse zur Prägung nahelegen.

In der Pubertät kann es nochmals schwieriger werden. Das liegt nicht nur an der hormonellen Umstellung und einem erstarktenden Selbstbewusstsein, sondern auch daran, dass nun neue Interessen eine andere Art Ablenkung stellen: Die Geruchsstoffe in den Markierungen anderer Hunde werden nun auch in sexueller Hinsicht interessant.

An Deinem Vorgehen ändert das weniger als an der Dir abverlangten Geduld: Die im frühen Alter gemachten Erfahrungen, dass Du Sicherheit bringst und sich Deine Nähe lohnt, es aber sein kann, dass Hund alleine auf weiter Flur steht und Angst hat, wenn er nicht auf Dich achtet, sind schon tief verwurzelt und können auch den Junghund zur Raison bringen.

Kurz vorweg - Ohne Konditionierung kein sicherer Rückruf

Natürlich ist jede moderne Trainingsmethode auf klassische und vor allem operante Konditionierung zurückzuführen, wie ihr in unserem folgenden 3-teiligen Leitartikel in sehr detaillierter Form aus wissenschaftlicher und angewandter Praxis nachlesen könnt: 

Schon im Welpenalter kann auf die klassische und damit die ursprünglichste Konditionierung zurückgegriffen werden, um die Basis des sicheren Rückrufs zu legen. Um die mit der klassischen Konditionierung gelegte Basis auszubauen, werden wir auf die operante Konditionierung zurückgreifen, die wir ebenfalls kurz darlegen.

Grund genug, wenigsten kurz die Unterschiede zwischen den beiden Konditionierungsarten zu erklären.

Die klassische Konditionierung

Der russische Mediziner und Physiologe Ivan Petrovic Pawlow forschte Ende des 19. Jahrhunderts nobelpreisgekürt zur nervlichen Steuerung der Verdauungsdrüsen im Verdauungstrakt, unter anderem anhand von Laborhunden.

Hier machte er die uns Hundemenschen gut bekannte Beobachtung, dass die Laborhunde zu speicheln begannen, wenn sie Futter vorgesetzt bekamen. Seine feine Beobachtungsgabe ließ ihn aber erkennen, dass die Hunde nach einiger Zeit schon zu speicheln begannen, wenn sie nur die Schritte des Tierpflegers hörten, der gewöhnlich das Futter brachte. Er schloss daraus, dass die Hunde das Geräusch der Schritte mit dem Futter verbunden hatten und die im Grunde für Hunde bedeutungslosen Schritte nun mit Futter gleichbedeutend waren und daher dieselbe reflexartige Reaktion wie das Futter selbst auslösen. Er vermutete also eine konditionierte Reizkopplung.

Im Jahr 1905 begann Pawlow, diese Vermutung wissenschaftlich aufzuarbeiten. Die Korrektheit seiner Theorie über die Verknüpfung oder Kopplung zweier Reize überprüfte er in entsprechenden Experimenten mit dem Ergebnis, dass er seinen Hunden beibrachte zu speicheln, wenn sie das Geräusch einer Glocke vernahmen.

Dabei wurde auch erkannt, dass der neutrale und unbedeutende Reiz (Klicker, Glockengeläut etc.) am besten und schnellsten mit dem unbedingten und bedeutungsvollen Reiz (Futter) verknüpft wird und dann zum selben Reflex (Speicheln) führt, wenn der neutrale kurz vor dem unbedingten Reiz startet und dann gleichzeitig mit ihm weiter gegeben wird. In dem Fall spricht man von „short delayed conditioning“. So entsteht eine räumlich-zeitliche Nähe zwischen den zu koppelnden Elementen, im Fall der klassischen Konditionierung als der beiden Reize. Diese wird Kontiguität genannt und ist für alle Arten der Konditionierung wichtig, damit die Kontingenz genannte Vorhersagekraft des einen Elements für das folgende, hier also eines Reizes für einen folgenden, erkannt werden kann.

Wir können diese Erkenntnisse nun in der Hundeerziehung nutzen, um einen für unseren tierischen Neuzugang unbedeutenden Pfiff aus der Hundepfeife oder ein ebenfalls uninteressantes Wort wie „Hier“ mit dem viel spannenderen Reiz „Futter ist verfügbar“ zu koppeln. Dazu empfiehlt es sich, immer, wenn Dein Hund gefüttert werden soll, kurz vorher schon „Hier“ zu rufen oder zu pfeifen. Während des Fressens sollte mit dem Rufen oder Pfeifen fortgefahren werden. Niemals sollte in dieser Phase Futter ohne das begleitende Signal gegeben werden.

