Erbrechen beim Hund

Wenn der Hund erbricht

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Zuletzt aktualisiert am: 9.9.2023

Junger Golden Retriever steht im Gras und frisst.jpg

Erbrechen ist, neben Durchfall, Juckreiz und Schmerzen, einer der häufigsten Gründe für einen Tierarztbesuch. Egal ob es Mitleid mit dem leidend schauenden Hund, Ekel vor dem Erbrochenen, Angst um den Flokatiteppich oder Panik vor einer Vergiftung ist: man möchte einfach nur, dass es aufhört. Dabei ist Erbrechen meist selbstlimitierend, hört also von allein wieder auf und ist daher kein Grund für einen Tierarztbesuch. Nur selten steckt dahinter ein Giftanschlag des Nachbarn oder eine lebensbedrohliche Erkrankung. Dieser Artikel soll ihnen eine Hilfestellung bieten zu entscheiden, wann ein Tierarztbesuch wirklich nötig ist und wie man mit einfachen Mitteln daheim schon Abhilfe schaffen kann. 

Wie entsteht Erbrechen?

Erbrechen, auch Vomitus oder Emesis genannt, ist eine natürliche Reaktion des Körpers auf Reize des Magens, Dünndarms oder Brechzentrums im Gehirn. Dabei kann die Ursache der Reizung im Magen-Darm-Trakt (gastrointestinal) oder außerhalb davon (extragastrointestinal) liegen. 

Unabhängig von der Ursache läuft der Vorgang des Erbrechens immer gleich ab, da es sich um einen sogenannten mehrphasigen Reflex handelt. Wird das Brechzentrum indirekt, durch Aktivierung bestimmter Rezeptoren in der Schleimhaut von Magen- oder Dünndarmwand, alarmiert oder gelangen reizende Stoffe direkt ans Brechzentrum im Gehirn, wird der Brechreflex ausgelöst und läuft in drei Phasen ab:

Die Nauseaphase (nausea = Übelkeit, wörtl. „Seekrankheit“) ist der Vorbote des Erbrechens. Obwohl Hunde uns nicht direkt sagen können „mir ist schlecht“, erkennt man es meist recht deutlich: der Hund zieht sich zurück, ist ungewöhnlich ruhig, schmatzt oder schleckt viel. Einige Hunde Schlucken oder Kauen vermehrt, speicheln oder ziehen die Lefzen zurück, sodass sich Falten an den Maulwinkeln bilden. Diese Anzeichen haben aber nicht nur Symbolcharakter, sondern auch eine Funktion: sie entspannen den Schließmuskel, der die Speiseröhre vom Magen trennt, sodass später der Mageninhalt ungehindert ausgespuckt werden kann. Oft wird in dieser Phase auch etwas Futterbrei aus dem Dünndarm in den Magen zurückbefördert, bevor sich der Magenpförtner (Pylorus) schließt und damit sicherstellt, dass später auch wirklich der gesamte Mageninhalt nach außen befördert wird und nichts in den Darm entwischen kann.

Die zweite Phase des Erbrechens ist gekennzeichnet durch ein Geräusch, dass uns schneller aus dem Tiefschlaf holt, als ein Feueralarm: das Würgegeräusch unserer vierbeinigen Freunde. Wer Glück hat, schafft es dann noch rechtzeitig den Hund nach Draußen oder wenigstens auf einen gut wischbaren Untergrund zu befördern, bevor das Abendessen auf dem Teppich oder im Bett landet. Die Würgephase dient allerdings nur nebensächlich als Alarm, sondern hat eigentlich eine andere wichtige Aufgabe: durch das Würgen und Schlucken gegen den Kehlkopf wird mehr Druck im Bauchraum erzeugt, der die Kontraktionen der Bauch- und Zwerchfellmuskulatur verstärkt, die für das eigentliche Erbrechen wichtig sind.

Der Druckaufbau und die Kontraktionen von Zwerchfell und Bauchmuskulatur sind essentiell für die dritte Phase des Erbrechens: den Brechakt. Denn Magen und Darm können sich zwar auch kontrahieren, haben aber nicht die Kraft dazu, den Futterbrei die Speiseröhre hinauf und aus der Maulhöhle heraus zu befördern. Man kann es sich in etwa so vorstellen, wie ein Kind eine Rutsche hinauf statt hinunter zu schieben. Zum Rutschen anschieben kann man auch mit wenig Muskelkraft, wieder hinaufschieben ist allerdings viel schwieriger. 

Ist der Mageninhalt ausgebrochen, hat der Spuk ein Ende. Allerdings ist dies meist nicht nach einmaligem Erbrechen der Fall, sondern erst nach mehrmaligen Brechakten. Dabei enthält der „Brechinhalt“ mit jedem weiteren Mal weniger Futterbrei, bis am Ende nur noch gelb-färbende Gallenflüssigkeit oder Schaum (denaturierte Proteine) erbrochen wird. So ekelig und anstrengend wiederholendes Erbrechen ist, so gut ist das Gefühl, wenn wirklich alles heraus ist. Erst dann hört die Übelkeit auf und man fühlt sich besser. Wer sich an seinen 18. Geburtstag, letzten Magen-Darm-Infekt, feucht-fröhliche Weihnachtsfeier oder Migräne-Anfall zurück erinnert, wird das Schema wiedererkennen. 

Davon abzugrenzen ist das sogenannte Regurgitieren, bei dem es sich um passives Hochwürgen des Mageninhaltes handelt. Grund hierfür sind fast immer Erkrankungen der Speiseröhre, z.B. ein Megaösophagus.

Welche Auslöser für Erbrechen gibt es?

Wie eingangs schon erwähnt, kann Erbrechen viele Ursachen haben. Man unterscheidet dabei Ursachen, die im Magen-Darm-Trakt zu finden sind (gastrointestinal) von solchen, die nichts mit selbigem zu tun haben (extragastrointestinal). Aus der Art des Erbrechens (verdautes Futter, unverdautes Futter, Farbe, Geruch, Zeitpunkt nach Fütterung…) und dem Auftreten weiterer Symptome kann die Ursache oft schon erahnt werden. Weiterführende Untersuchungen, wie Röntgen, Ultraschall, Kotuntersuchung oder Blutentnahme können hilfreich sein.

Als Ursachen kommen in Frage: 

Gastrointestinale Ursachen:

  1. futterbedingte Störungen (diätetisch): abrupter Futterwechsel, verdorbenes Futter, Futtermittelunverträglichkeit etc.
  2. Entzündungen: Pharyngitis, Tonsillitis, Ösophagitis, Gastritis, Enteritis, Kolitis, Magenerosionen, Magenulzera, Darmerosionen, Darmulzera etc.
  3. Infektionen: Bakterien (z.B. Salmonellen, Campylobacter), Viren (z.B. Parvoviren), Hefepilze (z.B. Candida spp.), Würmer (z.B. Hundebandwurm), Einzeller (z.B. Giardien)
  4. Obstruktionen: Fremdkörper, Invagination, Volvulus, Pylorusobstruktion, starke Verstopfung, massiver Parasitenbefall (z.B. Spulwürmer)
  5. funktionelle Probleme: paralytischer Ileus, Magenentleerungsstörung etc.

Extragastrointestinale Ursachen:

  1. das ZNS betreffend: Angst, Aufregung, Schmerz, Entzündungen/Infektionen/Tumoren des Gehirns
  2. das Gleichgewichtsorgan betreffend: Reiseübelkeit, Vestibularsyndrom etc.
  3. die Bauchhöhle betreffend: Peritonitis, Aszites, Pankreatitis, Hepatitis, Nephritis, Prostatitis, Metritis, Pyometra, Harnwegsobstruktionen, Gallengansobstruktionen, Hernien, Tumore etc.
  4. stoffwechselbedingt/hormonell: Übersäuerung (Azidose, diabetische Ketoazidose), Urämie, Morbus Addison, Leberinsuffizienz, Endotoxämie, Kaliummangel etc.
  5. toxisch/medikamentell: Bleivergiftung, Kühlmittelvergiftung, Apomorphin, Herzglyskoside, NSAID, Tetracycline, Xylazin etc.
  6. die Kreislauforgane betreffend: Laryngitis, Tracheitis, Herzerkrankungen (z.B. Herzinsuffizienz, Kardiomyopathie) etc. 