Passiert das so schon im Welpenalter, kann eine sehr nachhaltige und starke Kopplung etabliert werden, die später einen sehr sicheren Rückruf ermöglicht.

Nun sagt natürlich die Theorie lediglich, dass wir auf diese Weise zwei Reize koppeln und der Hund somit lernt, auf das Zeichen für den Rückruf hin, egal, ob das ein Wort oder ein Pfiff ist, zu sabbern. Es werden schließlich nur Reflexe als Reaktion beachtet. Wir wollen hingegen, dass er ein spezifisches Verhalten zeigt, das kein Reflex, sondern ein operantes Verhalten ist: Er soll sich zum Futter bewegen, also herankommen oder -laufen.

Außerdem wird über dieselbe Technik auch ein Marker- oder Lobwort sowie der Clicker als lobender Verhaltensverstärker konditioniert. Spätestens, wenn das auf dem Programm steht, sollte der nächste Schritt unter Verwendung der operanten Konditionierung getan werden, damit Lobsignal und Rückrufsignal nicht verwechselt werden. 

Die operante Konditionierung

Der amerikanische Verhaltensbiologe B. F. Skinner entwickelte die operante Konditionierung in den 1930er und -40er Jahren auf Basis der klassischen und der instrumentellen Konditionierung. Auch hier spielen Reize eine wichtige Rolle.  Jedoch werden sie hier als Hinweisreiz bezeichnet, wenn sie als Auslöser eines bestimmten Verhaltens dienen. Dem dann gezeigten Verhalten folgt als Konsequenz ein weiterer Reiz. Im Falle der positiven Verstärkung, manchmal auch "positive Konditionierung" genannt, die nur eine von vier Varianten ist, folgt dem Verhalten dann ein angenehmer Reiz als Konsequenz. Dieser angenehme Reiz erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass das entsprechende Verhalten häufiger vorkommt.

Beim Rückruf wäre der auslösende Hinweisreiz das Kommando „hier“ oder der Pfiff aus der Hundepfeife. Die Reaktion des Hundes wäre das Herankommen, das eben kein Reflex ist, sondern eine "bewusste Handlung" oder besser: ein operantes Verhalten ist. Der als angenehm empfundene Reiz, also die angenehme Konsequenz dieser Handlung, ist die Darbietung des Futters.

Angewandte Konditionierung für den sicheren Rückruf

Wir wissen also jetzt, dass wir mit der klassischen Konditionierung eine Technik in der Hand halten, ein für unsere Hunde bedeutungsloses Wort wir „Hier“ oder den Pfiff aus einer Hundepfeife mit der angenehmen Bedeutung „Futter ist verfügbar“ aufzuladen. Das können wir tun, indem wir ab dem Tag Zusammenlebens mit dem neuen Hund immer mit einem „Hier“ oder dem Pfiff darauf aufmerksam machen, dass jetzt Futter verfügbar ist und wiederholen dieses Signal während des Fressens einige Male. Die hierdurch entstehende Reizkopplung kann vor allem bei Welpen sehr nachhaltig etabliert werden. Denn im Welpenalter durchleben Hunde die Prägephase, sodass diese mit der Konditionierung gemeinsam wirkt. Dennoch lohnt sich die Konditionierung auch bei älteren Hunden, die neu im Haushalt ankommen. 

Wenn Du einen Teil der Tagesration im Laufe des Tages aus der Hand füttern und als Verstärker für anderes Wohlverhalten nutzen möchtest, steht dem nichts im Wege: Die größten und damit attraktivsten Mengen Futter bekommt Dein Hund in dieser Phase dann noch immer mindestens zweimal (morgens und abends), immer in Verbindung mit dem Rückrufsignal.

Der Übergang zur operanten Konditionierung ist in der Praxis sehr fließend: Sobald die beiden Reize „Signal“ und „Futter“ gekoppelt sind, wird Dein Hund nicht nur sabbern, sondern auch zum Napf laufen, wenn er das Signal wahrnimmt. Dieses Laufen ist dann schon eine operante Reaktion, da sie nicht reflexhaft ist. Vielmehr stellt das Laufen für Deinen Hund eine "Operation" dar, die ihm den Zugang zum angenehmen Reiz, nämlich dem Futter in seinem Maul ermöglicht. Allerdings handelt es sich nur oberflächlich um die Reiz-Reaktionskopplung, die wir wollen: Das Signal ist für ihn im besten Fall jetzt der Hinweisreiz, der ihn zum Napf laufen lässt, es ist noch nicht das Signal, dass ihn zu Dir kommen lässt.

Wenn Du bei der Fütterung immer in gleicher Weise und damit routiniert vorgehst, wirst Du außerdem feststellen, dass Dein Hund schon hinter Dir herläuft, bevor Du das künftige Rückrufsignal gibst: Alle Schritte Deines immer gleichen Verhaltens (zum Schrank mit dem Futter gehen, diesen öffnen, mit dem Futter zum Napf gehen, diesen füllen) vor der Fütterung stellen ebenfalls mit der Fütterung verbundene Reize dar. Daher solltest Du von Beginn an versuchen, solche Routinen zu vermeiden oder spätestens jetzt abbauen und die Fütterungssituation so generalisieren, dass nur Dein Rückrufsignal gleichbleibt und mit der Fütterung verbunden wird.

Situation generalisieren, um das Rückrufsignal erkennbar zu machen

Um das Herankommen Deines Hundes unter eine präzisere Signalkontrolle zu stellen, damit er auf Grund des Rückrufsignals zu Dir und nicht primär zum Futter oder dem Napf kommt, musst Du die Fütterungssituation so variieren und generalisieren, dass der Hinweisreiz, also Dein Rückrufsignal, diskriminiert bzw. untersschieden wird. Unter Diskrimination wird hier verstanden, dass der entscheidende Reiz erkennbar und von anderen Reizen während einer Situation unterschieden wird: Weder Dein Gang zum Napf oder zum Schrank noch Uhrzeit oder Ort der Fütterung zeigen Futter an, sondern einzig Dein Rückrufsignal. 

Dazu reichst Du das Futter an verschiedenen Stellen im Raum, später in verschiedenen Räumen und durchaus auch an verschiedenen Stellen im Garten oder auf der Gassirunde. Auch die Uhrzeiten solltest Du variieren, damit Dein Hund nicht auf die Idee verfällt, dass ein Rückrufsignal nur zu einer bestimmten Tageszeit befolgt werden muss. So spricht nichts dagegen, das Frühstück oder das Abendessen auf der ersten oder letzten Gassirunde eine Stunde früher oder später als sonst zu geben: Verhungern wird Dein Hund nicht, weil Du ihm ja so oder so hin und wieder für gewünschtes Verhalten als Verstärker einige Stückchen aus der Hand gibst. 

Hierbei solltest Du zu Beginn darauf achten, dass Du Deinen Hund nicht aus einem Spiel oder sonstiger Ablenkung heraus zum Futter rufst: Sollte er grade etwas für ihn Wichtigeres im Sinn haben und nicht sofort zum Futter kommen, lernt er schon jetzt, dass die Ausführung des Rückrufs für ihn lediglich eine Option, aber kein Muss ist. 

Eine Vorgehensweise, die zu einem zuverlässigen Rückruf führen kann, der mit höherer Wahrscheinlichkeit auch dann funktioniert, wenn es darauf ankommt, schauen wir uns nun an.

Anzahl der Rückrufe und Ablenkung steigern und Futtermenge senken

Je nachdem, wie Du die Fütterungen über den Tag verteilst, hättest Du nun also maximal drei Möglichkeiten, Deinen Hund abzurufen, müsstest ständig eine Hauptmahlzeit mit Dir führen und hättest nach drei Rückrufen kein Futter mehr zur Belohnung anderen Verhaltens übrig. Um aus diesem Dilemma herauszukommen, senken wir die Futtermenge, die pro Rückruf vergeben wird, indem wir sie auf mehr Rückrufe aufteilen.

Dazu steigerst Du langsam die Anzahl der Rückrufe pro Tag: Hast Du bisher beispielsweise das Frühstück und das Abendessen mit dem Rückruf verbunden, kannst Du zunächst die für die beiden Mahlzeiten vorgesehenen Futtermengen jeweils auf zwei Rückrufe aufteilen. 