Der Wirkmechanismus der verschiedenen Ursachen besteht entweder 

  1. in der Reizung von Rezeptoren der Magen- oder Darmschleimhaut (z.B. durch Parasiten, übermäßige Dehnung, Giftstoffe im Nahrungsbrei), die wiederum über Nervenfasern das Brechzentrum im Gehirn stimulieren,

    oder

  2. in der direkten Stimulation des Brechzentrums durch Stoffe, die bei Organschädigung, Vergiftung oder Medikamentengabe freigesetzt werden und ins Gehirn gelangen. 

Wann ist Erbrechen ein Fall für den Tierarzt?

Ähnlich wie bei Schmerzen, Durchfall oder Fieber, gilt auch bei Erbrechen die Devise: kommt es immer wieder vor oder dauert es sehr lange an oder geht es dem Tier dabei sehr schlecht, sollte man den Tierarzt aufsuchen!

Einmaliges Erbrechen oder mehrmaliges Erbrechen an einem Tag, das von selbst zur Ruhe kommt, sind noch kein Grund zur Besorgnis. Wie zuvor schon erwähnt wurde, ist es völlig normal, dass ein Hund mehrmals hintereinander erbricht und am Ende nur noch Schaum oder gelbe Flüssigkeit übrigbleiben. Nur wenn der Magen komplett entleert ist, ist die „Selbstreinigungsfunktion“ des Körpers geglückt. Hätte der Hund Gift gefressen, wäre eine teilweise Entleerung nicht sinnvoll, daher hat die Natur dieses Prinzip eingerichtet. Bei einem Magen-Darm-Infekt kann es auch zwei oder drei Tage hintereinander zu morgendlicher Übelkeit kommen, um sich der störenden Erreger zu entledigen. 

Gefährlich wird es immer dann, wenn das Erbrechen zu lange andauert bzw. nicht selbst zur Ruhe kommt. Denn der Körper verliert dabei Flüssigkeit und Nährstoffe. Besonders bei kranken oder geschwächten Tieren kann es schnell zu Austrocknung oder Nährstoffmangel führen. Ständiges Erbrechen reizt außerdem die Schleimhaut der Speiseröhre und des Rachens, was im schlimmsten Fall zu schweren Verätzungen führen kann. 

Wiederkehrendes oder lang andauerndes Erbrechen kann außerdem Folge lebensbedrohlicher Erkrankungen sein (z.B. diabetische Ketoazidose, Ileus, Vergiftungen aller Art). 

Auch das Erbrechen reinen Blutes oder Darminhaltes ist natürlich ein Notfall.

Sollte ihr Tier also sehr geschwächt sein, das Erbrechen nicht von allein zur Ruhe kommen oder Blut/Kot mit im Spiel sein, suchen Sie bitte einen Tierarzt auf!

Wie behandelt man Erbrechen?

Erbrechen kann mit verschiedensten Medikamenten (Antiemetika) unterbunden werden. Je nach Ursache, eventuellen Vorerkrankungen und Vorlieben des Besitzers (Tabletten, Flüssigkeit, Spritze etc.) kommen folgende Medikamente zum Einsatz:

  1. Dopaminantagonisten: blockieren Rezeptoren des Brechzentrums; z.B. Metoclopramid (MCP) -> bei Reiseübelkeit unwirksam
  2. Neuroleptika: blockieren mit verschiedenen Mechanismen das Brechzentrum; z.B. Acepromazin -> Vorsicht! Wirken blutdrucksenkend
  3. Serotoninantagonisten: blockieren Rezeptoren des Brechzentrums; z.B. Ondansetron -> bei Reiseübelkeit und medikamentellem Erbrechen unwirksam
  4. Anticholinergika: wirken auf Brechzentrum ein, hemmen Kontraktionen und Speichelfluss; z.B: Butylscopolaminbromid -> nicht länger als 3 Tage anwenden, sonst Ileus-Gefahr!
  5. H1-Rezeptorblocker (Antihistaminika): wirken auf Brechzentrum und Gleichgewichtsorgan; z.B. Diphenhydramin
  6. Gastrokinetika: wirken v.a. am Schließmuskel der Speiseröhre; z.B. Cisaprid, Erythromycin
  7. antisekretorische Medikamente: hemmen die Magensäureproduktion; z.B. Omeprazol, Ranitidin
  8. Zyto-/Schleimhautprotektive Medikamente: bilden „Schleimhautüberzug“ und adsorbieren Magensäure-stimulierende Stoffe; z.B. Sucralfat