In dieser Phase kannst Du auch versuchen, langsam die Schwierigkeit zu steigern, indem Du ihn unter Ablenkung (Wild und Wildwechsel, andere Hunde, andere Menschen) abrufst. Dabei solltest Du zu Beginn von den entsprechenden Ablenkungen so weit entfernt sein, dass deren Wirkung auf den Hund noch gering sind und daher die Erfolgsaussichten hoch sind. Langsam kannst Du dann die Entfernung zur Ablenkung senken.

Seid ihr einer Ablenkung zu nah oder ist Dein Hund grade schon mitten in der Ablenkung, kann es passieren, dass er seinen Hunger vergisst. Dann solltest Du sofort abbrechen und nicht wiederholt das Rückrufsignal geben. Vielmehr gehst Du ihn dann einsammeln, was nicht mit der Gabe von Futter belohnt wird.

Außerdem solltest Du versuchen, daraus zu lernen um vergleichbare Ablenkungen früh genug zu erkennen und etwas früher abrufen zu können, bevor die bestimmte Ablenkung ihre volle Wirkung auf das Verhalten Deines Hundes entfalten kann: Es ist eher unwahrscheinlich, dass Dein mit Fressen assoziierter Rückruf eine superspannende Wildhatz, ein wildes Spiel mit Artgenossen oder das Beschnüffeln einer Hundemarkierung oder, und das ist völlig unmöglich, einen Deckakt augenblicklich unterbricht. An dieser Stelle schließt sich der Kreis zum oben beschriebenen Risikomanagement, zu dem auch die Verwendung einer Schleppleine gehören kann

Per Verstärkerplan zum nachhaltigen Rückruf

Das bisherige Vorgehen, dem Hund immer Futter zu geben, wenn Du das Rückrufsignal gibst und er zu Dir kommt, entspricht einem „Immerverstärkung“ genannten Verstärkerplan

Wenn Du, auch in Abhängigkeit, wie gut ihr bezüglich der Annäherung an Ablenkungen vorankommt, alle zwei-drei Tage die Anzahl der Rückrufe verdoppelst und die jeweilige Futtermenge halbierst, reduzierst Du in wenigen Tagen die Futtermenge pro Rückruf auf noch drei-vier Stückchen Trockenfutter.

Nun kannst Du beginnen, den Verstärkerplan schrittweise auf einen Quotenverstärkerplan umzustellen. Das heißt, dass Du Deinem Hund nicht mehr nach jedem erfolgreichen Rückruf Futter zur Verstärkung gibst, sondern Quoten festlegst, wie oft er das Verhalten zeigen soll, bevor er eine verhaltensverstärkende Futtergabe erhält. Viele Trainer sprechen dann vom Ausschleichen der Futtergabe oder Belohnung. Allerdings kann mühsam aufgebautes Verhalten auch wieder gelöscht werden, wenn nie mehr eine Verstärkung erfolgt oder Dein Hund das Gefühl bekommt, dass es so sei. Deshalb arbeitest Du zu Beginn mit eine sehr niedrigen Quote, z. B. von 1,66. In dem Fall wird erstmal durchschnittlich jede dritte Wiederholung NICHT belohnt, die beiden anderen schon. Fängst Du mit einer Quote von 2 an, wird durchschnittlich jedes zweite Mal Futter gegeben. An der Stelle muss darauf hingewiesen werden, dass "durchschnittlich" bedeutet, dass eine Regelmäßigkeit für den Hund nicht leicht zu erkennen ist: Bei einer Quote von 1,66 kann beispielsweise viermal hintereinander belohnt, dann zweimal hintereinander nicht belohnt werden um dann wieder eine zu geben. Hierbei spicht man von einer variablen Quote, deren Muster für den Hund nicht so leicht erkennbar ist und das Verhalten daher besonders löschungsresistent macht. Langsam setzt Du die Quote hoch und vergibst immer seltener eine Belohnung. Allerdings setzt auch dieser Verstärkerplan, trotz der Löschungsresistenz, die er erzeugt, immer noch voraus, dass hin und wieder eine Verstärkung erfolgt. Deshalb sollte jeder Hundehalter immer ein paar Leckerchen oder Stückchen Trockenfutter bei sich haben. 

So betrachtet, endet das Training nämlich nie: Du bist gezwungen, Deinem Hund sein Leben lang zu zeigen, dass es sich lohnt, Deinen Signalen Folge zu leisten. 

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