Abgesehen von rein symptomatischer Behandlung sollte natürlich auch die Ursache des Erbrechens, insofern bekannt, behandelt werden, um wiederkehrendes Erbrechen zu verhindern.

Schonkost zur Linderung des Erbrechens, Unterstützung der Verdauungstätigkeit und als „Schleimhautschutz“ (z.B. Haferschleim), darf gerne gefüttert werden. Beispiele für Magen-Darm-schonende Fütterung finden Sie in unserem Artikel zum Thema „Durchfall“.

Wie kann man Erbrechen vorbeugen?

Um Erbrechen vorzubeugen sollten alle auslösenden Substanzen und Erkrankungen bestmöglich vermieden werden. Wenn Sie Ihren Hund artgerecht halten, auf optimale Fütterung achten, Parasitenprophylaxe betreiben und mit entsprechendem Training das Fressen ungenießbarer Dinge vermeiden, haben Sie schon alles Wichtige unternommen, um Ihren Liebling vor Magen-Darm-Beschwerden zu schützen. Sollte ihr Vierbeiner allgemein unter einem sensiblen Magen leiden, z.B. bei geringstem Stress schon Brechreiz bekommen, kann es helfen, auf Schonkostfütterung umzusteigen (s. Artikel „Durchfall“). Fast alle Futtermittelhersteller haben leichtverdauliches Feucht- oder Trockenfutter, das den Magen-Darm-Trakt entlastet, im Sortiment. Dieses ist z.B. mit der Aufschrift „sensitiv“ oder „magenschonend“ gekennzeichnet. Sollte kein kompletter Futterwechsel möglich sein, da ihr Tier an einer Erkrankung leidet, die ein Spezialfutter nötig macht, sprechen Sie doch mit Ihrem Tierarzt, ob das Zufüttern von Haferflocken, Reis oder Leinsamen möglich ist. Dies fördert die Verdauung und bildet zum Teil eine schützende Schleimschicht in Magen und Darm. 

Weitere Tipps und Tricks zur optimalen Fütterung finden Sie in unserem Artikel „Fütterungsfehler“.

Einige Fakten zum Symptom Erbrechen auf einen Blick:

Risikofaktoren siehe Auflistung Text
Symptome / Krankheitsanzeichen
  • Schmatzen
  • Schlecken
  • Krümmen
  • Würgen
  • Lefzen hoch-/hinterziehen
  • Speicheln
  • Schlucken
Behandlung
  • Schonkost
  • Flüssigkeits-/Elektrolytzufuhr
  • Antiemeitka
  • Behandlung der Grundursache
Präventive Maßnahmen / Vorbeugung
  • artgerechte Fütterung
  • Parasitenprophylaxe (Antiparasitika)
  • Erziehung (kein Kot-, Müll-, Kadaver-, Giftköderfressen etc.)
  • hundsicheres Zuhause (keine Giftpflanzen, keine offenen Komposthäufen/Mülltonnen, kein Zugangzu giftigen Substanzen wie Pestiziden etc.)
  • Kontaktvermeidung zu kranken Tieren und deren Hinterlassenschaften
  • gute Fütterungshygiene (Salmonellen usw.)
  • Stressvermeidung


Quellen:

Praktikum der Hundeklinik, Suter/Kohn, 10. Auflage, Parey Verlag


Synonyme

  • Brechen
  • Brechreiz
  • Emesis
  • Entleeren des Mageninhalt durch den Mund
  • Kotzen
  • Übergeben
  • Vomiting
  • Vomitus

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